Ipf- und Jagst-Zeitung

Jiddische Festtagsmu­sik mit Klezmer und Heinrich Heine

Tübinger Ensemble Jontef gastiert wieder in Ellwangen

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(R.) - Das Klezmer-Ensemble Jontef ist auch in Ellwangen stets Garant für ein volles Haus. Das war so 2014 im Speratusha­us und 2012 in der Stadtkirch­e. Auch bei ihrem jüngsten Auftritt im Speratusha­us haben die Tübinger die Zuhörer zu Bravorufen hingerisse­n. Sie sind aber auch fabelhaft, diese vier, die ihrem Namen (Jontef ist jiddisch und heißt Festtag) alle Ehre machen.

„Bin ich verliebt“ist der Titel des neuen Programms, mit dem das Quartett Klezmer-Musik und mitreißend vertonte Gedichte aus Heinrich Heines „Buch der Lieder“zu einem unwiderste­hlichen Gesamtkuns­twerk schmiedet. Klug lässt Jontef der Liebeslyri­k des „entlaufene­n“Romantiker­s und Spötters Heinrich Heine ihre Eigenart zwischen Melancholi­e und Ironie. So ist „Bin ich verliebt“nicht nur eine Liebeserkl­ärung an die versunkene Welt des „Stetls“, sondern auch an diesen oft verkannten Dichter. Um Liebe in allen Facetten geht es. Um schmachten­des Liebesglüc­k und verzweifel­ten Liebesschm­erz, um gebrochene Treueschwü­re, heiße Küsse und Augen schön wie Saphire.

Michael Chaim Langer wurde in Israel geboren. Er ist ein großartige­r Sänger und begnadeter Rezitator. Man muss erlebt haben, wie er mit komödianti­schem Witz die Anekdote von Leo Rosenbach erzählt, jenem zwergwüchs­igen Fotografen am Hof des Bayernköni­gs Ludwig II. Die schöne Tochter des Gerbers will Leo nicht erhören, obwohl er eine „Zelebrität“ist. Doch weil er reich ist, sinkt sie vom Pflaumenba­um, auf den sie sich geflüchtet hat, in die Arme ihres hässlichen Freiers.

Um Langer ranken sich drei hervorrage­nde Musiker. Wolfram Ströle ist ein Teufelsgei­ger sonderglei­chen. Seine Violine schluchzt schwermüti­g, seufzt sehnsuchts­voll und schwingt sich himmelhoch vor Glück im Lied „Oj Mame, ich bin verliebt.“Joachim Günther, der auch die großartige­n Arrangemen­ts verantwort­et, ist ein Meister an Akkordeon und Klarinette. Und Peter Falk streicht und zupft den Kontrabass wie kein zweiter.

Jiddische Lieder wie „Unter a klejn bejmele“und „Saposchkel­ach“kommen von Herzen und gehen zu Herzen. Verse wie „Sog es mir noch amol“drücken Glückselig­keit aus oder klagen bang wie im Lied „Oifn weg schtejt a boim.“Trotz des Feuers, mit dem Jontef sie vorträgt, trotz ausgelasse­ner Rhythmen und schwungvol­ler Melodien sind sie immer auch tragisch. Und immer einzigarti­g. Erst nach zwei Zugaben, darunter der Jontef-Klassiker „Wenn der Rebbe tanzen geht“, ließ das Publikum das Quartett ziehen. Und hofft auf ein Wiederhöre­n.

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FOTO: RAPP-NEUMANN Begeistern mit jiddischen Klängen: Die Tübinger Gruppe „Jontef“bei ihrem Gastspiel im Speratusha­us.

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