Streit um das Wunder vom ökologischen Heizöl
Kann Erdöl zum Heizen von Häusern klimaneutral sein? Die Einschätzungen der Experten gehen auseinander
- Es ist eine wundersame Ansage: Das Unternehmen Avia bietet klimaneutrales Heizöl an – erstmals in Deutschland. Eigentlich ist fossiles Erdöl ein ziemlich klimaschädlicher Brennstoff – sein KohlendioxidAusstoß verstärkt die Erderwärmung. Doch Avia investiert in Klimaschutzprojekte und will damit den ökologischen Nachteil ausgleichen. Das Umweltbundesamt findet die Argumentation plausibel. Die Konkurrenzfirma Atmosfair und das Öko-Institut haben dagegen Zweifel an dieser Art der Ökologisierung.
Etwa fünf Millionen Hausbesitzer betreiben in Deutschland noch Ölheizungen. Die stehen oft in den Kellern von Einfamilienhäusern. Aber irgendwann müssen sie raus und umweltfreundlicheren Anlagen weichen – wenn Deutschland sein Klimaschutzziel einhalten will. Für die Zeit bis dahin bietet Avia sein Kompensationsmodell an.
Das funktioniert so: Mithilfe der Firma First Climate kauft Avia Zertifikate bei den Entwicklern von Klimaschutzprojekten. Diese Zertifikate bescheinigen, dass eine gewisse Menge klimaschädlicher Abgase eingespart wird. Avia überweist so beispielsweise Geld für die Verbreitung energieeffizienter Kochherde in Uganda und den Bau eines Wasserkraftwerkes im Himalaya. Die geförderte Kohlendioxidvermeidung soll die Emissionen des verkauften Heizöls rechnerisch ausgleichen.
Vergleichbare Kompensationsmodelle bietet auch das Unternehmen Atmosfair. Dessen Geschäftsführer Dietrich Brockhagen kritisiert jedoch den Ansatz der Konkurrenz: „Beim Kauf von Kohlendioxidzertifikaten über einen Händler ist im allgemeinen nicht sichergestellt, dass das Geld tatsächlich zum Aufbau von Projekten verwendet wird.“Die Empfänger könnten die Mittel auch für andere Zwecke ausgeben, so Brockhagen. „Das wird nicht kontrolliert. Im Extremfall kaufen sie sich ein Auto.“Der Kauf von Zertifikaten alleine nutze dem Klima deshalb nicht.
Der Streitpunkt ist: Wird das Zertifikategeld in entsprechende Projekte gesteckt oder kann sich der Projektbetreiber einfach die Taschen füllen? Um letzteres zu verhindern kaufe Atmosfair keine Klimaschutzzertifikate, sondern stelle den Kooperationsprojekten die Mittel als direkte Förderung zur Verfügung, etwa für den Neubau von kleinen Biogasanlagen in Kenia. „Wir können in unseren eigenen Projekten bei jedem Euro genau sagen, wofür er ausgegeben wurde“, sagt Brockhagen.
Benjamin Seitz von First Climate dagegen rechtfertigt das ZertifikateModell: Damit „decken die Projektentwickler Teile ihrer Kosten“für Investitionen und Betrieb. „Dass darüber hinaus für sie ein Gewinn bleibt, ist beabsichtigt, denn so entsteht in Schwellen- und Entwicklungsländern ein Anreiz, wirksame Klimaschutzprojekte umzusetzen.“
Umweltbundesamt stimmt zu
Vom Umweltbundesamt (UBA) erhält First Climate Unterstützung: „Die Betreiber von Klimaschutzprojekten müssen ihre Investitionen vorfinanzieren“, sagt Karsten Karschunke, UBA-Experte für Emissionshandel. „Der Verkauf der Zertifikate hilft ihnen, diese Kosten wieder hereinzuholen und damit das Projekt zu ermöglichen. Dass ein Teil der Erlöse auch in den Gewinn fließt, ist normal.“Der Zusammenhang zwischen dem Verkauf der Zertifikate und der erzielten Emissionsminderung sei trotzdem eindeutig.
Ob man Heizöl als Ökobrennstoff bewerben soll, wird freilich aus einem weiteren Grund angezweifelt. „Das Avia-Modell kann als Anreiz missverstanden werden, an alten Systemen festzuhalten“, sagt Veit Bürger vom Ökoinstitut. „Mittelfristig müssen Öl- und auch Gasheizungen verschwinden, wo es möglich ist. Emissionen zu vermeiden, ist wichtiger, als sie zu kompensieren.“