3500 Islamisten im Südwesten
Anschlagsrisiko laut Innenminister Strobl gestiegen
(tja) - Die Gefahr eines islamistischen Terroranschlags in Baden-Württemberg bleibt hoch. Das sagte Innenminister Thomas Strobl (CDU) am Donnerstag in Stuttgart. „Die Sicherheitslage hat sich weiter verschärft“, so Strobl angesichts der jüngsten Anschläge bei der Vorstellung des Verfassungsschutzberichts für das Jahr 2016. Demnach ist die Zahl der Islamisten im Land um 160 auf nun 3500 gestiegen. Davon gelten 120 als gewaltbereit, das sind ebenso viele wie noch ein Jahr zuvor. Zunehmend Sorgen bereitet den Behörden Anhänger der so genannten Reichsbürger-Bewegung. Derzeit sind 1500 von ihnen namentlich bekannt. „Die Gewaltbereitschaft in dieser Szene steigt“, sagte Beate Bube, die Präsidentin des Landesamtes für Verfassungsschutz. Ihnen will Strobl ebenso wie Mitgliedern der rechtsextremen NPD Waffenscheine entziehen. Entsprechende Prüfungen laufen.
- Mehr Islamisten, gewaltbereite Reichsbürger und gezielte Falschmeldungen via Internet: Mit solchen Entwicklungen hat sich das Landesamt für Verfassungsschutz im Jahr 2016 beschäftigt Am Donnerstag stellten die Präsidentin Beate Bube und Innenminister Thomas Strobl (CDU) den Tätigkeitsbericht des Amtes vor. Die wichtigsten Punkte im Überblick.
Mehr Islamisten
In Baden-Württemberg beobachten die Verfassungsschützer 3500 Islamisten, das sind 160 mehr als noch 2015. Als besonders gefährlich gelten darunter 620 Anhänger des Salafismus. Sie treten für einen Gottesstaat ein, dem sich ihrer Meinung nach alle unterzuordnen hätten. In ganz Deutschland zählen die Nachrichtendienste etwa 10 000 Salafisten. Als gewaltbereit schätzen die Beamten im Land 120 Islamisten ein. Gefahr geht nach diesen Erkenntnissen zum einen von Radikalen aus, die der sogenannte „Islamische Staat“(IS) als Flüchtlinge getarnt ins Land schleust. Ebenso würden aber bereits in Deutschland lebende Menschen durch das Internet oder andere Einflüsse radikalisiert.
Rund 50 Menschen reisten aus Baden-Württemberg in Kampfgebiete in Syrien oder dem Irak aus. Davon sind die meisten jünger als 30 Jahre, ein Drittel sind Frauen. Etwa ein Dutzend ist nach Erkenntnissen der Verfassungsschützer im Ausland gestorben. Von den übrigen wissen die Behörden sehr oft nicht, was aus ihnen geworden ist. Rund ein Drittel kehrt nach Deutschland zurück. Jene, die für den IS gekämpft hätten, seien oft gefährlich, betonte Strobl. „Sie sind ans Töten gewöhnt und extrem radikalisiert“, sagte der Innenminister. Er plädiert deswegen für Gesetzesänderungen: Jedem, der sich dem IS anschließt, solle die deutsche Staatsbürgerschaft entzogen werden – wenn er daneben eine zweite Nationalität hat. Dann könne man mehr Rückkehrern als bisher die Einreise nach Deutschland verweigern. Einem entsprechenden Antrag Bayerns im Bundesrat will die grünschwarze Landesregierung am Freitag zustimmen. Er hat aber wegen des Widerstands aus anderen Ländern keine Chance auf Umsetzung.
Reichsbürger gewaltbereiter
Seit Ende des Jahres 2016 beobachten die Verfassungsschützer in ganz Deutschland Anhänger der Reichsbürger. Anlass waren die tödlichen Schüsse eines Reichsbürgers auf eine Polizisten in Bayern. „Wir beobachten eine zunehmende Gewaltbereitschaft in dieser Szene, vor allem gegenüber Vertretern von Behörden“, sagte Bube. Ihre Fachleute schätzen, dass es im Land rund 2000 dieser Menschen gibt, die die Bundesrepublik Deutschland ablehnen und sich ihren Gesetzen widersetzen. Namentlich bekannt sind 1500, genaue Erhebungen laufen.
Seit Januar überprüfen die Waffenbehörden der Landkreise, ob Reichsbürger Waffenscheine haben und entziehen diese. Seit Mitte Mai geschieht das auch bei Mitgliedern der rechtsextremen NPD. Sukzessive gleicht der Verfassungsschutz Namen bekannter Extremisten mit den Daten der Waffenbehörden ab. Bei einer ähnlichen Überprüfung von Rechtsextremisten nach den NSUAttentaten waren allerdings nur wenige Waffenscheine entzogen worden. „Das lag nicht in meiner Verantwortung, jetzt gilt: keine Waffen für Extremisten“, sagte Strobl.
Rechts- und Linksextremisten
Die Zahl der Rechtsextremisten ist um rund 100 auf 1700 gesunken. Davon sind 790 gewaltbereit. Im langjährigen Vergleich hoch bleibt die Zahl der Gewalttaten dieser Gruppe, im Jahresvergleich sank sie aber deutlich von 71 auf 44. Schwerpunkt rechtsextremer Propaganda war die Hetze gegen Flüchtlinge. Die Zahl der Linksextremisten, die zu Gewalttaten bereits sind, ist um 40 auf 820 gestiegen. Dagegen sank die Zahl der linksextremistisch motivierten Gewaltdelikte von 135 auf 99. Bei der Hälfte waren Polizisten die Opfer. Die Linksextremen richten ihre Aktionen vor allem gegen die AfD.
Fake News und Cyberattacken
Im Jahr der Bundestagswahl bereiten gezielt verbreitete Falschmeldungen, also „Fake News“, den Verfassungsschützern Sorgen. Schon 2016 beobachteten sie hier einen Anstieg. Im Januar 2016 gab es einen bundesweit beachteten Fall. Damals verbreiteten russische Medien fälschlicherweise, eine Russlanddeutsche sei von Flüchtlingen vergewaltigt worden. .„Ziel dieser Desinformationskampagnen mit mutmaßlich russischem Hintergrund ist ganz klar eine Destabilisierung der Gesellschaft“, sagte Bube. Es gebe auch immer mehr Cyberattacken, die wohl aus Russland gesteuert würden.