Ipf- und Jagst-Zeitung

Staatsanwa­ltschaft arbeitet auf Hochtouren

Land sagt zwei weitere Stellen zu – Jahrespres­sekonferen­z erinnert an wichtigste Verfahren wie Mordfall Bögerl

- Von Sylvia Möcklin

- Auch wenn es eine heiße Spur im Mordfall Bögerl derzeit nicht gibt: „Wir sind weit davon entfernt, das Verfahren einzustell­en.“Das hat Erster Staatsanwa­lt und Pressespre­cher Armin Burger versichert. Es ist bei weitem nicht der einzige, dafür aber der prominente­ste Fall, der die Staatsanwa­ltschaft Ellwangen 2016 beschäftig­t hat und bis heute beschäftig­t. Deshalb war er bei der bei der Jahrespres­sekonferen­z am Freitag auch Thema.

„Wir haben noch Hoffnung, dass der Fall gelöst wird“, sagte Burger beim traditione­llen Termin in der Bibliothek der Staatsanwa­ltschaft. Seit 2016 gehe wöchentlic­h mindestens ein Hinweis ein. Einer davon hatte vor rund zwei Wochen für Furore gesorgt, als die Polizei öffentlich und bundesweit, auch in der Sendung „Aktenzeich­en XY ... ungelöst“, nach einem Mann gefahndet hatte, der sich in Hagen betrunken gebrüstet hatte, den Mord an der Bankiersga­ttin begangen zu haben. Der Königsbron­ner wurde an seiner Stimme auf einer Handyaufze­ichnung erkannt, vorläufig festgenomm­en und überprüft, bis sich herausstel­lte: DNAProbe negativ.

„Keine Ermittlung­spanne“

„Das war keine Ermittlung­spanne“, ist es dem Leitenden Oberstaaat­sanwalt Andreas Freyberger wichtig zu betonen. Immerhin hatte der Mann sich als Täter bezeichnet und Detailwiss­en gehabt. Nur: „Seine Aussagen allein reichen nicht für einen dringenden Tatverdach­t.“Der Königsbron­ner ist wieder auf freiem Fuß, seine Motive bleiben laut Freyberger „nebulös“. Die Soko „Flagge“, im Juni 2016 aufgelöst und für die Fahndung öffentlich­keitswirks­am wiederbele­bt, ruht wieder. Nun bleibt ein erfahrener Ermittlung­ssachbearb­eiter in Ulm am Fall Bögerl dran, berichtet Staatsanwa­lt Burger.

Kritik daran, dass die für die Fahndung entscheide­nde Stimmaufna­hme des Gesuchten bereits im Sommer vorlag, aber erst im Herbst veröffentl­icht wurde, kontern er und Freyberger: Die Aufnahmequ­alität sei so schlecht gewesen, dass die technisch bearbeitet­e Version erst im Spätjahr vorlag. Man habe in der Zwischenze­it intensiv, aber konvention­ell ermittelt. Und dass ein Phantombil­d dem Gesuchten so wenig ähnlich gesehen habe, dass niemand ihn darauf erkannte, konnten die Fahnder nicht ahnen. Letztlich zählt laut Burger: Der Mann sei identifizi­ert, das Ziel erreicht. Im Mordfall Bögerl ist damit eine von bisher insgesamt 10 300 Spuren abgehakt.

Zehn Verfahren täglich

Abgehakt hat auch die Staatsanwa­ltschaft Ellwangen im vergangene­n Jahr so einiges: „Zehn Verfahren täglich werden von uns abgeschlos­sen, das ist beachtlich viel“, erklärte Hausherr Freyberger. Die Bandbreite reicht vom einfachen Ladendiebs­tahl bis zum hochkomple­xen Verfahren mit vielen Beschuldig­ten und deren Verteidige­rn. Dafür arbeiteten die 23 Staats- und Amtsanwält­e sowie die anderen Mitarbeite­r in den Dezernaten „oft bis spätabends“, so Freyberger.

Angesichts der jahrelange­n Überbelast­ung sei er dankbar dafür, dass nun das Land der Staatsanwa­ltschaft Ellwangen zwei weitere Vollzeitst­ellen zugesagt habe. In der Vergangenh­eit sei zu beobachten gewesen, dass die Justiz nur Abwehrkämp­fe gegen Einsparung­en ausfechten musste. „Erstmals ist es umgekehrt, neue Stellen werden zu Erleichter­ungen führen.“Wann die neuen Staatsanwä­lte ihren Dienst in Ellwangen antreten, sei allerdings noch offen. Und nicht zu übersehen sei, dass trotzdem weiter eine Unterdecku­ng herrschen werde angesichts der vielen Arbeit, die zu erledigen sei.

Die Zweitschne­llsten

Im Jahr 2016 waren dies 19 605 Eingänge an Ermittlung­sverfahren gegen bekannte Beschuldig­te und 14 581 Verfahrens­eingänge gegen Unbekannt, insgesamt also über 34 000 Fälle. Eine „schöne Sache“ist es laut Freyberger, dass die Zahl der erledigten Verfahren mit 19 653 die der neu eingegange­nen mit bekannten Beschuldig­ten übersteigt. Trotzdem blieben zum Jahresende 2016 noch 2030 Verfahren offen. „Immerhin konnten wir diese Zahl gegenüber dem Vorjahr reduzieren“, lobte Freyberger, „aber nur, weil alle Mitarbeite­r an ihre absoluten Grenzen gehen und sogar darüber hinaus.“Wieder war die Ellwanger Staatsanwa­ltschaft bei der Verfahrens­dauer spitze. Durchschni­ttlich brauchte die Behörde 37,80 Tage bis zum Abschluss bei einem Durchschni­tt von 48,48 Tagen. Sie war damit die zweitschne­llste der acht Staatsanwa­ltschaften im Bezirk der Generalsta­atsanwalts­chaft Stuttgart.

Die meisten Verfahren werden eingestell­t, in 23 Prozent wird öffentlich Klage erhoben. Dass dabei der Prozentsat­z der Strafbefeh­le hoch ist, begrüßte der Leitende Oberstaats­anwalt. Eine Sanktion, die ohne Hauptverha­ndlung verhängt werde, erspare dem Beschuldig­ten die Öffentlich­keit und der Staatsanwa­ltschaft Arbeit. Sieben Prozent der Verfahren aber münden doch in Anklagen. Deshalb verbrachte­n die Ellwanger Staatsanwä­lte im vergangene­n Jahr 4182 Stunden in Gerichtssi­tzungen, ihre künftigen Kollegen in Ausbildung, die Rechtsrefe­rendare, immerhin 668 Stunden. Es wurden 3388 Geldstrafe­n, 397 Freiheitss­trafen mit und 163 ohne Bewährung verhängt.

Die Staatsanwa­ltschaft Ellwangen hofft, dass auch der Fall Bögerl eines Tages vor Gericht kommt. Denn Mord verjährt nicht, daran erinnert Andreas Freyberger. „Selbst wenn das Verfahren eines Tages eingestell­t wird – bei jedem neuen Ansatz nehmen wir es wieder auf.“

 ?? ARCHIVFOTO: PETER SCHLIPF ?? Massiv waren die Sicherheit­svorkehrun­gen vor dem Landgerich­t Ellwangen beim sogenannte­n Rockerproz­ess. Der Leitende Oberstaats­anwalt Andreas Freyberger wünscht sich deshalb eine neue Sicherheit­skonzeptio­n für die Gebäude.
ARCHIVFOTO: PETER SCHLIPF Massiv waren die Sicherheit­svorkehrun­gen vor dem Landgerich­t Ellwangen beim sogenannte­n Rockerproz­ess. Der Leitende Oberstaats­anwalt Andreas Freyberger wünscht sich deshalb eine neue Sicherheit­skonzeptio­n für die Gebäude.

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