Der Zweipunkt-Marienkäfer findet sich immer seltener
Der Vormarsch des Asiatischen Marienkäfers sorgt für einen Rückgang der heimischen Art
BERLIN (dpa) - Ohne sein Insektentuch geht Jens Esser nicht in den Wald. Der 45-jährige ist Vorsitzender der Entomologischen Gesellschaft Orion in Berlin und hat eine Leidenschaft für alles, was krabbelt und surrt. Jetzt im Frühling, wenn die Baumrinden warm werden und die Blätter sprießen, ist die beste Zeit für die Suche nach Marienkäfern. Esser klopft an Stämme und fegt die Tiere auf sein Tuch. Viele verschiedene sind dabei: rote, schwarze, mit sieben oder noch viel mehr Punkten. Nur eine Art findet er immer seltener: den Marienkäfer mit zwei Punkten.
Was Esser beobachtet, ist ein europaweites Phänomen – das weiß Andreas Vilcinskas von der Universität Gießen zu berichten. In den Siebzigerjahren war der ZweipunktMarienkäfer (Adalia bipunctata) eine der häufigsten Arten in Deutschland. Sein starker Rückgang verweist auf einen harten Verdrängungskampf, der sich im Mikrokosmos der kleinen Krabbler vollzieht. Der Hauptschuldige für dieses Spektakel: der Asiatische Marienkäfer. Er wurde in den Achtzigerjahren zur Schädlingsbekämpfung nach Europa gebracht und hat sich seither rasant vermehrt. „Der Asiatische Marienkäfer ist weiter auf dem Vormarsch“, sagt Vilcinskas.
Parasiten sind der Grund
Warum ausgerechnet der Zweipunkt-Marienkäfer so stark unter dem asiatischen Einwanderer leidet, war lange ein Rätsel. Zwar ist der Asiatische Marienkäfer größer und vermehrt sich schneller, doch diesen Vorteil hat er auch gegenüber anderen Arten. Mittlerweile weiß man: Für das Sterben sind Parasiten verantwortlich, die der Asiate mitgebracht hat, schon die Larven sind stark infiziert. Der asiatische Käfer verfügt über einen natürlichen Schutzstoff gegen diese Parasiten, der dem heimischen Zweipunkt-Marienkäfer fehlt.
Zum großen Verhängnis wird dem Zweipunkt-Krabbler letztlich sein Appetit: Wenn er die Larven seines asiatischen Artverwandten frisst, infiziert er sich und stirbt. Verstärkt wird das Problem dadurch, dass diese gefährlichen Leckerbissen in immer größerer Zahl vorhanden sind. Denn im Gegensatz zu den heimischen Arten legt der Asiatische Marienkäfer nicht nur einmal im Jahr Eier, aus denen seine Larven schlüpfen. „Er produziert mehr als eine Generation pro Jahr und hat deutlich mehr Nachkommen pro Saison“, erklärt Sandra Krengel vom JuliusKühn Institut (JKI) in Kleinmachnow.
Wenn der heimische Käfer mit den zwei Punkten keine Abwehr gegen die todbringenden Parasiten entwickeln kann, dürfte er aus Deutschland bald verschwunden sein. Werner Schulze, Vorsitzender des Bundesfachausschusses Entomologie beim Naturschutzbund Deutschland (Nabu), stellt ernüchtert fest: „Den Zweipunkt hat es wirklich hart getroffen. Derzeit sieht es nicht danach aus, dass sich sein Bestand erholt.“
Auch für Käferliebhaber Jens Esser sind das traurige Aussichten. Er muss tief ins Gehölz steigen, um den kleinen Marienkäfer überhaupt noch einzufangen. Doch wie lange das noch gelingt, ist fraglich.