Von den Saudis nach Sotschi
Die Bundeskanzlerin trifft in Saudi-Arabien und Russland auf komplizierte Gesprächspartner
Nach den schwierigen Gesprächen in SaudiArabien, hier mit König Salman bin Abdulaziz al-Saud (Foto: dpa), reist Angela Merkel heute zum Treffen mit Wladimir Putin. Russlands Präsident empfängt die Bundeskanzlerin in seiner Sommeresidenz in Sotschi.
(dpa) - In Saudi-Arabien bleiben Frauen zu Hause, bekochen die Männer und nähen Kleider für die ganze Familie, erzählt ein Stadtführer in der Altstadt der Hafenstadt Dschidda am Roten Meer. Der freundliche Mann sagt das in fließendem Englisch und irgendwie mit Stolz. Auf die Frage, ob die Frauen denn gar nicht am Leben „draußen“teilnähmen, antwortet er streng. Die Araber legten Wert auf ihre Kultur, die Frauen könnten das Leben auf der Straße von den (vergitterten) Balkonen aus beobachten.
Angela Merkel spricht derweil mit dem Königshaus über Menschenrechte, Frauenrechte, Wirtschaft, Krisen und Kriege. Sie kann den Kronprinzen und den stellvertretenden Kronprinzen, Mohammed bin Naif und Mohammed bin Salman dazu bewegen, eine ihrer Ideen gut zu finden: Eine Vermittlerrolle Deutschlands im verheerenden Bürgerkrieg im Nachbarland Jemen. Dort versucht Saudi-Arabien, schiitische Huthi-Rebellen zu bekämpfen – und den Einfluss des verfeindeten Irans, der die Rebellen angeblich unterstützt, einzudämmen.
Es könne keine militärische Lösung geben und erfreulicherweise setze auch Saudi-Arabien auf den politischen Prozess, der von den Vereinten Nationen gesteuert wird, sagt Merkel. Mangelnde Akzeptanz als Frau hat sie in Saudi-Arabien noch nicht erlebt. König Salman gibt zu ihren Ehren ein Bankett. Merkel spricht auch mit Unternehmerinnen, die ihr berichten, wie stark sich momentan die saudische Gesellschaft verändere.
Heikle Gesprächsthemen
Bei dem Besuch prallen zwei Welten aufeinander, hier Freizügigkeit, Frauenrechte und Freiheitsrechte, dort Verschleierung und öffentliche Auspeitschungen und Strafen bei nichtmuslimischen Glaubensbekundungen. Und dennoch wird schnell klar: Sich nicht zu treffen, wäre die schlechtere Lösung.
Denn Saudi-Arabien ist mit seinen rund 30 Millionen Einwohnern aus deutscher Regierungssicht „dramatisch wichtig“für die gesamte konfliktreiche arabische Welt. Der Syrienkrieg, wo Saudi-Arabien in der US-geführten Koalition gegen die Terrormiliz „Islamischer Staat“(IS) kämpft. Der regelrechte Hass zwischen Saudi-Arabien und dem Iran, der wiederum an der Seite des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad steht. Und eben der Konflikt im benachbarten Jemen.
Heikel sind da natürlich deutsche Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien. Derzeit stehen aber wohl keine an. Und das Thema könnte sich bald auch erledigt haben: Der saudische Vize-Wirtschaftsminister Mohammad al-Tuwaidschri sagte dem „Spiegel“: „Wir werden der deutschen Regierung keine Probleme mehr bereiten mit immer neuen Wünschen nach Waffen.“Merkel spricht die schlechte Menschenrechtslage an. Auch speziell den Fall des in Saudi-Arabien inhaftierten Bloggers Raif Badawi. Dessen Frau Ensaf Haidar hatte sehnlich gehofft, dass Merkel König Salman direkt nach der Begnadigung ihres Mannes fragt. Badawi wurde 2014 nach bereits mehrjähriger Haft wegen angeblicher Beleidigung des Islams zu zehn Jahren Gefängnis und 1000 Stockhieben verurteilt. Mit 50 Stockhieben wurde bereits auf ihn eingeprügelt. Sein Vergehen: Er setzte sich für die Gleichbehandlung aller Menschen ein.
Merkel sieht das Land aber in einem positiven Umbruch: „Es gibt Beschwernisse, aber es gibt auch Erfolge.“Seit ihrem letzten Besuch 2010 sei die Rolle der Frau gestärkt worden, auch wenn Gleichberechtigung wie in Deutschland weit entfernt sei.