Die Kunst des Robotermelkens
Ostalb-Bauern im Porträt: Der Betrieb von Holger Drechsel in Essingen-Forst
(an) - Immer, wenn der Rinderzuchtverein Ostalb Preise für hohe und hochwertige Milchleistungen, für Eutergesundheit oder für vorbildliche Stallhaltungen vergibt, ist Holger Drechsel aus Essingen-Forst ganz vorne dabei. Seine Milchleistung pro Kuh liegt jährlich bei 11 200 Liter, für den ganzen Hof sind das rund 800 000 Liter.
Das kommt nicht von ungefähr: Der 40-jährige Landwirtschaftsmeister ist trotz der bisweilen harten und zeitintensiven Arbeit auf seinem Hof im Kellerfeld mit den Betriebszweigen Milchviehhaltung, Rinderzucht, Getreide und Ackerfutterbau sowie Biogasanlage mit sich und seiner Umwelt außergewöhnlich zufrieden, arbeitet konsequent höchst professionell, lässt sich aber durch nichts den Lebensspaß nehmen. Drechsel hat den Anspruch an sich selbst, nur eine einwandfreie und tierfreundliche Haltung von Nutztieren zu betreiben. Wichtig ist ihm auch ein erfülltes und harmonisches Familienleben, das er – ganz ungewöhnlich in diesem Metier – vom Arbeitsleben trennt. Seine Frau Susanne ist nicht direkt ins landwirtschaftliche Geschäft eingebunden, sie ist von Beruf Optikermeisterin.
2013 den Hof übernommen
Im Jahr 1996 siedelte Friedrich Drechsel mit seinem Hof aus der Ortsmitte von Forst hinaus ins Kellerfeld, nicht weit von den Kolbenhöfen entfernt. Gleichzeitig stieg Holger Drechsel in die GbR mit seiner Mutter und seinem Vater ein; 1998 wurde der Stall für die Milchkühe gebaut. Zuvor hatte Holger Drechsel eine landwirtschaftliche Lehre in Hüttlingen-Sulzdorf absolviert. Ein Jahr arbeitete Holger Drechsel als Betriebshelfer beim Maschinenring Ostalb und legte die Meisterprüfung ab. Insgesamt sieben Jahre jobbte Holger Drechsel nebenher auf dem Bau. 2013 übernahm er den Hof von seinen Eltern und erstellte gleichzeitig als zweites wichtiges wirtschaftliches Standbein eine Biogasanlage mit einer Leistung von 75 Kilowattstunden, gespeist zu 80 Prozent von Gülle und Mist. Der Strom wird ins öffentliche Netz eingespeist, die Wärme wird fürs eigene Haus genutzt.
160 Tiere stehen im Stall oder auf der Weide, davon 80 Milchkühe. Aus der Milchviehwirtschaft generiert Drechsel rund 75 Prozent der Gesamterlöse, 25 Prozent kommen aus der Biogasanlage. Die stark schwankenden Milchpreise sind für Holger Drechsel deshalb „höchst unangenehm“und er plädiert klar für „ein System mit Quote“. Absprachen zwischen Milchviehhaltern, dem Verband und den Molkereien wären sinnvoll, „denn der Milchpreis wird von Angebot und Nachfrage reguliert!“Und wenn der auf 22 Cent, wie geschehen, sinkt, „dann muss man sich nicht wundern, wenn viele Höfe aufgeben müssen“, sagt Drechsel.
Die neueste Investition
Drechsel bewirtschaftet den Hof allein mit seinen Eltern. Seine neueste Investition ist ein Melkroboter. Nach einer gewissen Eingewöhnungszeit für die Tiere läuft das Melken quasi „fast von allein“. Man ist flexibler und benötigt keine zusätzliche Arbeitskraft. Der bislang genutzte Fischgrätenmelkstand ist somit in Rente. Viele andere Höfe arbeiten allerdings noch mit einem solchen Melkstand. Das ist eine Vorrichtung, in der Melkwerkzeuge installiert sind und in der die Tiere gemolken werden. In einem Melkstand lassen sich mehr Kühe in einer kürzeren Zeit melken, als im früher üblichen Anbindestall. Die Wände im Melkstall von Drechsel sind gefliest, Metallgatter steuern den Kuhverkehr und sorgen dafür, dass die Tiere positioniert werden. Bei einem Fischgrätenmelkstand stehen die Tiere im Winkel von 90 Grad schräg zur Melkgrube und mit dem Kopf von der Melkgrube weg. Das Melken mit einem Roboter, „umfasst keineswegs nur die Umstellung eines Melksystems, sondern erfordert eine besondere Art des Kuhmanagements und ein hohes Maß an Fachkenntnis und Erfahrungen insbesondere in den Bereichen Fütterung, Tiergesundheit und Arbeitsorganisation“. Der Melkroboter liefert hierfür eine Vielzahl verschiedener Parameter, die dem Landwirt helfen – aber: „Die Kunst des Robotermelkens liegt darin, die Fülle der Informationen in wichtig und weniger wichtig zu trennen, zeitnah zu interpretieren, schnell zu reagieren und dabei das Einzeltier nicht aus den Augen zu verlieren.“Ergebnisse aus der Praxis zeigen: Die Überwachung und damit die Gesundheit jedes Einzeltiers ist deutlich genauer, damit ist die Lebensqualität des Tieres höher und natürlich auch die Qualität der Milch.
Beim Silieren für die Biogasanlage kann sich Holger Drechsel „auf die Mithilfe von guten Kumpels“verlassen. Den Futteranbau mit Mais und Getreide für die Milchkühe schafft er ebenso wie das Abmähen der Wiese mit einem Butterfly-Mähwerke im Alleingang. Wie gesagt – ein Zwölfstundentag, im Sommer auch mal 18 Stunden, ist für Holger Drechsel „normal“. Dafür gönnt er sich mit seiner Familie durchaus auch mal einen Urlaub – an der Ost- oder Nordsee, auch mal in Südafrika. „Eine Auszeit braucht jeder, deswegen ist es schön, gute Freunde und eine hilfsbereite Familie zu haben“, sagt Drechsel.