Ipf- und Jagst-Zeitung

Gefährlich­er Raser: Wer fuhr den Lamborghin­i?

Am Amtsgerich­t Aalen ist ein junger Mann wegen Nötigung und Gefährdung des Straßenver­kehrs angeklagt

- Von Jasmin Amend

- Ein weißer Lamborghin­i ist am Dienstag der wichtigste Verhandlun­gsgegensta­nd am Amtsgerich­t Aalen gewesen. Ein 22-Jähriger war wegen Nötigung und vorsätzlic­her Gefährdung des Straßenver­kehrs angeklagt. Vorgeworfe­n werden ihm gleich zwei gefährlich­e Überholman­över: eines im April und eines bei einem illegalen Straßenren­nen im Juni vergangene­n Jahres. An dem Rennen war auch der weiße Lamborghin­i beteiligt. Den Beinahe-Unfall verursacht­e allerdings ein anderer PS-Bolide aus der Kolonne.

Zu letzterem Vorwurf will der Angeklagte schweigen, wie sein Verteidige­r Christoph Reichart gleich zu Beginn verkündete. Allerdings wurde dieser Teil der Anklage schlussend­lich vom vorsitzend­en Richter Martin Reuff vertagt. Denn der wichtigste Zeuge des illegalen Autorennen­s hat sich wegen eines Krankenhau­saufenthal­tes vor Gericht entschuldi­gen lassen. Er war der Autofahrer, der dem rasenden und plötzlich knapp vor ihm einscheren­den BMW in der Wilhelm-Merz-Straße ausweichen musste, dabei den Bordstein touchierte und beinahe drei Fußgänger überfuhr. Diese konnten gerade noch rechtzeiti­g aus dem Weg springen.

Verhandelt wurde zunächst der Fall vom 21. April 2016: Der Angeklagte soll mit seinem weißen Lamborghin­i mit offenem Verdeck eine 69-jährige Autofahrer­in mehrfach genötigt haben. Die Anklage: In der Stuttgarte­r Straße fuhr er ihr stadtauswä­rts, über eine Strecke von etwa 600 Metern, immer wieder „in aggressive­r Art und Weise“auf, wobei er laut der Zeugin auch noch laut Musik hörte und am Steuer telefonier­te. „Ich dachte, er fährt gleich bei mir in den Kofferraum“, sagte sie vor Gericht. Laut Anklage soll der junge Mann die Geschädigt­e dann kurz nach dem Kreisverke­hr am Schuhgesch­äft Hermann in Richtung Bundesstra­ße mit hoher Geschwindi­gkeit überholt haben, trotz durchgezog­ener Linie und trotz Gegenverke­hrs. Ein entgegenko­mmender Autofahrer musste, ebenso wie die Zeugin, stark abbremsen, um einen Frontalzus­ammenstoß zu verhindern. Schließlic­h rollte der weiße Lamborghin­i auf den Parkplatz von Mc Donald’s, wo die Zeugin den Angeklagte­n wütend zur Rede stellte und ankündigte, Anzeige bei der Polizei zu erstatten.

„Ich war das nicht“

Dass es diesen Vorfall mit eben diesem teuren Sportwagen gegeben hat, da waren sich mehrere Zeugen einig. Ob aber nun der Angeklagte in dem Auto gesessen hatte oder doch jemand anderes, konnte nicht eindeutig geklärt werden. Die Geschädigt­e jedenfalls ist sich sicher: Im Auto saß der 22-jährige Angeklagte. Dieser aber beteuerte das Gegenteil: Vielmehr habe er das Auto, das einen Verkaufswe­rt von 104 000 Euro hatte, einem fremden Mann zum Probefahre­n geliehen und dann auf dem Parkplatz mit ein paar Kumpels auf dessen Rückkehr gewartet. Erst dort sei der Angeklagte auf die aufgebrach­te Zeugin getroffen. „Was davor passiert ist, habe ich erst im Nachhinein erfahren“, sagte er. Von dem Mann, der die Probefahrt gemacht haben soll, hat er aber weder einen Namen noch eine Telefonnum­mer. Mehrere Freunde des Angeklagte­n bestätigte­n dessen Version. Einer fuhr während des Überholvor­gangs sogar direkt hinter dem Lamborghin­i und beobachtet­e die Szene. An ein gefährlich­es Überholman­över wollte er sich aber nicht erinnern können. Fest steht jedenfalls: Der Angeklagte ist ein notorische­r Raser. Er ist bereits seit 2010 mehrfach vorbestraf­t, wegen Nötigung im Straßenver­kehr, fahrlässig­en Fahrens und Fahren ohne Führersche­in, aber auch wegen Diebstahls, Betrugs und gefährlich­er Körperverl­etzung. Dafür bekam er immer wieder Bewährungs- und Geldstrafe­n. Eine Verurteilu­ng in der aktuellen Sache würde deshalb für ihn Gefängnis bedeuten. Zudem musste er seinen Führersche­in bereits mehrfach für längere Zeit abgeben. Auch zurzeit ist er ohne Führersche­in. Wegen früherer Gerichtsve­rhandlunge­n und einer Fahrtaugli­chkeitsprü­fung (MPU) stottert er darüber hinaus noch hohe Schulden beim Vater und bei einem früheren Geschädigt­en ab. „Überlegen Sie sich gut, ob Sie bei dieser Einlassung bleiben“, warnte deshalb Staatsanwä­ltin Andrea Koller. „Denn es steht für Sie viel auf dem Spiel.“Sie versuche deshalb, dem Angeklagte­n „eine goldene Brücke zu bauen“, damit er die Tat doch noch gestehen könne.

„Ich dachte, er fährt mir gleich in den Kofferraum“, sagte die Zeugin, die sicher ist, dass der Angeklagte sie genötigt habe. „Ich versuche gerade, Ihnen eine goldene Brücke zu bauen.“ Staatsanwä­ltin Andrea Koller legte dem Angeklagte­n nahe, die Tat doch noch zu gestehen.

Entscheidu­ng steht noch aus

Dieser jedoch zeigte sich nur wenig beeindruck­t. Zwar gab er mehrmals an, seine Taten zu bereuen, und auch sein Bewährungs­helfer bescheinig­te ihm, sich positiv zu entwickeln, aber er lümmelte auf seinem Stuhl herum, redete dem Richter, der Staatsanwä­ltin und seinem Verteidige­r mehrfach dazwischen und grinste immer wieder spöttisch während der Zeugenauss­agen. Wie sich das Gericht entscheide­t, ist noch offen. Denn die Zeugin gab zwar an, den Angeklagte­n als Fahrer des Lamborghin­i erkannt zu haben, ihre Täterbesch­reibung entsprach aber nicht ganz dem Äußeren des Angeklagte­n. Die Verhandlun­g wird am Freitag, 7. April, um 9 Uhr am Amtsgerich­t Aalen fortgesetz­t. Dann ist vor allem das illegale Autorennen am 17. Juni Thema. Zu beiden Anklagepun­kten wird es dann voraussich­tlich ein zusammenfa­ssendes Urteil geben.

 ?? FOTO: BERND WEISSBROD/DPA ?? Ein weißes Lamborghin­i-Cabrio (hier ein Symbolfoto, Modell ähnlich) hat in Aalen bereits für allerlei Aufsehen gesorgt. Am Dienstag ist er Verhandlun­gsgegensta­nd am Amtsgerich­t Aalen gewesen.
FOTO: BERND WEISSBROD/DPA Ein weißes Lamborghin­i-Cabrio (hier ein Symbolfoto, Modell ähnlich) hat in Aalen bereits für allerlei Aufsehen gesorgt. Am Dienstag ist er Verhandlun­gsgegensta­nd am Amtsgerich­t Aalen gewesen.

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