Mit Freunden musizieren
Solist, Kammermusiker, Lehrer: Der Cellist Jean-Guihen Queyras gestaltet die Badenweiler Musiktage
- Er gehört zu den gefragtesten Cellisten unserer Zeit: Jean-Guihen Queyras. Der 50-jährige Frankokanadier war schon häufig in unserer Region zu Gast – mit dem SWR Vokalensemble trat er in Beuron auf, mit dem Münchner Kammerorchester in Ravensburg und mit seinen Kollegen vom Arcanto-Quartett beim Bodenseefestival. Im September wird er mit dem Belcea Quartett bei der Schubertiade in Schwarzenberg auftreten. Zunächst aber wird der Professor für Cello an der Musikhochschule Freiburg maßgeblich die Badenweiler Musiktage mitgestalten. „Carte blanche“hat Festivalleiter Klaus Lauer das Festival überschrieben. Und damit dem befreundeten Cellisten fast unbeschränkte Vollmachten verliehen.
Jean-Guihen Queyras ist ein Allrounder. Sein Repertoire erstreckt sich von Bach bis Boulez. Auch Weltmusik hat der Musiker schon öfters gespielt wie auf der 2016 erschienenen CD „Thrace – Sunday Morning Sessions“mit einem griechischen Lyra-Spieler und zwei iranischstämmigen Jugendfreunden an den Rahmentrommeln.
Mit dem Freiburger Barockorchester hat er die Haydn-Cellokonzerte aufgenommen und jüngst dem Cellokonzert von Robert Schumann neue Seiten abgelauscht. Aber auch mit der neuesten Musik ist er vertraut, seitdem er in jungen Jahren als Cellist in Paris zu Pierre Boulez’ berühmtem Ensemble intercontemporain stieß, mit dem er in den 1990erJahren erstmals bei den RömerbadMusiktagen auftrat.
In Montreal geboren, kam der Hochbegabte über Algerien, die Provence und Lyon nach Freiburg, wo er an der Musikhochschule bei Christoph Henkel Cello studierte. Inzwischen ist er dort selbst Professor und unterrichtet derzeit dreizehn Studentinnen und Studenten. Vor zwei Jahren hat der dreifache Familienvater ein Sabbatjahr eingelegt. „Dieses Jahr hat ein bisschen Abstand geschaffen. In jeder Religion gibt es einen Ruhetag in der Woche. Einfach die Idee, sich zu sammeln, nach innen zu gehen. Ich habe neue Kräfte gewonnen. Vorher habe ich zwölf Jahre nonstop unterrichtet.“
Die Ideen für die Badenweiler Musiktage hat er gemeinsam mit Klaus Lauer entwickelt. Ein übergeordnetes Thema gibt es nicht – außer, dass alle auftretenden Musikerinnen und Musiker mit Queyras befreundet sind. Alexander Melnikov (Klavier) und Isabelle Faust (Violine) sind seine festen Kammermusikpartner im Klaviertrio. Für Queyras hat das Trio, das am 1. Mai 2017 mit Werken von Robert Schumann und Salvatore Sciarrino zu hören ist, eine „ideale Balance zwischen Kopf und Körper. Ich mag unsere Arbeit am Klang, aber auch an der Konstruktion – das geht immer Hand in Hand. Wir schauen uns die Quellen an, sind aber letztendlich nicht dogmatisch.“Isabelle Faust sieht das ähnlich: „Unser Trio ist für mich ein absoluter Glücksfall. Wir empfinden sehr ähnlich, sind aber schon unterschiedliche Charaktere – sonst würde das auch schnell langweilig werden.“
Starke Persönlichkeiten
Auch beim Eröffnungskonzert am 28. April mit dem Belcea Quartett werden Klassiker des Repertoires wie das Streichquintett von Franz Schubert und das achte Streichquartett von Dimitri Schostakowitsch mit neuester Musik zusammengebracht. Hier ist mit „C...“für Violoncello solo sogar die Uraufführung eines Werkes von Bruno Mantovani zu hören, das von Klaus Lauer in Auftrag gegeben wurde. Das Stück wurde für Jean-Guihen Queyras komponiert und fordert seine ganzen virtuosen Fähigkeiten.
Mit dem Pianisten Pierre-Laurent Aimard verbindet Queyras ebenfalls eine langjährige Freundschaft, die bis in die 1990er-Jahre reicht. Damals hat er als junger Student den Pianisten in Pierre Boulez’ Ensemble intercontemporain kennengelernt. Nun freut er sich darauf, ihm in Badenweiler bei der Interpretation von Olivier Messiaens Soloklavierwerk „Vingt regards sur l’enfant Jésus“(Zwanzig Blicke auf das Jesuskind) aus dem Jahr 1944 lauschen zu können und mit ihm gemeinsam sowie mit Isabelle Faust und Tamara Stefanovich (Klavier) in ganz unterschiedlichen Besetzungen Werke von Ravel, Debussy, Benjamin, Boulez, Webern und Carter zu interpretieren (30. April).
Vor Badenweiler ist Jean-Guihen Queyras, der mit dem Arcanto Quartett auch ein festes Streichquartett hat, als Solist mit dem zweiten Haydn-Konzert in Schottland unterwegs und mit dem Belcea Quartett in Alicante, Cambridge und Wien und Schwarzenberg auf Tournee. Danach spielt er ein Sonatenprogramm mit Alexander Melnikov in Belgien und den Niederlanden.
Solist, Kammermusiker, Lehrer – was ist für ihn das Zentrum? „Dieses Mosaik ist das Zentrum. Das ist mir alles gleich wichtig. Die Dinge ergänzen sich auch. Ich möchte in allen drei Bereichen intensive, sinnvolle Momente schaffen, wo wirklich etwas passiert. Die Interaktion mit so starken Persönlichkeiten wie Isabelle Faust und Alexander Melnikov bringt mich weiter“, erklärt er. Und wird am Ende des Gesprächs an der Freiburger Musikhochschule ganz nachdenklich: „Ich habe gestern eine französische Radiosendung gehört, in der ein Artikel aus einem Magazin diskutiert wurde. Die Frage war: Kann es einem persönlich gut gehen in einer Welt, die aus den Fugen gerät? Es sieht in der Welt im Augenblick wirklich sehr düster aus. Wenn ich in meinem kleinen Bereich, vielleicht gemeinsam mit anderen, etwas schaffe, was mit Liebe, Kreativität, Fantasie, Hingabe zu tun hat, dann ist das sicherlich sinnvoll.“ Badenweiler Musiktage „Carte Blanche“, 28.04.-01.05.2017, Konzerte um 18 Uhr (Werkeinführung durch Rainer Peters um 16.15 Uhr) Kurhaus Badenweiler. Karten unter www.reservix.de oder tel. unter 07632/799 300