Bis 2030 ist autonomes Fahren Wirklichkeit
Objekterkennung und vernetztes Fahren sind die Forschungsschwerpunkte der Hochschule Aalen
- In den vergangenen Jahrzehnten hat die Wissenschaft beachtliche Fortschritte auf dem Gebiet des autonomen Fahrens gemacht. Noch sind diese Fahrzeuge nicht auf unseren Straßen unterwegs, doch die Forschung arbeitet daran. So auch drei Professoren der Hochschule Aalen, die auf unterschiedlichen Wegen die Autonomie auf vier Rädern voranbringen.
Noch kommen autonome Fahrzeuge an ihre Grenzen. Das weiß Jürgen Trost, Professor für Autonome Systeme und Messtechnik an der Hochschule Aalen. Seit Oktober ist Trost im Ost-albkreis und befasst sich unter anderem mit Fahrassistenzsystemen und ihrem Potenzial für die Verkehrssicherheit. Forschungsbedarf bestünde vor allem bei der Mensch-MaschineSchnittstelle. „Wie und wann muss das System den Fahrer auffordern, die Fahrt wieder zu übernehmen?“, fragt sich Trost für den Fall, dass das System an seine Grenzen gerät. Daran müsse noch ordentlich gefeilt werden.
„Die Herausforderung dabei ist nicht einmal das Fahren an sich, sondern die vielfältigen Verkehrssituationen, die auftreten können“, so Trost. Problematisch sei es, wenn Kameras oder Radarsensoren Objekte nicht richtig erkennen, weil sie von der Sonne geblendet oder anderweitig gestört werden. Schließlich müsse das Assistenzsystem sicher unterscheiden können, ob es sich bei einem Hindernis bloß um eine umherfliegende Zeitung oder aber einen Kinderwagen handle und sollte dementsprechend reagieren. Deshalb werden bei den ersten autonom fahrenden Fahrzeugen die Fahrer in schwierigen Situationen die Steuerung wieder übernehmen müssen, so Trost.
Neben der Objekterkennung sei auch das sogenannte vernetzte Fahren noch nicht ausgereift. „Die Fahrzeuge sollen miteinander und mit der Infrastruktur reden“, sagt Trost. So könnten künftig mithilfe des autonomen Fahrzeugs Unfälle an Kreuzungen verhindert werden. Das sei vor allem dann interessant, wenn ein Fahrer eine Gefahrensituation nicht vorhersehen könne, beispielsweise beim Verlassen einer schwer zu überblickenden Ausfahrt. Bevor vollautonome Fahrzeuge auf unseren Straßen unterwegs sind, kann sich Trost eine Nutzung der Assistenzsysteme auf gesicherten Arealen vorstellen. Er denkt dabei an den Verkehr innerhalb von Industriewerken, wo zunächst keine Menschen unterwegs sind. So könne man gut abschätzen, ob alles funktioniere. In Sachen Autonomie prognostiziert der Professor: „Bis ins Jahr 2030 fahren Fahrzeuge vollständig autonom.“
Fahren mit Kameras, Sensoren und Satellitenunterstützung
Wenn auch der Weg zur Fahrzeugautonomie noch weit ist, so markieren bereits einige Errungenschaften aus den vergangenen Jahrzehnten wichtige Schritte in diese Richtung. „1972 gab es 19 000 Verkehrstote pro Jahr in Westdeutschland. Dank den Sicherheitseinrichtungen zählen wir nun weniger als 4000 pro Jahr in ganz Deutschland“, weiß Professor Wolfgang Günter, der seit 1985 auf dem Gebiet Technische Mechanik mit dem Schwerpunkt Fahrzeugtechnik an der Hochschule Aalen lehrt und forscht. Als amtlich anerkannter Sachverständiger für den Kraftfahrzeugverkehr hat er vor rund 35 Jahren bei der Einführung der ABSund Airbag-Systeme mitgewirkt und deren Erfolgsbilanz stets verfolgt. Heute beschäftigt sich Günter mit satellitengestütztem Fahren. Mit seinem Kollegen, Professor Wolf-Dieter Ruf, der seit 1989 Messtechnik in Aalen lehrt und dort die Verarbeitung digitaler Signale und Sensoren untersucht, bringt Günter per Satellit gesteuerte Versuchsfahrzeuge auf Kurs.
Beim satellitengestützten Fahren verlässt sich das autonom fahrende Fahrzeug auf GPS-Signale, die es von mehreren Satelliten empfängt, und bemisst so die Route, die es fahren muss. Tests macht die Hochschule regelmäßig auf der Bosch-Teststrecke in Boxberg bei Bad Mergentheim. Auf sogenannten Handling-Kursen erproben Studenten und Dozenten einen Lenkroboter. Der wird vor einer Testfahrt auf dem Lenkrad befestigt und führt vom Steuergerät her die aus Positionsdaten berechneten Lenkbefehle aus. Doch davor müsse dem Auto die Strecke beigebracht werden, damit es in einem späteren Schritt den Kurs autonom nachfahren könne, sagt Ruf.
Bei diesem sogenannten „Teaching“wird das Lenkrad vom Fahrer geführt und so der Sollkurs festgelegt. Dieser wird vom Steuergerät für die spätere automatisierte Fahrt gespeichert. Im besten Fall fährt das Auto dann mit den berechneten und vom Roboter ausgeführten Steuerbefehlen denselben Kurs ohne Spurabweichung autonom nach. Da die GPS-Signale allein nicht ausreichen würden, um die Spur fehlerfrei zu halten, werden diese mithilfe eines Messsystems korrigiert, das zusätzlich fahrzeuginterne Beschleunigungsund Drehratensignale auswertet.
Ruf zufolge ist die Spurhaltung bis dato aber noch nicht ausgereift. Grund dafür sei die fehlende Erkennung von Hindernissen und Fahrbahnbegrenzungen. „Die Sollspur muss aus den Fahrbahnbegrenzungen und den festen und beweglichen Hindernissen errechnet werden“, erklärt Ruf. Werden diese nicht hundertprozentig von den Kameras und Sensoren wahrgenommen, können folgenschwere Kollisionen nicht ausgeschlossen werden.