Frühe Warnungen vor Berliner Attentäter Amri
Druck auf NRW-Innenminister Ralf Jäger wächst
- Neue Vorwürfe im Terrorfall Anis Amri: Das nordrhein-westfälische Landeskriminalamt hat bereits im März 2016, also neun Monate vor dem Anschlag auf den Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz in Berlin, vor dem Tunesier und dessen möglichen Terrorplänen gewarnt.
In einem vertraulichen Schreiben an das Düsseldorfer Innenministerium empfahlen die Ermittler, eine Abschiebeanordnung gegen Amri zu erlassen, weil nach „bislang vorliegenden belastbaren Erkenntnissen“davon auszugehen sei, „dass durch Amri eine terroristische Gefahr inform eines (Selbstmord-)Anschlages ausgeht“. Hinweise darauf soll unter anderem ein überwachter Chat des Gefährders vom 2. Februar 2016 ergeben haben. Darin hatte Amri angeblich eine Metapher für einen Selbstmordanschlag benutzt.
Eine Abschiebung des Tunesiers wurde allerdings nie angeordnet, weil das NRW-Innenministerium sie nicht für rechtlich durchsetzbar hielt. Amri war am 19. Dezember mit einem Lastwagen in den Weihnachtsmarkt gerast und hatte dabei zwölf Menschen getötet. Union und FDP richten jetzt schwere Vorwürfe gegen NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD). FDP-Chef Christian Lindner fordert personelle Konsequenzen: „Wenn die Ministerpräsidentin Hannelore Kraft ihren Innenminister jetzt nicht entlässt, dann wird aus dem Fall Jäger ein Fall Kraft. Mit Behördenversagen und mangelndem Aufklärungswillen ist das Maß endgültig voll“, sagte er am Sonntag der „Schwäbischen Zeitung“.
CDU-Vizechef Armin Laschet hält Jäger für „ein Sicherheitsrisiko“ in ganz Deutschland. „Jägers Rechtfertigung, er sei an die Grenze des Rechtsstaats gegangen, entpuppt sich als Märchen. Was sollen LKAExperten denn noch machen, als das Innenministerium dringend vor dem Terroristen zu warnen und zum Handeln aufzufordern?“, fragte Laschet am Sonntag. „Wenn Frau Kraft dabei bleibt, sie könne bei ihrem Innenminister keine Fehler erkennen, ist das ein krasser Fall von Realitätsverweigerung, der zur Gefahr für die Sicherheit der Bürger wird“.
NRW-Innenminister Jäger ließ die Vorwürfe gestern durch seinen Sprecher zurückweisen: „Der LKAVermerk ist nicht neu und enthält auch keine neuen Erkenntnisse“, erklärte Ludger Harmeier.
In dieser Woche kommt es zum Showdown im Untersuchungsausschuss des nordrhein-westfälischen Landtages, wo neben NRW-Innenminister Jäger auch Ministerpräsidenten Kraft (SPD) und Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) sowie Generalbundesanwalt Peter Frank als Zeugen zum Fall Amri und dem Behördenversagen befragt werden.