Prozess gegen falschen Kurdirektor
Hochstapler hat Bad Wurzach lange genarrt – Verhandlung vor dem Amtsgericht Wangen
(lsw) - Doktor der Wirtschaftswissenschaften, Diplompsychologe, Mitglied der Ständigen Expertenkommission des Bundesgesundheitsministeriums: Ein 60-Jähriger hat bei seiner Bewerbung als Geschäftsführer der Kurbetriebe in Bad Wurzach (Kreis Ravensburg) möglicherweise stark getrickst. Der Mann muss sich von Dienstag an vor dem Amtsgericht Wangen verantworten – die Staatsanwaltschaft wirft ihm Betrug und Missbrauch von Titeln vor.
Eingestellt wurde der heute 60Jährige nach Angaben der Stadt Bad Wurzach im Dezember 2015. Er fungierte als Geschäftsführer der städtischen Kurbetriebe, die unter anderem ein Moorsanatorium, eine Therme und ein Gesundheitszentrum umfassen. Doch schon wenige Monate später gab es Zweifel. „Uns war die Diskrepanz zwischen seinem Lebenslauf und dem, was er gemacht hat, aufgefallen“, sagte der damalige Chefarzt des Sanatoriums gegenüber der „Schwäbischen Zeitung“. Von Klinikführung und Betriebswirtschaft habe der nun Angeklagte nichts verstanden. „Das war für uns das ausschlaggebende Moment, uns seine Unterlagen einmal genauer anzusehen.“
Laut Medienberichten hatte der Mann unter anderem eine Promotion in Frankreich angegeben und sich als Diplom-Kaufmann bezeichnet. In der „Ständigen Expertenkommission des Bundesgesundheitsministeriums“wollte er ebenfalls Mitglied sein. Als die Verwaltung die Angaben aber nach Unstimmigkeiten überprüfte, ließen sich dieser Angaben nicht bestätigen – so gibt es etwa die genannte Kommission laut dem Bundesgesundheitsministerium gar nicht.
Mitarbeiter wurden misstrauisch
Ärzte des Kurbetriebs erstatteten schließlich Anzeige gegen den heute 60-Jährigen. Im August 2016 beschloss der Gemeinderat in Bad Wurzach zudem die Entlassung des Mannes. Nach seiner Kündigung tauchte dieser erstmal unter – gefasst wurde er erst im Dezember in Overath bei Köln, wie eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft sagte.
Für den Posten des Geschäftsführers habe man bis auf Weiteres einen Nachfolger gefunden, der den Kurbetrieb bereits aus einer früheren Zeit als Betriebsberater kenne, sagte ein Sprecher der Stadt Bad Wurzach. Wie es langfristig weitergehe, solle in diesem Jahr entschieden werden. „Das Geschäftsfeld an sich ist kein leichtes“, sagte der Sprecher weiter. Allein für das kommende Jahr rechnet die Gemeinde mit einem Defizit von 900 000 Euro in dem Betrieb.
Den nächsten Kandidaten für den Posten wird sich die Stadt vermutlich sehr genau ansehen: In der Vergangenheit sei nicht jeder Einzelnachweis im Detail nachgeprüft worden, sagte der Sprecher: „Aus Erfahrungen lernt man natürlich.“Allerdings sei er sicher: „Die Wahrscheinlichkeit, dass man beim nächsten Mal gleich wieder auf jemanden reinfällt, ist nicht so groß.“