Wenn der Krankentransport zur Schwerlast wird
Die Malteser verfügen über ein spezielles Rettungsfahrzeug – Früher musste ein Lastwagen her
- 100 Kilogramm wiegt die Übungspuppe, mit der die Malteser für den Ernstfall proben. Damit ist in diesem Fall der Transport übergewichtiger Menschen gemeint, die mehr als 150 Kilo auf die Waage bringen. Um diese nicht mehr auf der Ladenfläche eines Lastwagens oder in einem Kleinbus zu befördern, aus dem zuvor die Sitze ausgebaut werden mussten, verfügt der MalteserRettungsdienst seit fünf Jahren über ein Spezialfahrzeug. War es die ersten drei Jahre in ganz Baden-Württemberg unterwegs, beschränkt sich der Transport adipöser Patienten mittlerweile auf den Ostalbkreis und den Landkreis Heidenheim. „Bis zu 100 Einsätze fahren wir damit im Schnitt jedes Jahr“, sagt Torsten Felgenhauer, Geschäftsführer der Malteser für den Bezirk Nord- und Ostwürttemberg. Tendenz steigend.
14 Uhr im Fuhrpark der Malteser in der Gerokstraße im Pelzwasen. Der stellvertretende Rettungsdienstleiter und Notfallsanitäter Jochen Schittenhelm und die Rettungssanitäterin Julika Reber kommen gerade vom Einsatz zurück. Sie mussten einen 130 Kilogramm schweren Patienten ins Ostalb-Klinikum bringen. Mit Blick auf das Gewicht des Mannes war dies eher einer der leichteren Fälle, sagt der Notfallsanitäter Alexander Gänßler und erinnert sich etwa an einen Einsatz, bei dem ein 300 Kilo schwerer Mann in Ulm transportiert werden musste.
Moralisch nicht mehr tragbar
Früher mussten schwergewichtige Menschen auf der Laderampe eines Lastwagens in die Klinik transportiert werden, da beim Transport in einem gängigen Rettungsfahrzeug Patienten höchstens 150 Kilo wiegen dürfen. Das sei eine unwürdige Situation gewesen und moralisch nicht tragbar, sagt Felgenhauer. Darüber hinaus sei der Transport für die Rettungskräfte eine große körperliche Herausforderung gewesen.
Auf Initiative der Malteser wurde schließlich der Schwerlastrettungswagen angeschafft, der von der Wasseralfinger Firma Strobel gebaut wurde. Äußerlich unterscheidet sich dieser nicht von jedem anderen. Das Fahrzeug verfügt über einen Hecklift, der bis zu 600 Kilogramm anheben kann, erklärt Felgenhauer. Mit ihm lassen sich auch die allerschwersten Patienten auf einer Liege oder im Rollstuhl in den Rettungswagen hieven. Im Innern des Wagens ist genügend Platz für ein überbreites Intensivbett. Zur Ausrüstung gehören zudem eine Schwerlast-Trage, ein Schwerlast-Tuch, das doppelt so groß ist wie ein normales, oder eine überbreite Vakuummatratze und ein spezielles Beatmungsgerät.
Waren die Malteser vor fünf Jahren mit ihrem Schwerlastrettungswagen noch im ganzen Ländle unterwegs, da es ein solches nur in Stuttgart oder Karlsruhe gab, beschränkt sich ihr Einzugsgebiet seit zwei Jahren auf den Ostalbkreis und den Kreis Heidenheim. Auf Anordnung des Regierungspräsidiums sollte mittlerweile jeder Rettungsdienst ein solches Fahrzeug haben, sagt Felgenhauer. Auch weil die Anzahl der stark übergewichtigen Menschen immer mehr zunimmt.
Feuerwehr muss helfen
Das Problem, stark Übergewichtige aus ihren Wohnungen herauszubekommen, löst allerdings auch der XXL-Rettungswagen nicht. „Oft haben wir ohne Hilfe der Feuerwehr gar keine Chance“, sagt Felgenhauer. In 50 Prozent aller Schwerlasteinsätze werde die Feuerwehr angefordert. Entweder als Tragehilfe oder weil gar eine Drehleiter benötigt werde. Sei es weil das Treppenhaus zu eng oder der Patient zu schwer ist. Felgenhauer erinnert sich an einen Einsatz, bei dem die Feuerwehr in Schorndorf am Fenster ein Konstrukt bauen musste, um den 180 Kilo schweren Patienten aus dem Haus zu bekommen. Auch dem Kommandanten der Aalener Feuerwehr, Kai Niedziella, sind Einsätze bekannt, bei denen ein Schwergewichtiger per Kran aus der Wohnung gehievt werden musste.
Geplante Krankentransporte zum Facharzt oder ins Krankenhaus seien einfacher zu handhaben, sagt Felgenhauer. Da sei der Rettungsdienst bereits im Voraus darüber informiert, wie viel der Patient wiegt. Bei Notfällen werde weiterhin das erste verfügbare Fahrzeug alarmiert, der Schwerlastrettungswagen werde gegebenenfalls nachgezogen. Allerdings frage die Leitstelle zum Teil auch bei Notfällen mittlerweile nach dem Gewicht des Betroffenen. „Die Kosten für die Einsätze werden regulär von den Krankenkassen übernommen, hierunter fallen auch die Kosten für die Unterstützung durch die Feuerwehr“, sagt Felgenhauer.
Mit dem Transport in eine Klinik sei das Problem nicht unbedingt gelöst. Denn nicht jedes Krankenhaus verfüge über ein Bett in Übergröße, oder, wenn vorhanden, sei es bereits belegt. Auch Rettungshubschrauber seien nicht für schwergewichtige Patienten ausgelegt, sagt Felgenhauer und erinnert sich an einen Transport von Schwäbisch Hall nach Würzburg, weil der Betroffene nicht in einen solchen gepasst habe.