„Alle Grundrechte haben Schranken“
- Die Absage der Veranstaltung in Gaggenau ist unter den Umständen nachvollziehbar gewesen, sagt der emeritierte Staats- und Verwaltungsrechtsprofessor Christian Pestalozza (Foto: Ulrich Dahl, FU Berlin) von der Freien Universität Berlin im Interview mit Karin Geupel.
War die Absage rechtens?
Die Begründung der Stadt, sie habe die Halle für eine ganz andere Veranstaltung zur Verfügung gestellt und könne bei dem nun zu erwartenden Zulauf die öffentliche Sicherheit und Ordnung nicht im notwendigen Ausmaß gewährleisten, ist nicht von der Hand zu weisen. Bei der ursprünglichen Vereinbarung mit dem Veranstalter war offenbar nicht die Rede davon, dass dort ein türkischer Minister sprechen würde. Die damit verbundene Politisierung konnte die Einschätzung der Sicherheitslage maßgeblich verändern. Nur die Stadt, nicht ein Außenstehender, kann entscheiden, ob sie damit überfordert ist.
Hätte die Stadt anstelle des Verbots nicht nachträgliche Sicherheitsauflagen machen können?
Sie können dem Veranstalter nur solche Auflagen machen, die dieser auch wirklich realisieren kann. Kein Veranstalter kann verlässlich zusagen, dass tatsächlich nur so viele Leute kommen, wie die Halle fasst und dass alles friedlich ablaufen wird. Wenn auch die Stadt glaubt, dafür nicht einstehen zu können, bleibt ihr wohl nur die Absage.
Macht es einen Unterschied, ob ein ausländischer Politiker in seiner Funktion oder als Privatmann einreist?
Sicher, auch wenn die Unterscheidung unter Umständen schwierig ist. Es kommt auf die öffentliche Wahrnehmung des Auftritts und seinen Zweck an. Wenn der Gast zum Beispiel wegen einer familiären Zeremonie einreist, wird er glaubhaft versichern können, er komme als Privatmann. Aber wenn er öffentlich auftritt und für das Verfassungsreferendum wirbt, wie will man da sagen, das macht er als Privatmann?
Trotzdem müssten die Grundrechte doch auch für türkische Politiker gelten, oder?
Manche Grundrechte, wie die Versammlungsfreiheit, gelten nur für Deutsche und EU-Bürger. Andere Grundrechte, wie die Meinungsfreiheit, gelten für jedermann, also auch für Nichtdeutsche, und zwar für Politiker nicht weniger als für reine Privatleute. Alle Grundrechte aber haben Schranken. So auch die Redefreiheit, die sich unter anderem in den Rahmen der sogenannten allgemeinen Gesetze einfügen muss. Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung können dazu führen, dass Grundrechte wie die Versammlungsfreiheit oder die Redefreiheit eingeschränkt werden.