Als Leichtgewicht in den Ring
Wladimir Klitschko bringt mehr als vier Kilo weniger auf die Waage als sein Rivale und Box-Weltmeister Anthony Joshua
(SID) - 25 lange Sekunden blickten sich die Rivalen tief in die Augen, dann war das traditionelle Psychospielchen beim sogenannten Staredown beendet – ohne Sieger. Wladimir Klitschko und Anthony Joshua mögen sich ja eigentlich sehr gerne, früher war Joshua der Sparringspartner des 41-Jährigen, der nun womöglich vor seinem letzten Kampf steht. Also demonstrierten beide mit ernster Miene beim Wiegen einen Tag vor dem Megakampf am Samstag vor 90 000 Fans in Wembley (23 Uhr/ RTL) ihren absoluten Siegeswillen.
„Ich werde gewinnen. Ob mit K.o., wird sich im Laufe des Kampfes zeigen“, rief Lokalmatador und Weltmeister Joshua den 1200 Fans in der Arena neben dem Wembleystadion entgegen. Klitschko kassierte wie schon bei der Pressekonferenz unter der Woche Buhrufe, zeigte das Victory-Zeichen und verließ die Bühne ohne Kommentar. „Wird es ein kurzer Kampf, siegt Joshua. Wird es ein langer Kampf, siegt Wladimir“, sagte ExChamp Lennox Lewis.
Etwas überraschend geht Joshua mit deutlich mehr Gewicht in den Kampf. Der IBF-Champion brachte es beim Wiegen auf 113,4 Kilo – so schwer war er noch bei keinem seiner Profikämpfe. Klitschko indes kam auf 109,1 Kilo und war damit auch leichter als im November 2015 (111,5 Kilo) bei seiner WM-Pleite gegen Tyson Fury. Das darf auch als Hinweis auf sein intensives Training gewertet werden.
Klitschko will vor der Riesenkulisse das Ende seiner Ära abwenden. „Ich will nicht nur gewinnen, ich will auch groß gewinnen“, sagte er. Und: „Ich fühle mich schon jetzt als Gewinner. Auch wenn die meisten Fans hinter Anthony stehen werden: Das ist mein Event, meine Nacht, mein Ring und mein Sieg.“Je näher der Kampfabend rückt, desto selbstbewusster und kämpferischer trat der 41-Jährige auf. Zuletzt bekam auch der geschätzte Gegner ein paar verbale Breitseiten ab. „Joshua ist ein Puncher. Ich bin ein Boxer, der auch punchen kann“, so Klitschko: „Er hat einen harten Schlag, doch was Technik und Taktik angeht, sehe ich Defizite.“
Klitschko gibt sich vor seinem 69. Kampf (64 Siege/54 K.o.) als Außenseiter, aber als einer, der sehr überzeugt ist von seinen Qualitäten. „Der Druck liegt bei Joshua. Er muss den alten Mann besiegen, das könnte für ihn aber ein schmerzhafter Abend werden“, sagte der Langzeit-Champion (2006 bis 2015).
Auch Joshua legte seinen übergroßen Respekt vor Klitschko zumindest kurzzeitig ab. „Für mich hatte Wladimir seine beste Zeit 2005“, erklärte der Olympiasieger von 2012. „Ich werde gewinnen, das ist keine Raketenwissenschaft, es ist einfach nur der Kampf“, sagte der 27-Jährige aus der Kleinstadt Watford nordwestlich von London. In 18 Profikämpfen siegte er 18 mal durch Knock-out.
Klitschko hat 17 Monate nicht geboxt, wirkte in seinen letzten Kämpfen wenig aggressiv. „Wenn er am Samstag wieder verliert, dann sollte er Schluss machen“, sagte Ex-Weltmeister und Trainer Sven Ottke, dessen Boxerin Nina Meinke (Berlin) im Vorprogramm auftritt. Den großen Altersunterschied brachte „Dr. Steelhammer“selbst auf den Punkt. „Anthony Joshua ist 27 Jahre alt. Genauso lange boxe ich schon.“
Im Falle eines Sieges hätte es der Altmeister noch einmal allen gezeigt und dem aufstrebenden Joshua in seiner Heimat eine empfindliche Niederlage beigebracht. Klitschko wäre zum dritten Mal in seiner Karriere Weltmeister im Schwergewicht, das schafften vor ihm nur die Größten seiner Zunft wie Muhammad Ali, Evander Holyfield, Lennox Lewis und Bruder Vitali.