„Originalität wird als Risiko gesehen“
Der schwäbische Starregisseur Roland Emmerich über Hollywood und Heimat
- Ein Schwabe verlässt seine Heimat und erobert Hollywood: Die Parallelen zwischen dem Laupheimer Filmpionier Carl Laemmle und dem in Stuttgart geborenen Erfolgsregisseur Roland Emmerich sind unübersehbar. Am Freitagabend wurde Emmerich mit dem Carl Laemmle Produzentenpreis geehrt. Daniel Drescher hat ihn vor der Preisverleihung in Laemmles Geburtsort getroffen. Ein Gespräch über provinzielle Wurzeln, globalen Erfolg – und den unvermeidlichen Donald Trump.
Herr Emmerich, erinnern Sie sich, wie Sie zum ersten Mal mit der Figur Carl Laemmle in Berührung gekommen sind?
Das war auf der Filmhochschule. Ich habe mich mit der Geschichte von Hollywood beschäftigt. Da ist mir plötzlich klar geworden, dass sehr viele Deutsche Hollywood gegründet haben und dass einer davon Schwabe war, Carl Laemmle. Das war für mich eine Bestätigung, denn als Schwabe wird man ja immer etwas belächelt. Ich war der einzige Schwabe in dem Kurs. Ich hab mir gesagt: Wenn es der Carl geschafft hat, kann ich es auch schaffen. Das Drehbuch für „Joey“, meinen ersten Film nach der Filmhochschule, den ich im freien Business gemacht habe, das habe ich Carl Laemmle gewidmet. Das wussten nur die Insider, denn es stand nicht in jedem Drehbuch, sondern nur in dem, das die anderen Filmstudenten bekamen. „Carl Laemmle, Begründer der Universal Studios, geboren in Laupheim bei Ulm“– so lautete die Widmung. Leider ist es nicht mehr auffindbar.
Früher wurden Sie als „schwäbisches Spielbergle“belächelt. Heute dürfte Ihnen das egal sein.
Das habe ich Steven Spielberg mal selber erzählt. Er hat sich darüber totgelacht. Damals hat mich das gestört. Beim ersten Film, den ich gemacht habe, fragte der „Spiegel“, ob da ein neuer schwäbischer Spielberg entsteht. Und als die Kritiken mal nicht so gut waren, hieß es dann Spielbergle. Das macht man mit uns Schwaben ja gern, dass ein -le angehängt wird. Aber das ist eben die Engstirnigkeit, die wir in Deutschland auch haben.
Wie ist das inzwischen, wenn Sie nach Deutschland kommen? Der Carl-Laemmle-Preis ist ja auch ein Zeichen dafür, dass sich die Wahrnehmung in der Heimat geändert hat. Hegen Sie noch einen Groll?
Ich hab das immer ganz gelassen gesehen. Es war für mich aber ganz witzig, die Kritiken früher und später zu vergleichen. Als ich noch in Deutschland Filme gemacht habe, war ich nicht so angesehen. Viele haben sich gefragt, warum ich amerikanische Filme drehe, warum da Englisch gesprochen wird und so weiter. Und es gab auch ein paar ganz böse Sätze von Filmkritikern. Als ich dann nach „Independence Day“zurück kam, haben ein paar ganz Schlaue die alten Zitate benutzt und den neuen Kritiken gegenübergestellt. Das war sehr interessant zu sehen. Ich glaube, da haben sich ein paar Leute geschämt, denn es hat auch klar gemacht, wie Filmkritik manchmal vom persönlichen Geschmack der Schreiber geprägt ist.
Sie gelten als Regisseur mit Faible für Katastrophen. In „Independence Day“war es das Weiße Haus, in „2012“wurde die ganze Erde zerstört. Es dürfte schwierig sein, das noch zu toppen. In welche Richtung wollen Sie gehen und an was arbeiten Sie aktuell?
Wenn ich einen Film mache, muss mich etwas zutiefst beschäftigen. Alle Leute denken immer, ich renne herum und überlege mir, was ich als nächstes zerstören könnte. Aber meistens sagt das ja etwas aus. Ich erkläre das gerne mit „2012“: Da ging es mir um die Frage, wie man ausdrücken kann, dass Beten in einer Katastrophe eigentlich nichts nützt. Und dann ist uns die Szene eingefallen, in der der Paptst auf dem Petersplatz steht, Menschen kommen hergeströmt und dann fällt ihnen die Kirche auf den Kopf. Es müssen immer so Symbole sein. Ich interessiere mich ja auch für Geschichte, und mit „The Patriot“habe ich auch schon einen historischen Kriegsfilm gemacht. Jetzt will ich einen Film über den Zweiten Weltkrieg drehen, und zwar über die Schlacht um Midway. Den Stoff habe ich schon vor 18 Jahren entdeckt, aber wir haben nie ein Drehbuch hinbekommen. Irgendwann habe ich einen Autoren getroffen, der das geschafft hat. Das ist wahrscheinlich mein nächster Film, er wird „Midway“heißen. Und dann beschäftige ich mich viel mit Science Fiction. Mein allererster Film war ein Science-Fiction-Film, „Stargate“und „Moon 44“ebenfalls. Dafür habe ich immer eine Vorliebe gehabt.
Mit dem Shakespeare-Stoff „Anonymus“und dem Historiendrama „Stonewall“haben sie eher untypische Filme gemacht. Sind solche Projekte in Zukunft auch wieder angedacht?
Ja, ich hab noch zwei drei andere solcher Stoffe. Die mache ich dann immer, wenn es eben gerade geht.
Wie haben sich die Filmmärkte in Deutschland und den USA verändert?
Als ich damals angefangen habe, war der deutsche Film mehr oder weniger Autorenfilm. Hin und wieder gab es eine Komödie, die zum Kassenschlager wurde. Aber sonst gab es fast nichts. Das hat sich ganz schön geändert. Es gibt Genrefilme, es gibt alles Mögliche. Die Komödien bedienen den Markt am besten, das ist in jedem Land so, und oft schlagen sie auch die amerikanischen Filme. Aber was immer schon für mich klar war, und was auch so geblieben ist: Wenn man einen Film auf Deutsch dreht, ist er eben nicht so wettbewerbsfähig wie auf Englisch. Deshalb wollte ich ja auch auf Englisch drehen, ich wollte Genrefilme machen, und die hat keiner gefördert. Da hat sich nicht so viel geändert. Auf der anderen Seite hat sich das amerikanische Filmgeschäft auch sehr verändert. In den ersten zehn bis 15 Jahren, die ich dort erlebt habe, war Originalität gefragt, nicht Fortsetzungen, Comicverfilmungen oder Buchadaptionen. Jetzt ist es genau andersherum. Wenn man mit einem originalen Stoff daherkommt, muss man schon jemanden finden, der das versteht und machen will. Es wird als großes finanzielles Risiko gesehen.
Es scheint, dass die Serie das Kino als Erzählmedium für Erwachsene abgelöst hat. Könnten Sie sich für serielle Erzählweise begeistern, so wie „Fight Club“-Regisseur David Fincher „House of Cards“auf die Beine gestellt hat?
Ich versuche gerade, mit FX eine Serie zu machen. Das ist eine zu Fox gehörende Firma, die Projekte wie „American Horror Story“oder „Atlanta“macht. Ich schreibe gerade daran, es ist ein Science-Fiction-Stoff basierend auf einer E-Book-Serie, die ich gefunden habe.
Können Sie schon mehr verraten?
Nein, denn es kann sein, dass es umgesetzt wird, aber es kann eben auch sein, dass es nicht passiert. So ist das Filmgeschäft. Ich habe immer mehrere Filmprojekte am Laufen, zur Zeit eines mit Universal namens „Moonfall“und eins mit Sony Pictures, das heißt „Dark Matter“...man streut ja immer ein bisschen überall.
Filmkritiker haben geschrieben, dass Sie und Wolfgang Petersen zwar Deutsche sind, aber extrem US-patriotisches Kino machen. Fühlen Sie sich in Donald Trumps USA denn überhaupt noch wohl – oder spielen Sie vielleicht sogar mit dem Gedanken einer dauerhaften Heimkehr nach Deutschland?
Ich hoffe, dass sich Amerika nicht zu sehr verändert, aber es hat sich schon gewandelt. Es wird exzessiv über Donald Trump geredet. Wenn ich mich zum Essen mit jemandem treffe, ist das jetzt immer meine Regel: No Trump. Sein Erfolg ist an seine Provokationen geknüpft, dadurch redet jeder über ihn. Trump ist ein Narzisst, er genießt wahrscheinlich sogar diese Kontroverse. Es wird wahrscheinlich nie funktionieren, aber die beste Methode wäre, wenn keiner über ihn schreibt. Ich bin den USA gegenüber sehr kritisch eingestellt. Als Deutscher ist man das, denn zum Beispiel die Infrastruktur ist in mancherlei Hinsicht wie in der Dritten Welt, das geht schon bei den Flugplätzen los. Dann fragt man sich, warum das so ist. Es gibt eine Liste, die einem hilft, Amerika besser zu verstehen. Darin sind Länder danach abgestuft, in welchem Verhältnis die Gehälter von einfachen Arbeitern und CEOs stehen. In Deutschland ist es 1:20. In Venezuela, wo es etwas ungerechter zugeht, verdient ein Konzernchef 50 Mal mehr. Der absolute Schlager sind die USA, da ist es 1:357. Es ist eine Gesellschaft, in der jeder sagt „du kannst alles schaffen, was du willst“, aber die Schere zwischen Arm und Reich geht immer weiter auseinander. Ich glaube, dass die soziale Ungerechtigkeit schlimmer wird. Dann wird es ein böses Erwachen für Trumps Unterstützer, denen es wirtschaftlich nicht so gut geht. Ich war im Wahlkampf auf der Seite von Bernie Sanders, denn er war der Einzige, der das klar erkannt hat. Es war enttäuschend, dass die Demokraten ihm nicht die Unterstützung gegeben hat, die er verdient gehabt hätte. Mein Freund wollte sich einen Aufkleber aufs Auto machen: „Don’t blame me – I voted for Bernie“(zu Deutsch: „Gebt nicht mir die Schuld, ich hab Bernie gewählt“– Anm. d. Red). Das finde ich witzig.