Gang auf den Salvator als beste Medizin
Eine ganze Auswahl von wiederentdeckten Votivgaben erzählt von einem Pilgerort der Hoffnung, des Trostes und der Heilung
- Es sind herzige Körperteilchen aus Wachs, die heute zum Schmunzeln anregen. Für frühere Generationen hatten sie jedoch eine bitterernste Bedeutung. Rechtzeitig zum Jubiläumsjahr „400 Jahre Wallfahrtsort Salvator“ist im Museum eine ganze Auswahl von Votivgaben aufgetaucht, die am heiligen Berg der Gmünder starke, ja lebenswichtige Symbolik hatten.
Die Gmünder Museumsleiterin Monika Boosen ist derzeit dabei, gemeinsam mit dem Salvator-Freundeskreis und der Münstergemeinde die Ausstellung zum Salvator-Jubiläum zusammenzustellen. Sie wird im neuen Dokumentationsraum im renovierten Dachgeschoss der Felsenkirche („Kapellenbühne“) ab 28. April zu sehen sein. Was nun aussieht wie Kleinigkeiten aus einem Setzkasten zum Spielen und zum Beschmunzeln, wird bei dieser Präsentation in den ernsten Blickpunkt gerückt. Denn diese sogenannten Votivgaben können sehr viel erzählen über die Rolle dieser Wallfahrtsstätte als Ort der Hoffnung, des Trostes und der Krankenheilung.
Es geht hierbei weniger um die Frage, ob es in den Kapellen und Grotten des Salvator jemals tatsächlich Wunderheilungen gegeben hat, wie sie die katholische Kirche und eine speziell dafür eingesetzte Ärztekommission 69-fach im berühmten Marien-Wallfahrtsort Lourdes anerkannt hat. Vielmehr geht es um die Kraft allein des Gebets und des Glaubens, die von kranken und gebrechlichen Pilgern in den letzten 400 Jahren an diesen Ort mitgebracht wurde. Monika Boosen beschreibt dazu die wichtige Symbolik der Votivgaben: Sie wurden in Devotionalienläden in der Stadt verkauft, von denen sich einer mit größter Wahrscheinlichkeit am Chor der Johanniskirche befunden hat. Entweder die Wallfahrer hinterlegten die Gaben als Zeichen der Hoffnung und der Bitte um Heilung oder aber als für alle sichtbare Dankesbotschaft, wenn sie sich durch Gottes Hilfe von Gebrechen befreit fühlten.
Passendes gegen alle nur denkbaren Krankheiten
Robert Dinser hat nun für das Museum eine ganze Auswahl von unterschiedlichen Votivgaben mithilfe von historischen Wachsformen nachbilden lassen können. Im Original sind in der unteren Felsenkapelle des Salvator einige erhalten. Monika Boosen glaubt, dass bis weit ins 19. Jahrhundert hinein mit solchen Devotionalien ein reger Handel betrieben wurde. Einige der Motive spielen sehr eindeutig auf bestimmte Krankheiten und Gebrechen an, so etwa die Darstellung des Herzens, der Augen, der Nase oder auch der Ohren. Die Nachbildung eines menschlichen Gebisses zeugt davon, dass sich Pilger offensichtlich mit furchtbaren Zahnschmerzen auf dem Salvator einfanden, um für Erlösung von dieser Pein zu beten. Andere Motive geben noch Rätsel auf, die Boosen gemeinsam mit Experten noch entschlüsseln möchte, einschließlich von noch schwach erkennbaren Inschriften in vermutlich lateinischer Sprache. Dazu gehören auch Nachbildungen von Zungen. Manches deutet daraufhin, dass dieser Wallfahrtsort in den vergangenen Jahrhunderten auch von hilfesuchenden Taubstummen besucht wurde. Völlig unklar ist noch die „medizinische Bedeutung“einer kleinen Figur, die aussieht wie eine Schildkröte oder Eidechse. Eindeutig ist wiederum die Darstellung eines betenden Paares. Genau ein solches tritt auch auf einem historischen Salvator-Ölgemälde in Erscheinung, das sich im Besitz des Museums befindet. Es zeigt die ganze Tragödie in jener Hochzeit der Wallfahrtsstätte, als eine medizinische Versorgung für die breite Bevölkerung nicht vorhanden oder unbezahlbar war. Auf dem Bildnis betet ein Ehepaar vor einer der Kreuzwegstationen für das Seelenheil ihrer verstorbenen Kinderschar.
Ein Viertel der Neugeborenen verstarb im ersten Lebensjahr
Stadtchronist Dominikus Debler notierte dazu beispielhaft für das Jahr 1792, dass in Schwäbisch Gmünd wohl 232 Kinder das Licht der Welt erblickten, im gleichen Zeitraum jedoch 57 Knaben und auch 76 Mädchen verstorben sind. Etwa ein Viertel der Neugeborenen verstarb, noch ehe die Babys das erste Lebensjahr erreichten.
So wurde auf dem Salvator auch um gesunden Nachwuchs gefleht und verstorbene Nachkömmlinge betrauert. Seit Menschengedenken ranken sich die Legenden um das Herz-Jesu- sowie um das Storchenbrünnlein. Und noch heute schwören viele Gmünder auf Kraft und Heilwirkung dieses Salvator-Quellwassers. Das eine Brünnele soll beim Benetzen der Augen die Sehkraft stärken, das Storchenbrünnele wiederum dient der Erfüllung des Kinderwunsches. Man muss nur daran glauben.