Vom Asylbewerberheim in den Arbeitsmarkt
Flüchtlinge als Mitarbeiter: Unternehmen berichten über ihre Erfahrungen
- Die Allianz für Fachkräfte Bodensee-Oberschwaben ermuntert Arbeitgeber und Unternehmer, geflüchteten Menschen die Chance auf einen Job oder eine Ausbildung zu geben. Am Dienstag berichteten zwei Vorreiter über ihre praktischen Erfahrungen: der Häfler Konzern Rolls-Royce Power Systems (RRPS) und der Markdorfer Mittelständler Koners Bauelemente.
Sie kommen aus Afghanistan, Syrien, Nigeria, Gambia und Libanon und absolvieren seit dem 9. Januar ein siebenmonatiges, berufsvorbereitendes Praktikum bei Rolls-Royce Power Systems in Friedrichshafen: Zehn geflüchtete junge Männer – zwischen 17 und 33 Jahre alt –, die einen metallverarbeitenden Beruf erlernen möchten. Neben den Grundlagen des Feilens, Drehens und Bohrens steht bei ihnen bis 31. Juli auch intensiver Deutschunterricht auf dem Stundenplan. Zwei von ihnen, der Afghane Abbas Ayoubi und der Palästinenser Zaher Shalabi, haben inzwischen einen Ausbildungsvertrag beim Häfler Motorenbauer in der Tasche. Die anderen acht unterstützt RRPS dabei, einen Ausbildungsplatz in einem anderen Unternehmen zu finden. Bei einer Veranstaltung der Allianz für Fachkräfte am Dienstag betonte Personaldirektor Marcus A. Wassenberg, dass RRPS als erster Großbetrieb der Region einen wesentlichen Beitrag zur Arbeitsmarktintegration geflüchteter Menschen leiste und stellte klar: „Für unser Unternehmen zählt nicht nur Profit und Cash. Wir wollen uns auch gesellschaftlich engagieren.“
„Wir haben nicht auf den Aufenthaltsstatus geschaut, als wir die Gruppe implementiert haben“, erklärte Ausbildungsleiter Martin Stocker. „Wir haben nur darauf geschaut, wer sich anstrengt.“Gewisse deutsche Tugenden hätten die zehn Geflüchteten übrigens schon verinnerlicht. „Pünktlichkeit zum Beispiel war nie ein Problem“, verriet Stocker. Die zehn jungen Männer, die allesamt erst rund anderthalb Jahre in Deutschland sind, berichteten in erstaunlich gutem Deutsch, wie sie ihr Praktikum erleben. „Wir haben sehr viel gelernt. So eine Einstiegsqualifikation ist sehr wichtig, um eine Ausbildung anfangen zu können“, sagte Zaher Shalabi. „Ich hoffe auf eine gute Arbeit, ich möchte in Deutschland ein neues Leben beginnen“, verriet sein syrischer Kollege Fadi Abdulkader.
Fenster, Haustüren und Sonnenschutzelemente vertreibt der Markdorfer Unternehmer Stefan Koners. Seit zwei Jahren beschäftigt er den Kameruner Steve Ngaba. Weil es damals noch keine Ausbildungs-Förderprogramme gab, stellte er den 36Jährigen als Hilfskraft an. „Sein Engagement ist wirklich sehr, sehr groß“, berichtete Koners. „Bei der Arbeit versteht er schon fast alles, auch Fachbegriffe.“Inzwischen habe der Kameruner beim Verband für Fenster und Fassaden eine Prüfung abgelegt – „als einer der Besten“, sagte Koners. Der Unternehmer verschwieg nicht, dass die Beschäftigung eines dunkelhäutigen Mitarbeiters gewisse Probleme mit sich bringen kann. Zum einen gebe es Ressentiments bei einem bestimmten Kreis von Kunden, zum anderen könne es auch vorkommen, dass sich Kollegen schwertun. „Einen Mitarbeiter musste ich entlassen. Aber wenn das Betriebsklima nicht stimmt, muss ich als Chef reagieren.“Weil Stefan Koners sehr zufrieden mit der Arbeit von Steve Ngaba ist, wünscht er sich, dass dessen Aufenthaltsstatus bald endgültig geklärt wird. Denn: „Wir investieren in ihn. Wir wissen aber nicht, wie lange wir von ihm profitieren.“ Seit Oktober gibt es im Bodenseekreis eine Anlaufstelle, bei der sich sowohl Asylbewerber als auch Arbeitgeber melden können: ANIA. Unter dem Motto „Ankommen – Informieren – Arbeiten“soll diese Agentur, die von Landratsamt und Arbeitsagentur eingerichtet wurde, Unterstützung bei der Arbeitssuche bieten. anlaufstelle.ania@bodenseekreis.