In der Sisyphusarbeit vereint
Das badische Derby endet 1:1, beide Trainer stehen nun vor ähnlichen Aufgaben
- Das Staunen begann vor dem Spiel. Eine so hochkarätig besetzte Ersatzbank hatte der SC Freiburg wohl noch nie. Neben Edeljoker Nils Petersen (6 Saisontore) und Abwehrjuwel Caglar Söyüncü, die bereits beim Sieg in Frankfurt nicht zur Anfangself zählten, gehörte gegen Hoffenheim Vincenzo Grifo (fünf Tore/elf Vorlagen) erstmals in dieser Bundesligasaison nicht zur Startformation. Trainer Christian Streich begründete dies mit der Leistungsdichte im Kader: „Eine solche Situation haben wir nicht oft in Freiburg. Es spricht für die Qualität der anderen Spieler, dass Grifo auch mal draußen bleibt“, erklärte er nach dem für den SC schmeichelhaften 1:1 (0:0) im Baden-Derby.
Die anderen Spieler – das sind in der Offensive Florian Niederlechner (sieben Tore), der Wangener Janik Haberer und Maximilian Philipp, der nach abgelaufener Gelbsperre für Grifo in die Elf rückte und sein achtes Saisontor erzielte, ein im Nachschuss glücklich verwandelter Foulelfmeter zum 1:0 (56.). Florian Niederlechner war im Strafraum von Kevin Vogt gefoult worden. „Es ärgert mich, dass ich erst im zweiten Versuch getroffen habe“, sagte Philipp. „Der Elfmeter war nicht gut geschossen.“
Haberer trifft nur den Pfosten
Gut geschossen – das durfte auch Andrej Kramaric von sich behaupten. Der Hoffenheimer Stürmer zirkelte den Ball kunstvoll vom linken Strafraumeck zum 1:1 (60.) in den rechten Torwinkel. Trotz seines achten Saisontreffers war der 25-Jährige unglücklich: „Spiele wie diese müssen wir gewinnen, nur dann können wir von Größerem träumen.“Trainer Julian Nagelsmann war anderer Ansicht: „Wir haben ein gutes Auswärtsspiel gezeigt. Mit dem Ergebnis kann ich leben, auch wenn ein Sieg für uns verdient gewesen wäre. Es ist nicht so schlimm, wenn Hoffenheim in Freiburg nur 1:1 spielt. Freiburg ist immer gut eingestellt und hätte auch ein zweites Tor machen können. Der SC hat genug gute Spieler, um das hinzukriegen.“
Vor allem Janik Haberer ließ Freiburg am Sieg schnuppern. Er bewies seinen gewachsenen Stellenwert für die Mannschaft und hätte seine gute Leistung fast mit dem Siegtor gekrönt – doch der sehenswerte Direktschuss des 22-Jährigen zehn Minuten vor Schluss ging an den Pfosten. „Wir haben ein richtig gutes Spiel gemacht und Hoffenheim vor Probleme gestellt“, sagte Haberer. Aufsteiger Freiburg liegt weiter in Sichtweite zu den Europa-League-Plätzen, Hoffenheim träumt von der Champions League. Nach dem 24. Spieltag haben nur vier Clubs (FC Bayern, Leipzig, Dortmund, Berlin) mehr Siege als die badischen Bundesligisten (je zehn). Zweifellos ein Verdienst der Trainer Nagelsmann und Streich, die nun vor ähnlichen Herausforderungen stehen: Der Erfolg weckt bei anderen Clubs Begehrlichkeiten. „Bis zur Perfektion brauchst du Zeit, die du nicht hast. Das sieht man bei uns. Da gehen im Sommer zwei Säulen zu den Bayern: Niklas Süle und Sebastian Rudy. Also muss ich bei gewissen Dingen wieder von vorne anfangen“, hatte Nagelsmann jüngst im „Kicker“geklagt. Streich kennt die Sisyphusarbeit zur Genüge. Immer wieder einen Stein den Berg hinaufzuwälzen, ist in Freiburg so selbstverständlich wie die Anwesenheit von Bundestrainer Joachim Löw im Schwarzwald-Stadion.
Die Ausbildungsarbeit ist Streichs Stärke. Gegen Hoffenheim schien es ihm zudem besonders zu gefallen, die taktischen Winkelzüge seines 29-jährigen Trainerkollegen zu studieren und zu kontern. „Es war interessant, weil Hoffenheim im 43-3-System angefangen hat und wir während der Woche überlegt hatten, ob wir es auch so machen“, sagte Streich lächelnd. Hoffenheim sei „einen Tick besser“gewesen, das Remis sei aber „korrekt“. Der mit 51 Jahren drittälteste Trainer der Liga und der jüngste Coach verstanden sich gut. Nur in Sachen soziale Medien trennen die beiden Welten. Streich ist ein Verweigerer, Nagelsmann schreibt auf Facebook. Nach dem Spiel gegen Freiburg klang das so: „Ein hartes Stück Arbeit. Danke für einen vollen Gästeblock.“Ein ausverkauftes Haus wie im Schwarzwald-Stadion sind sie in der Rhein-Neckar-Arena nicht gewohnt. Auch Hoffenheim hatte also an diesem Tag einen Grund zum Staunen.