„Keine Umfrage sieht Le Pen als Siegerin“
Frédéric Dabi vom Meinungsforschungsinstitut Ifop über die Wahl in Frankreich
- Frankreich wählt am 23. April einen neuen Staatspräsidenten. Frédéric Dabi (Foto: Ifop), der stellvertretende Generaldirektor des Meinungsforschungsinstituts Ifop, misst seit Jahren in Umfragen das Wahlverhalten der Franzosen. Eine Ausgangslage wie bei den bevorstehenden Wahlen hat der 47-Jährige noch nie erlebt, wie er im Interview mit Christine Longin sagt.
Stehen wir vor den unsichersten Wahlen der vergangenen Jahrzehnte?
Diese Wahlen haben kaum etwas mit den vorangegangenen gemeinsam. Es gibt keinen Präsidenten, der noch einmal antritt, keine klare Zweiteilung in rechts und links. Die Kandidaten der beiden Parteien, die bisher die Präsidenten gestellt haben, könnten schon in der ersten Runde ausscheiden: François Fillon für die Konservativen und Benoît Hamon für die Sozialisten. Dazu kommt noch eine mögliche Rekord-Wahlenthaltung.
Könnte Marine Le Pen gewinnen?
Sie hat gute Chancen, sich für die Stichwahl zu qualifizieren, doch die zweite Runde bleibt für den Front National sehr schwierig. Sie liegt derzeit bei 40 Prozent der Wahlabsichten in einem möglichen Duell gegen Emmanuel Macron und damit doppelt so hoch wie ihr Vater 2002 (in der Stichwahl gegen Jacques Chirac, Anm. d. Red.). Das Referendum gegen Le Pen, das damals stattfand, könnte in diesem Jahr zu einem Referendum für oder gegen Europa werden. Bisher sieht keine einzige Umfrage Le Pen als Siegerin.
Ist der Einzug des sozialliberalen Macron in die zweite Runde sicher?
Macron erreicht laut den Umfragen mit rund 25 Prozent klar die Stichwahl. Aber seine Wähler sind sich ihrer Entscheidung noch nicht sicher. Seine Herausforderung liegt darin, sie an sich zu binden.
Wer sind überhaupt die Wähler Macrons?
Er hat viele Wähler, die vor fünf Jahren für François Hollande gestimmt haben und für die der sozialistische Kandidat Benoît Hamon zu weit links steht. Sie machen bis zu 50 Prozent seiner Wählerschaft aus. Auch viele konservative Wähler, die sich 2012 für Nicolas Sarkozy entschieden hatten, sind inzwischen für Macron. Er ist eine Art Sammelbecken für alle. Diejenigen, die für ihn stimmen, wollen eine Stichwahl zwischen François Fillon und Marine Le Pen vermeiden.
Gehen die Wähler nach den Affären der vergangenen Wochen überhaupt noch zu den Urnen?
Rund ein Drittel der Franzosen will nicht wählen gehen. Entweder, weil sie der Ansicht sind, dass ihre Stimme ohnehin nichts an ihrer Situation ändert. Oder weil sie bedauern, dass durch die Affären kein echter Wahlkampf mehr stattfindet. Es kann aber sein, dass die Wähler sich in den letzten Tagen vor der Wahl doch noch mobilisieren lassen.