VfR Aalen: Nach dem Schock wächst der Kampfwille
Nach Hiobsbotschaft über Punktabzug kritisieren Verein, Sponsoren, Stadt und Fans Deutschen Fußball-Bund
AALEN - Verein, Sponsoren und Fans hat die Meldung des Deutschen Fußball-Bunds (DFB) am Freitagabend wie ein Schlag getroffen: Dem Fußball-Drittligisten VfR Aalen werden tatsächlich neun Punkte abgezogen, die Höchststrafe für die vor wenigen Wochen angekündigte Planinsolvenz des Vereins. Doch spätestens das Spiel am Samstag hat deutlich gezeigt: Die Mannschaft lässt sich davon nicht verunsichern. Alle Befragten geben sich zudem überzeugt: Der Verein ist stark genug, diese Strafe zu verkraften. Ganz nach dem Motto: „Jetzt erst recht.“
Die offizielle Nachricht vom Punktabzug kam am Freitag gegen 20 Uhr und schlug gleich ein wie eine Bombe. Dass der Punktabzug kommt, hatten natürlich viele befürchtet. So sehen es die Statuten in einem solchen Fall vor. Es gibt allerdings eine Möglichkeit, die Strafe abzumildern, wenn beispielsweise der Hauptsponsor Insolvenz anmeldet. Auf diese Möglichkeit hatte sich der Fußball-Drittligist von der Ostalb berufen – offenbar ohne Erfolg. In die Kritik geriet dann aber vor allem der Zeitpunkt der Bekanntgabe durch den DFB.
„Ich bin schockiert, dass diese Mitteilung so kurz vor dem Spiel kommt, das hätten wir nicht vom DFB erwartet“, kritisiert Markus
Thiele, Geschäftsführer des VfR Aalen noch am selben Abend. Ihn erreicht die Hiobsbotschaft beim Stadtwerke-Empfang in der Aalener Stadthalle. „Die Art und Weise ist schon befremdlich.“Durch den Punktabzug rutschte der VfR zunächst auf den vorletzten Tabellenplatz. Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig, der Verein kann Widerspruch einlegen. Und wird das aller Voraussicht nach auch tun (siehe Zweitstück). Sponsoren stehen hinter Verein Ebenfalls am Freitagabend kritisiert Präsidiumsmitglied Walter Höffner den ungünstigen Zeitpunkt der Bekanntgabe. „Ich halte es für unverschämt, das am Abend vor dem Spiel zu verkünden“, sagt er. Die Mitteilung über den Punktabzug hätte auch noch bis Montag gereicht. Dass die Strafe in dieser Höhe kommt, damit hätte man aber gerechnet. Dennoch ist Höffner überzeugt: „Die Mannschaft ist so stark, dass die das wegsteckt.“Optimistisch zeigt sich auch Aufsichtsratsmitglied Nikolaus Albrecht. Er hat den Punktabzug schon geahnt. Es sei nicht schön, aber der Verein werde das stemmen. „Das können wir wieder reinholen“, ist er überzeugt.
Zunächst überrascht wirkt am Freitagabend bei der 150-JahrFeier der Stadtwerke Aalen Gastgeber Cord Müller. „Es ist schade, dass der DFB die besondere Situation des VfR nicht berücksichtigt hat“, sagt Müller. Die Stadtwerke sind ein wichtiger Sponsor des Fußballclubs. Der Geschäftsführer rät nun, nach vorne zu blicken: „Die Mannschaft ist motiviert und engagiert und wird trotz dieses Rückschlags
„Ich halte es für unverschämt, das am Abend vor dem Spiel zu verkünden“, sagt Präsidiumsmitglied Walter Höffner am Freitagabend.
ihren Weg machen“, sagt er. Die Entscheidung habe er allerdings befürchtet: „Die Statuten des DFB sind ja eindeutig und man musste damit rechnen“, räumt Müller ein, „aber die Hoffnung stirbt zuletzt.“
Hans-Peter Weber zeigt sich dagegen schockiert über den Punkteabzug. „Ich gehe davon aus, dass der VfR Einspruch einlegen wird und der DFB zur Besinnung kommt“, sagt der Vorstandssprecher der VR-Bank Aalen. Der DFB solle erkennen, dass nicht die Mannschaft schuld ist an der Planinsolvenz, so der Banker, der kritisiert, dass die Nachricht über den Punkteabzug so kurz vor dem Spiel bekanntgegeben wurde: „Das ist völlig deplatziert.“Geknickt ist auch „Flex“Flechsler, Aalener Musiker und bekennender VfR-Aalen-Fan. „Ich habe eine Dauerkarte und stehe bei fast jedem Heimspiel im Block C“, sagt Flechsler. Der Punktabzug trifft ihn hart: „Ich finde es schade, dass die Sportler jetzt das ausbaden müssen, was der Verein finanztechnisch nicht hingekriegt haben.“Flechsler lobt die Unterstützung, die Berndt-Ulrich Scholz dem Verein gegeben hat. „Es ist schade, dass das jetzt in ein unrühmliches Licht fällt.“Einen Tag später sitzt der Schock immer noch tief, aber der Kampfeswille steigt bereits. So geht es kurz vor dem Anpfiff der Partie gegen Großaspach am Samstag auch Markus Schick aus Bartholomä. „Der Zeitpunkt ist schon unglücklich gewesen“, sagt der VfR-Fan, der zusammen mit
Thomas Maier am Spielfeldrand steht. Mit einem Punkteabzug für die Aalener hat Maier zwar gerechnet – aber nicht in dieser Höhe. Dennoch: „Ich traue der Mannschaft zu, dass sie es schafft und die Spieler sagen: ,Jetzt erst recht!‘.“Fans im Stadion sind sauer Von „ziemlich schlechten Nachrichten für den VfR“spricht Bernd Wicher aus Hüttlingen. Es sei typisch für den DFB, der „ein Exempel am VfR statuieren“wolle. Man habe immer das Gefühl, „dass der DFB uns in die Pfanne hauen und aus dem Profifußball verdrängen will“.
Bei anderen Vereinen habe der DFB nach der Saison Punkte abgezogen, beim VfR nun aber zum zweiten Mal während der Saison, kritisiert
Werner Schulze vom Aalener RolliFanclub schwarz-weiß. Es habe den Anschein, „dass der DFB andere Vereine, die mehr Zuschauer anlocken oder attraktiver sind, in der Liga sehen will“.
„Ich finde es sehr problematisch, dass man mit neun Punkten massiv in die laufende Saison eingreift, obwohl nachweislich weder die Mannschaft noch die Führung etwas mit der Planinsolvenz zu tun haben. Das sind Altlasten“, sagt Uwe Haidler. Für den Ellwanger ist der DFB eher gegen als für kleine Vereine. „Viele Fans empfinden das als Sauerei.“OB verspricht Unterstützung Diejenigen, die an den Kampfgeist ihrer Mannschaft glaubten, sollten Recht behalten: Am Samstagnachmittag gewinnt der VfR Aalen zu Hause mit 2:0 gegen Sonnenhof Großaspach. Darüber freut sich auch
Winfried Mack, Ehrenratsmitglied des Vereins. „Das Team hat die sportliche Herausforderung angenommen und gemeistert“, lobt er nach Ende des Spiels. Er findet es dennoch bedauerlich, dass der Mannschaft die neun Punkte aberkannt wurden, denn „der VfR Aalen strengt sich sportlich enorm an“. Dass auf das Sportliche auch noch die Vereinssache draufgelegt werde und dann auch noch in dieser Härte, findet Mack schade.
Deutliche Worte findet Aalens Oberbürgermeister Thilo Rentschler nach dem 2:0-Sieg: „Das war die beste Antwort auf den Abzug von neun Punkten, sich jetzt wieder drei Punkte zu holen“, freut sich Rentschler, der die zweite Halbzeit des Spiels live im Stadion mitverfolgt hat. „Die Mannschaft hat unter Beweis gestellt, dass sie sich nicht unterkriegen lässt, sondern im Gegenteil den Punktabzug wegsteckt.“Weil die Mannschaft seit einiger Zeit sportlich hervorragende Leistungen zeige, mache er sich auch keine Sorgen darüber, dass das bis zum Ende der Saison funktioniert – ein möglicher Abstieg ist für ihn kein Thema.
Diese positive Einstellung hat Rentschler auch im Stadion gespürt, „und darüber bin ich sehr froh“. Der Sieg kurz nach dieser Nachricht sei ein riesiger Ansporn nicht nur für den
Die Mannschaft hat unter Beweis gestellt, dass sie den Punktabzug wegsteckt“, freut sich Aalens OB Thilo Rentschler nach dem Sieg gegen Großaspach.
Verein, sondern auch für die Sponsoren und für die Stadt sowie ein starkes Zeichen an den Gemeinderat, „dass es jetzt gut nach vorne geht“.
Nun müssten aber auch noch andere Dinge angegangen werden: „Sponsoren müssen verstärkt aktiviert, der Fußball im Jugendbereich breiter aufgestellt werden“, sagt Rentschler. „Ich bin bereit, den Verein hierbei zu unterstützen.“Die neun Punkte Abzug seien schmerzhaft, aber „man darf sich nicht zu lange damit aufhalten“.
Allerdings bezweifelt Rentschler die Sinnhaftigkeit der DFB-Statuten in diesem Punkt: „Diese Regel ist nicht einleuchtend, nicht gerecht und auch nicht notwendig.“Er verstehe nicht, dass man bei finanziellen Problemen ausgerechnet die Mannschaft, den Trainer und letztendlich auch das Publikum bestrafe. „An der finanziellen Situation ändert das ohnehin überhaupt nichts.“