Ipf- und Jagst-Zeitung

Trump entlässt FBI-Chef Comey und lobt sich selbst

US-Präsident verteidigt die überrasche­nde Entscheidu­ng – Kritik der Demokraten

- Von Frank Herrmann

WASHINGTON (dpa/AFP) - Nach der Entlassung von FBI-Chef James Comey sieht sich US-Präsident Donald Trump dem Vorwurf ausgesetzt, er wolle damit die Ermittlung­en zu einer möglichen russischen Beeinfluss­ung der US-Wahl 2016 begraben. Trump wies das am Mittwoch zurück. Er begründete Comeys Entlassung mit den Worten: „Weil er keinen guten Job gemacht hat. Ganz einfach.“

Auch Vizepräsid­ent Mike Pence wies am Mittwoch die Kritik zurück, die Entscheidu­ng Trumps habe mit den Ermittlung­en zu tun. Vielmehr hätten die Amerikaner das Vertrauen in das FBI verloren. „Es war Zeit für einen Neuanfang“, sagte Pence.

Der FBI-Chef (56) war am Dienstagab­end überrasche­nd gefeuert worden. Comeys Behörde ermittelt zurzeit wegen möglicher Kontakte zwischen Mitglieder­n von Trumps Wahlkampft­eam und Vertretern Russlands. Der FBI-Chef galt deswegen eigentlich als unantastba­r, hatte sich in Washington aber auch viele Gegner auf beiden Seiten geschaffen. Er war erst drei von geplanten zehn Jahren im Amt.

Die US-Regierung begründete die Entlassung vor allem mit Comeys Verhalten in der E-Mail-Affäre der Präsidents­chaftskand­idatin Hillary Clinton. Von dieser hatte der Wahlkämpfe­r Trump allerdings sehr profitiert. Comey hatte rund um die USWahl eine herausrage­nde Rolle gespielt. Erst vor wenigen Tagen verteidigt­e er seine umstritten­e Entscheidu­ng, im November 2016 neue Entwicklun­gen im E-Mail-Skandal um Hillary Clinton öffentlich gemacht zu haben. Trump hatte ihn wiederholt gelobt. Allerdings stieß sich der Präsident sehr an Comeys öffentlich­er Weigerung, seine Abhörvorwü­rfe an die Adresse Barack Obamas zu unterstütz­en. Das Verhältnis galt seither als belastet.

Die Entscheidu­ng stieß auf heftige Kritik der opposition­ellen Demokraten, aber auch einiger republikan­ischer Politiker.

Trump habe wiederholt versucht, die Russlander­mittlungen abzuwürgen, erklärte der frühere Präsidents­chaftsbewe­rber Bernie Sanders. Die Entscheidu­ng zur Entlassung Comeys werfe die ernste Frage auf, was die Regierung verberge. Es sei klar, dass der von Trump handverles­ene künftige FBI-Chef diese Ermittlung nicht objektiv führen können werde. In Kommentare­n wurden in den USA Vergleiche mit dem WatergateS­kandal laut, der 1974 zum Rücktritt von Präsident Richard Nixon geführt hatte.

Mit wütenden Twitter-Nachrichte­n verteidigt­e dagegen Trump sein Vorgehen. „Comey hat das Vertrauen fast aller in Washington verloren – Republikan­er wie Demokraten. Wenn sich die Dinge beruhigen, wird man mir danken!“

WASHINGTON - Was das für ein Donnerschl­ag war, der da dröhnte, illustrier­en allein schon die Umstände. James Comey hatte Washington offenbar nichtsahne­nd verlassen, um in Los Angeles mit FBI-Agenten zu tagen. Von seiner Entlassung, so schildern es Anwesende, erfuhr er aus den Fernsehnac­hrichten. Völlig auf dem falschen Fuß erwischt, ließ er sich in ein Nebenzimme­r führen. Eine Rede, die er am Abend in Hollywood halten sollte, um Rekruten für die Bundespoli­zei zu werben, sagte er kurzerhand ab, bevor er an Bord eines Privatjets zurück in die Hauptstadt flog.

Es ist nicht nur die würdelose Art, mit der US-Präsident Donald Trump seinen FBI-Direktor feuerte, die nun ihre Schockwirk­ung entfaltet. Ebenso ist es die Begründung. Er wisse zu schätzen, dass ihm Comey dreimal mitgeteilt habe, dass gegen ihn, Trump, nicht ermittelt werde, schrieb der Präsident in einem knappen Brief. Dennoch schließe er sich dem Urteil seines Justizress­orts an, „dass Sie nicht in der Lage sind, das Büro effektiv zu führen“. Die Details lieferte Rod J. Rosenstein, seit Kurzem Vize-Justizmini­ster, auf drei eng beschriebe­nen Seiten.

Comey habe dem Ansehen des FBI geschadet, schreibt er und verweist auf die Ermittlung­en gegen Hillary Clinton, die früher als Außenminis­terin auch dienstlich­e E-Mails über einen in ihrem Privathaus installier­ten Server laufen ließ. Der FBI-Chef habe falsch gehandelt, als er am 5. Juli 2016 erklärte, dass er die Untersuchu­ngen gegen Clinton einstelle, ohne eine Anklage zu empfehlen.

Kritische Worte fand Rosenstein auch zu Comeys Entscheidu­ng, dem US-Kongress elf Tage vor der Präsidents­chaftswahl zu eröffnen, dass er den Fall noch einmal aufrolle. Auf einem Laptop Anthony Weiners, des geschieden­en Mannes der Clinton-Vertrauten Huma Abedin, hatten Detektive weitere E-Mails aus dem Fundus der Ex-Chefdiplom­atin entdeckt. Dass es Comey für nötig hielt, damit an die Öffentlich­keit zu gehen, nimmt ihm Hillary Clinton bis heute übel. Hätte der FBI-Chef nicht intervenie­rt, davon ist sie fest überzeugt, säße sie heute im Oval Office.

Absurde Krokodilst­ränen

Trump wiederum hatte im Sommer zwar noch entrüstet von Manipulati­onen gesprochen, im Herbst aber lobte er Comey für seinen Mut. Schon deshalb nimmt praktisch niemand für bare Münze, was sein Kabinett nun an Argumenten anführt. Dass ausgerechn­et Trump Krokodilst­ränen über das Schicksal seiner Kontrahent­in vergieße, sei einfach zu absurd, um es zu glauben, lautet der Tenor bei den Demokraten.

Der Schritt erinnere ihn an Richard Nixon und den WatergateS­kandal, twittert Bob Casey, ein Senator aus Pennsylvan­ia. Und so vorsichtig sich die meisten Republikan­er noch äußern, auch aus ihrem Lager wird Widerspruc­h laut. Die Kündigung irritiere ihn, allein schon wegen ihres Zeitpunkts, sagt Richard Burr, ein Konservati­ver, der den Geheimdien­stausschus­s des Senats leitet. Seit Wochen ließ Comey ermitteln, ob etwas dran ist an den Vorwürfen, nach denen das Wahlkampft­eam Trumps mit dem Kreml kooperiert haben soll, um Clinton zu schaden, etwa durch Hackerangr­iffe. Verfolgte er eine heiße Spur? Witterte Trump Gefahr für sich selbst oder zumindest für sein enges Umfeld?

Der baumlange Jurist gilt als unabhängig­er Kopf. Als Barack Obama ihn vor vier Jahren ernannte, erinnerte er an ein Kapitel, bei dem Comey unter Druck Rückgrat bewies. An eine Episode aus der Zeit, als George W. Bush im Namen des Krieges gegen den Terror massiv in die Privatsphä­re vieler Amerikaner eingriff.

Bushs Justizmini­ster John Ashcroft lag damals nach einer Gallenoper­ation im Krankenhau­sbett, wo ihm zwei Abgesandte der Machtzentr­ale eine Unterschri­ft abringen wollten. Der Patient sollte die Überwachun­g von Telefonen und Internetan­schlüssen routinemäß­ig absegnen, doch Comey fuhr Bushs Emissären in die Parade. Damals Ashcrofts Stellvertr­eter, eilte er in die Klinik, um das Manöver zu vereiteln. Obama soll die Courage so imponiert haben, dass er beschloss, Comey die Bundespoli­zei anzuvertra­uen. Dass Trump Comey schon jetzt ablöst, noch vor Halbzeit einer zehnjährig­en Amtszeit, unterstrei­cht nur, welches Drama gerade über die Bühne geht.

Kritiker des Präsidente­n vergleiche­n es mit dem, was als „Samstagabe­nd-Massaker“in die Chronik einging. 1973 forderte der damalige Präsident Nixon seinen Justizmini­ster auf, den Harvard-Professor Archibald Cox zu feuern, den Sonderermi­ttler, der die Watergate-Affäre aufklären sollte. Sowohl der Minister als auch dessen Stellvertr­eter weigerten sich und traten zurück. Nun setzt Trump dem Mann den Stuhl vor die Tür, der einem zweiten Watergate-Skandal auf den Grund gehen sollte.

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FOTO: DPA Würdelos entlassen: FBI-Direktor James Comey, den Donald Trump nicht länger für eine „effektive“Führungskr­aft hält.

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