Hinter den schwarzen Bergen
Montenegro liegt zwar am Meer, beeindruckt aber vor allem durch seine spektakuläre Gebirgslandschaft
Wer auf der Adria per Schiff Montenegro ansteuert, versteht, weshalb Seefahrer dem kleinen Land zwischen Kroatien und Albanien einst diesen Namen gegeben haben. Denn gleich hinter dem knapp 300 Kilometer langen Küstenstreifen erheben sich Berge bis zu 2500 Meter hoch. Bewaldet sind die Dinariden hier fast bis zum Gipfel – und nicht wie im Schwarzwald mit dunklen Tannen und Fichten, sondern dank dem hier herrschenden Klima überwiegend mit Laubbäumen, die im Frühling frisches Grün austreiben. Und trotzdem: Von der Ferne betrachtet scheint der Gebirgszug tatsächlich aus schwarzen Bergen zu bestehen, die kontrastreich den Hintergrund zum türkisblauen Meer geben.
Sandstrände und Nationalparks
Man mag über Andri, den Reiseleiter, schmunzeln. So stolz ist er auf seine Heimat, dass er gerne und oft den Superlativ bemüht. Doch je länger der Reisende in Montenegro weilt, desto mehr ist er positiv überrascht und geneigt, Andri zuzustimmen. Tatsächlich ist der Skutarisee nahe der Hauptstadt Podgorica der größte See des Balkans und einer der letzten großen europäischen Lebensräume für Pelikane. Und auch die fünf Nationalparks, die zum Land gehören, scheinen rekordverdächtig. Ist Montenegro flächenmäßig doch nicht größer als Schleswig-Holstein oder Israel. „Die tiefste und engste Schlucht, das weitläufigste Weinanbaugebiet, die längste Stadtmauer, der größte adriatische Naturhafen, die vielseitigste Küste ...“Andris Lust auf Superlative ist nicht zu bremsen. Letztendlich spielt das aber alles keine Rolle. Auch ohne Spitzenwerte und Rekorde beeindruckt Montenegro: mit seinen Menschen, seiner Vielschichtigkeit, seiner Geschichte, mit seiner Entwicklung von einem der ärmsten Staaten Europas zu einem attraktiven, teilweise sogar exklusiven Urlaubsland, vor allem aber mit seiner Natur.
Die meisten Touristen, die bis jetzt noch hauptsächlich aus den Nachbarländern und Russland kommen, sehen davon aber nur den kleinsten, wenn auch nicht den schlechtesten Teil: die Küstenregion. Die 117 Strände sind oft sandig und liegen meist in malerischen Buchten, die Orte am Meer besitzen allesamt Charme und nur wenig Bausünden. Auch vom sozialistischen Erbe in Form unschöner Plattenbauten ist hier, anders als in den größeren Ortschaften landeinwärts, kaum etwas stehen geblieben. Die montenegrinische Küstenlinie scheint die Fortsetzung der kroatischen zu sein. Budva, Tivat, Perast oder Ulcinj punkten mit alten Stadtkernen, gepflegten Strandpromenaden, noblen Yachthäfen und hippen Bars. Kotor besitzt sogar die Unesco-Auszeichnung als Weltkulturerbe und scheint die kleinere Ausgabe von Dubrovnik zu sein. Und obwohl der Tourismus in Montenegro boomt, ausländische Investoren anlockt und längst die Haupteinnahmequelle des Landes darstellt, liegen die Preise für Kost und Logis (noch) deutlich unter denen des Nachbarlandes Kroatiens. Apropos Geld: Montenegro führte nach seiner Distanzierung von Serbien die D-Mark ein, und hat heute somit logischerweise den Euro, obwohl das Land nicht zur EU zählt.
Einsame Bergregionen
Deutlich niedriger als in Kroatien ist auch die Zahl derer, die um die besten Plätze am Strand konkurrieren oder sich durch die engen Gassen der alten Piratenstädtchen schieben. Noch einsamer wird es im Landesinneren. Ins Hinterland zu reisen, bedeutet zuerst einmal, die steil aufragenden Berge zu überwinden. Auf überraschend guten Straßen führen Serpentinen direkt hinein ins große Karstgebiet mit seinen Schluchten, Felsen, Seen und Tälern. Gefühlte 90 Prozent der Landesfläche sind mit hohen Bergen bedeckt. Spektakuläre Landschaften machen Lust auf Laufen. Mittlerweile gibt es zumindest in den Nationalparks gut angelegte und ausgeschilderte Wanderwege sowie Übernachtungsmöglichkeiten, sodass sogar Mehrtagestouren durch die montenegrinische Bergwelt möglich sind. Bären, Wildschweine, Steinböcke oder Falken, die hier leben, wird man dabei nur selten zu Gesicht bekommen, genauso wenig andere ausländische Touristen. Denn wenn jemand die wilde Bergregion aufsucht, sind es vor allem Einheimische aus den Städten, die hier ihre hübschen Wochenendhäuschen haben und zur Sommerfrische oder zum Skilaufen – in Montenegro gibt es mehrere kleine Skigebiete – in die Berge fahren.
Etwas größer ist der Andrang bei der Tara-Schlucht. Wobei es auch hier vermessen wäre, von Massentourismus zu sprechen. Dabei ist Rafting auf Montenegros längstem Fluss der Höhepunkt fast jeder Exkursion in das montenegrinische Hinterland. Beim Blick hinunter auf die Tara, die in 1300 Metern Tiefe vorbeirauscht, ruft Andri noch mal in Erinnerung: „Diese Schlucht ist nach dem Grand Canyon der tiefste Gebirgseinschnitt der Welt!“Nicht minder beeindruckend ist die Moraça-Schlucht nahe Podgorica, die laut Andri vor allem bei Kletterern Weltruf genießt.
Tiefe Frömmigkeit
Auf dem Rückweg zur Küste liegt das Ostrog-Kloster, das dem Heiligen Vasilje gewidmet, „weltberühmt und eines der wichtigsten orthodoxen Heiligtümer Südeuropas“ist. Die Anzahl der Menschen, die an diesem regnerischen Tag den steilen Weg zum Kloster langsam und teilweise barfuß hinaufgehen, scheinen Andris Aussage zu bestätigen. Obwohl das Kloster mit seinen Kirchen und Kapellen allein durch seine Lage in einer Höhe von 900 Metern direkt in den Fels gebaut eine absolute Sehenswürdigkeit ist, sind hier vor allem Pilger unterwegs. Der Tourist kommt sich angesichts dieser tiefen Frömmigkeit eher fehl am Platze vor, hält sich lieber im Hintergrund, will die Betenden nicht stören und lässt sich von der starken Religiosität, die dieser Ort und seine Menschen ausstrahlen, anstecken. Plötzlich wird es zu einem großen Bedürfnis, sich selbst in die Schlange zu stellen, um eine geweihte Kerze zu erstehen, sie in der Kapelle zu entzünden, für die Liebsten ein kurzes Bittgebet gen Himmel zu schicken und für eine unfallfreie Fahrt über die Serpentinen zurück an die Küste und in die Leichtigkeit des Strandlebens zu beten. Die Fluglinie Wizz Air fliegt immer donnerstags und sonntags vom
aus in eineinhalb Stunden in die montenegrinische Hauptstadt Podgorica (www.wizzair.com). Zur Einreise genügt ein Reisepass. Weitere Informationen bei der Nationalen Tourismusorganisation von Montenegro in Frankfurt, Tel.: 069/24246212, E-Mail: infofrankfurt@montenegro.travel, Internet: Die Recherche wurde unterstützt vom Flughafen Memmingen, von Wizz Air und der Tourismusorganisation von Montenegro.