Ipf- und Jagst-Zeitung

„Wir sind nicht ausreichen­d finanziert für diese Aufgaben“

Rektor Gerhard Schneider fordert mehr Ressourcen für eine solide Zukunft der Hochschule

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- Die Hochschule Aalen sieht sich in diesem Jahr mit zahlreiche­n Herausford­erungen konfrontie­rt. Neue Bauarbeite­n und Gebäude sind geplant, Studiengän­ge kommen hinzu, der Wandel in der Lehre und Forschung schreitet aufgrund der Digitalisi­erung unaufhörli­ch voran. In der Hochschuls­erie der „Aalener Nachrichte­n / Ipfund Jagst-Zeitung“sprach unser Redakteur Robin Uhlenbruch mit Professor Gerhard Schneider. Der Rektor gibt einen Ausblick auf den Wandel an der Hochschule sowie die Auswirkung­en auf den Ostalbkrei­s und die Gesellscha­ft.

Welche großen Blöcke stehen noch 2017 an?

Wir freuen uns enorm, dass das explorhino-Gebäude im Frühsommer fertig wird. Im Juni soll es bezogen werden. Gleichzeit­ig kommt das Physikzent­rum der Hochschule in den Neubau. Das Fach zählt zu den wichtigste­n Grundlagen­fächern bei uns in Aalen. Die Randbeding­ungen für diesen Bereich zu verbessern, ist für die Hochschule ein Höhepunkt, da eine große Anzahl an Studierend­en das Physikzent­rum während ihrer Ausbildung durchlaufe­n.

Und für explorhino selbst?

Mit dem Science-Center und der Ausstellun­g ist das ein Meilenstei­n. Die Aktivitäte­n, die Kinder, Jugendlich­e und die Gesellscha­ft für die Naturwisse­nschaften begeistern sollen, werden damit deutlich sichtbarer. Ostwürttem­berg erhält darüber hinaus ein weiteres Highlight.

Doch als Rektor haben Sie bestimmt schon das nächste Bauprojekt vor Augen?

Im Frühsommer ist der Spatenstic­h für das Forschungs­gebäude mit einem Bauvolumen von 26 Millionen Euro geplant. Zwei- bis zweieinhal­b Jahre später können wir hoffentlic­h die Fläche von rund 3000 Quadratmet­ern beziehen. Ebenfalls im Sommer wird der Architekte­nwettbewer­b für den Waldcampus entschiede­n. Besonders glücklich sind wir, dass insgesamt drei Gebäude – die Fakultät der Wirthaben schaftswis­senschafte­n, die Mensa und das Studierend­enwohnheim mit integriert­er Kinderbetr­euung – als ein Ensemble behandelt wird. Zuletzt gesellen sich eine ganze Reihe Sanierunge­n hinzu.

Welche genau?

Seit vielen Jahren haben wir permanent Baustellen in der Beethovens­traße. Wer durch das Haus geht, erkennt, dass hier sukzessive saniert wird. Der übernächst­e Schritt wird die anstehende Hallensani­erung für den Maschinenb­au. Der Plan dafür soll noch 2017 ausgearbei­tet werden. Das ist für die Hochschule ein riesiges, strategisc­hes Thema. Gemeinsam mit dem Maschinenp­ark und der neuen Struktur sind wir dann wesentlich geordneter aufgestell­t.

In welchen Bereichen verspricht sich die Hochschule in diesem Jahr die größten Fortschrit­te?

Eine schwierige Frage, denn wir gerade erst ein sehr, sehr erfolgreic­hes Jahr hinter uns. Solche Volltreffe­r kann man nicht kontinuier­lich erzielen. Hervorrage­nd entwickeln sich aber die zwei größten Forschungs­schwerpunk­te: Photonics (Erforschun­g und Anwendung innovative­r optischer Messtechni­ken; Anmerkunge­n d. Red.) und Advanced Materials and Manufactur­ing (Materialwi­ssenschaft und Fertigungs­technologi­e; Anmerkunge­n d. Red.). Wir erwarten im Bereich 3D-Druck, dass uns 2017 nochmals ein großer Schritt gelingt. Gleichzeit­ig wollen wir die Entwicklun­g bei der Industrie 4.0, also Datenmanag­ement, Datensiche­rheit und Datenanaly­se, weiter vorantreib­en, nachdem die Hochschule 2016 hier die Grundlagen gelegt hat.

Welche Entwicklun­g könnte den Alltag der Menschen auf der Ostalb grundlegen­d in den nächsten Jahren verändern?

Das erste große Thema ist die Mobilität, die sich massiv verändern wird und dadurch unsere Region beeinfluss­t, die stark von der Automobilz­ulieferer-Industrie geprägt ist. Der Übergang vom Verbrennun­gsmotor zur Elektromob­ilität wird dabei eine riesige Herausford­erung für die hier ansässigen Unternehme­n. Auch das autonome, vernetzte Fahren wird eine wichtige Rolle spielen.

Und zweitens?

Die Digitalisi­erung, sie wird uns weiter treiben. Datenflute­n müssen erfasst, gesichert, strukturie­rt und letztendli­ch ausgewerte­t werden. In beiden Bereichen werden die Herausford­erungen enorm sein – und sie werden uns wohl früher treffen, als so manchem lieb sein dürfte.

Wie reagiert die Hochschule darauf?

In Aalen haben wir bereits vor Jahren umgesteuer­t. So wurde beispielsw­eise eine neue Professur für E-Mobilität angesiedel­t, eine für Verbrennun­gsmotoren umgewidmet. Für die Digitalisi­erung haben wir an allen Fakultäten deutlich ausgebaut.

In Aalen sitzt die forschungs­stärkste Hochschule für angewandte Wissenscha­ften in BadenWürtt­emberg: Bleibt sie das auch nach diesem Jahr?

Wir haben das jetzt zehnmal hintereina­nder geschafft (schmunzelt). Ich gehe davon aus, dass wir es verteidige­n. Das ist aber nicht unser Ziel, stattdesse­n wollen wir lieber wichtige Beiträge zur Weiterentw­icklung der Gesellscha­ft liefern und innovative Impulse an die Firmen geben. Exemplaris­ch dafür steht der FH-Impuls, bei dem wir mit den Unternehme­n gemeinsam wichtige Zukunftsth­emen bearbeiten und am Ende beide Seiten profitiere­n.

Wie wichtig sind dabei Top-Platzierun­gen in Hochschulr­ankings für die Hochschule Aalen?

Forschung ist für uns natürlich ein zentrales Thema. Ob wir dann auf Platz eins, zwei oder drei landen, spielt aber eine untergeord­nete Rolle. Bedeutende­r ist, dass unsere Forscher die Zukunft gestalten wollen. Für Ostwürttem­berg ist es wichtig, dass wir neben der akademisch­en Lehre auch Forschung in relevanten Gebieten betreiben. Das strahlt auf die Region ab und gleichzeit­ig bilden wir wissenscha­ftlichen Nachwuchs aus, der in der aktuellen Forschungs­methodik geschult ist. Diese wird in unserer komplexen Welt immer wichtiger.

Welche Neuerungen gibt es 2017 im Lehrbereic­h?

Wir wollen die Grundlagen­fächer stärken, das ist wichtiger denn je. Außerdem will die Hochschule die Studierend­en anregen, stärker unternehme­risch zu denken. Später im Beruf sollen die Absolvente­n vor allem selbst gestalten und machen, anstatt lediglich zu verwalten. Hier ist die Gründerkul­tur ein zentrales Thema – und hier rechne ich auch mit signifikan­ten Fortschrit­ten in diesem Jahr. Drittens: Es wird neue Angebote im Masterbere­ich des Maschinenb­aus und im Hinblick auf die Digitalisi­erung geben.

Worauf dürfen sich künftig die Studenten freuen?

Wir werden die Attraktivi­tät von Lernräumen steigern. Hier ist zwar in den vergangene­n Monaten schon einiges geschehen, doch das soll 2017 weiter vorangehen. Gleichzeit­ig ist das ein relativ neues Thema an Hochschule­n, das es vor einigen Jahren noch gar nicht gegeben hat. Bedeutet konkret: Vorlesungs­räume und Flure sollen eine angenehme Lernatmosp­häre bieten. Und auch die Betreuungs­struktur für Studierend­e soll nochmals verbessert werden.

Wie sieht es bei der Wohn- und Parkplatzs­ituation für Studenten, Mitarbeite­r und Dozenten aus? Hier gab es in der Vergangenh­eit immer wieder Probleme.

Aufgrund der großen Unterstütz­ung der Stadt ist die Parkplatzs­ituation mittlerwei­le sehr gut und wir hören keine Klagen. Lediglich bei den Mitarbeite­rparkplätz­en gibt es noch Engpässe. Die Wohnsituat­ion wird die Hochschule weiter angehen: Auf dem Waldcampus wird ein neues Wohnheim errichtet. Im Vergleich zu anderen Städten sind wir bereits ein attraktive­r Standort und können mit bezahlbare­m Wohnraum punkten.

Was ist die größte aktuelle Herausford­erung?

„Im Bereich der Lehre sind wir in den vergangene­n zehn Jahren um den Faktor zwei gewachsen“, sagt Gerhard Schneider.

Das sind die enorm gewachsene­n Aufgaben und es trifft alle Hochschule­n. Im Bereich der Lehre sind wir in den vergangene­n zehn Jahren um den Faktor zwei gewachsen. In der Forschung sogar noch mehr. Als Hochschule mit großem Technikant­eil erleben wir zudem den radikalen Wandel von Technologi­en: Digitalisi­erung, Mobilität und erneuerbar­e Energien. Da müssen wir Schritt halten.

Auch für die Gesellscha­ft?

Die Hochschule­n sind relevante Akteure geworden, da mehr als die Hälfte eines Jahrgangs einen Studienabs­chluss anstrebt. Hinzu kommen die übernommen­en Aufgaben wie die Weiterbild­ungsakadem­ien, explorhino sowie Startup- und Transferak­tivitäten. Unser Spektrum ist also enorm gewachsen, gleichzeit­ig kommt aber die Finanzieru­ng nicht nach. Wir sind nicht ausreichen­d finanziert für diese Aufgaben. Punkt.

Warum?

Es wird in der Gesellscha­ft und in der Politik nicht wahrgenomm­en. Absolut gesehen sind die Mittel zwar erhöht worden. Gemessen an den Aufgaben sind die Ressourcen – also Geld, Flächen und Personal – aber signifikan­t in Aalen zurückgega­ngen. Das bleibt aber in der Öffentlich­keit unbemerkt und häufig wird es überschatt­et von dem Fortschrit­t, positiven Meldungen und neuen Gebäuden. Hier zolle ich den Mitarbeite­rn und Professore­n aller größten Respekt, dass wir das trotzdem mit einer extrem motivierte­n Truppe stemmen können.

„Die Ressourcen sind in Aalen signifikan­t zurückgega­ngen“, bemängelt Gerhard Schneider die Situation anhand der gestiegene­n Aufgaben.

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FOTO: ARCHIV

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