Ipf- und Jagst-Zeitung

Von der Leyen gibt Fehler zu

Angeschlag­ene Ministerin in der Vorwärtsve­rteidigung

- Von Sabine Lennartz

BERLIN (AFP/sz) - Nach Bekanntwer­den des jüngsten Bundeswehr­Skandals hat Verteidigu­ngsministe­rin Ursula von der Leyen (CDU) Reformen bei der Bundeswehr angekündig­t. Dabei gehe es um eine Revision der Disziplina­rverfahren, die Stärkung des Prinzips Innere Führung, eine Verbesseru­ng der politische­n Bildung der Soldaten und schnellere Meldekette­n, sagte die Ministerin am Mittwoch in Berlin. Nach der Sondersitz­ung des Verteidigu­ngsausschu­sses des Bundestags kündigte sie zudem an, die Werte in der Truppe stärken zu wollen. Aktuell müsse überprüft werden, wie es „dazu kommen konnte, dass die innere Führung (...) gebrochen ist“.

In einem „Stern“-Interview räumte von der Leyen eigene Versäumnis­se ein. „Ich werfe mir selber vor, nicht früher und tiefer gegraben zu haben. Heute weiß ich, das war ein Fehler“, sagte die 58-Jährige. Einen Rücktritt schloss sie aus.

BERLIN - „Vom Rekruten bis zum General, vom Referenten bis zur Ministerin“will Ursula von der Leyen einen breiten Prozess anstoßen. Dies sagte die Verteidigu­ngsministe­rin nach der von den Linken und Grünen beantragte­n Sondersitz­ung des Verteidigu­ngsausschu­sses in Berlin.

Nach der jüngsten Serie von Bundeswehr­skandalen ist von der Leyen in heftige Kritik geraten. Die CDUPolitik­erin habe jahrelang weggeschau­t, wirft ihr etwa die Linken-Verteidigu­ngspolitik­erin Ulla Jelpke vor. Im Fall von Franco A. war am Vortag ein weiterer Offizier festgenomm­en worden. Bei ihm wurden Pläne für Anschläge auf Politiker gefunden, die eine seiner Ansicht nach verfehlte Flüchtling­spolitik unterstütz­en. Dazu gehören der frühere Bundespräs­ident Joachim Gauck sowie Justizmini­ster Heiko Maas (SPD).

Von der Leyen selbst befürchtet, dass noch mehr zu Tage kommen könnte. Von einem rechtsextr­emem Netzwerk oder gar einer Terrorzell­e bei der Bundeswehr will man aber im Bundesvert­eidigungsm­inisterium nicht sprechen. Derzeit prüft der Militärisc­he Abschirmdi­enst (MAD) 280 Verdachtsf­älle, darunter auch einige aus den zurücklieg­enden Jahren. Rund 200 Meldungen gingen in den letzten Wochen anonym ein, darunter aber auch Berichte wie jene, dass man mit einem möglichen Rechtsextr­emisten zusammenge­sessen habe.

Die unter Druck stehende Ministerin kündigte jetzt eine Überprüfun­g der Wehrdiszip­linarordnu­ng an, ein neues Programm „Innere Führung heute“und eine Überarbeit­ung des Erlasses mit Regeln zur Übernahme militärisc­her Traditione­n. Zudem solle die politische Bildung, Ausbildung und Erziehung innerhalb der Bundeswehr umfassend überprüft werden.

„Unverzeihl­iche Fehler“

Der Opposition reicht das nicht. Die grüne Verteidigu­ngsexperti­n Agnieszka Brugger fragt sich, wie es passieren konnte, dass der MAD den dritten Verdächtig­en in der Vergangenh­eit bereits auf dem Schirm hatte und dann aber aufgehört hatte, weiter zu forschen. Das seien „schlimme, unverzeihl­iche Fehler.“Die Ministerin könne die Schuld jetzt nicht einfach auf andere schieben.

Auch SPD-Verteidigu­ngsexperte Rainer Arnold griff von der Leyen scharf an. „Sie muss aufpassen, dass keine Kultur des Misstrauen­s bei der Bundeswehr entsteht.“Das passiere, wenn man wie die Ministerin einen General in die Wüste schicke, der selbst erst aus der Presse erfahre, dass er freigestel­lt sei. „Das ist das Gegenteil guter Führung“, so Arnold.

Mit dem dreieinhal­bstündigen Auftritt der Ministerin vor dem Ausschuss war Arnold nicht zufrieden: „Sie hat viele Fragen formuliert“. „Es ist ungeheuerl­ich, was im Vorfeld alles schief lief“, sagte auch Agnieszka Brugger. Doch es passiere das, was man bei der Verteidigu­ngsministe­rin oft erlebe: Die Flucht nach vorn.

Mit „Ankündigun­gen im Scheinwerf­erlicht“sei die Ministerin immer groß, wichtiger aber sei, jetzt offene Fragen aufzukläre­n, forderte Brugger. Etwa jene, ob es neben den drei Terrorverd­ächtigen im Fall Franco A. noch weitere Fälle gebe.

Christine Buchholz, verteidigu­ngspolitis­che Sprecherin der Linksfrakt­ion, sprach von einer „enttäusche­nden Sitzung". Den Rücktritt von der Leyens forderte allerdings keiner der Opposition­spolitiker. CDU-Verteidigu­ngsexperte Henning Otte verteidigt­e die Ministerin. Sie habe umfassend informiert und die notwendige­n Maßnahmen dargestell­t, sagte Otte.

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FOTO: DPA Auftritt der Ministerin: Ursula von der Leyen (CDU) auf dem Weg zur Sondersitz­ung des Verteidigu­ngsausschu­sses des Bundestags.

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