Pasta-Praktikanten bei la mamma
In vielen italienischen Städten geben Einheimische Kochkurse für Urlauber, auch in Bologna
Man nehme: Eine resolute Köchin, die plüschige Wohnung ihrer Mutter, zwei Eier und einen Mehlhaufen – schon geht’s los. Mehl und Eier zu Teig vermantschen und dann kneten, walken, rollen – minutenlang. Diese Teig-Massage muss Köchin Luisa Mambelli erst mal in Gang bringen, zu Beginn ihres Kurses. Dann bleibt genügend Zeit für die Vorstellungsrunde (fünf Teilnehmer aus Deutschland) und die Menüfolge (Tortellone, gefolgt von Tagliatelle). Die 57-Jährige beobachtet ihre Pasta-Praktikanten durch eine große Brille, die ihre Augen lupenartig vergrößert. „Va bene!“und „brava“ruft sie lobend über den Tisch im kleinen Esszimmer oder korrigierend schon mal „troppo“, wenn Rolf aus Kassel zu viel Mehl genommen hat. Lässig mit Espressotasse in ihrer Coachingzone stehend, knetet Luisa ihren Teigklumpen einhändig zu einer gleichmäßigen, elastischen Masse, während die deutschen Lehrlinge ungelenk faustgroße, lehmige Klopse fabrizieren.
Wildes Sprachengewirr
Aber genau darum sind sie ja hier, um zu lernen, wie’s richtig geht. „Homefood“heißt die Kochschule, was ein wenig nach Essen auf Rädern klingt, aber eine der schönsten Gelegenheiten ist, für ein paar Stunden tief in italienische Familien, ihre Wohnungen, Geschichten und Kochkünsten einzutauchen. Kochkurse bei la mamma gibt es in ganz Italien, organisiert von sogenannten Cesarinen. So hießen früher die allgewaltigen Hauswirtschafterinnen mit unzähligen Aufgaben von Kinder bis Küche. Luisa ist zwar Verlagskauffrau, hätte aber vor 100 Jahren eine propere Cesarine abgegeben. Schon allein, weil sie ihren Kochkurs sehr pragmatisch aufzieht – beginnend mit dem Ort, der großzügigen Wohnung ihrer Mutter – damit diese Gesellschaft und Luisas Mann zu Hause seine Ruhe haben. Seit zwölf Jahren nun schon kommen Amerikaner, Japaner, Deutsche, Niederländer, Spanier zu ihr in den grünen, hügeligen Vorort Bolognas – der Stadt mit dem Beinamen „Italiens Bauch“, weil es hier so unendlich viel Pasta, Schinken, Käse und Fisch in den kleinen Läden rund um die Piazza Maggiore gibt. Die Verständigung im Kochkurs? Eine Prise Küchen-Englisch spricht Luisa, der Rest klappt mit Händen und Füßen, international geläufigen Italienisch-Brocken und gelegentlich per Finger in Mehlstaub geschriebenen Mengenangaben.
Jeder ritzt nun nach Ansage ein Kreuz in seinen Teigklumpen. „Hab ich von meiner Oma gelernt“, sagt Luisa. „So haben die Leute in schlechten Zeiten dafür gedankt, dass sie zu essen hatten.“Während der Teig zehn Minuten luftdicht abgeschlossen unter einer Schüssel ruht, lernen die Praktikanten fix den Unterschied zwischen Tortellini (klein, mit Fleischfüllung) und Tortellone (größer, mit Käse drin). Für letztere rühren wir nun nebenan in der Küche Spinat, Ricotta und Parmesan zusammen, dirigiert von Luisa, die dabei ein Freejazz-Konzert gibt aus zuklappenden Schubladen, auf Tellerränder niedersausende Löffel und in Schüsseln mixenden Gabeln. „Eigentlich viel zu schade als Pasta-Füllung“, raunt Uta aus Köln und nascht einen Zeigefinger voll davon, bevor auch sie schon wieder rüber ins Esszimmer muss, Hand anlegen ans Matterello, einem etwa einen Meter breiten Nudelholz. Damit sollen die Teigklumpen nun in eine ebene, hauchdünne Teigplatte verwandelt werden. Was vereinzelt gelingt, vielfach aber nach wenig erfolgreichen Nudelholz-Walzfahrten aussieht. Doch Luisa hilft gütig mit Mehlpflastern, flickt und bügelt die Teigfetzen so lange, bis sie sich überall wie Haut ums Matterello legen und bei sachter Drehung „flap-flap“auf dem Tisch machen – genau so soll’s sein.
Zeit für einen Plausch
Die Arbeitsgänge im Kochkurs passieren mit so viel Tempo, dass sicher ist: Gegen halb eins wird das Essen auf dem Tisch stehen. Trotzdem ist zwischendurch genügend Zeit für einen Plausch. Zum Beispiel über die Stiche mit alten Landkarten von Neapel, Sizilien und Bologna, die im Esszimmer von Luisas Mutter an der Wand hängen. „Stationen der Familie, da haben wir überall gelebt“, erklärt Luisa und ihre 85-jährige Mutter erzählt mit Blick auf ein klingelndes Handy, sie erinnere sich noch genau, wie sie im sizilianischen Catania – so etwa 1949 – das erste FestnetzTelefonat ihres Lebens geführt habe. So taucht man beim Kochen ganz nebenbei ein in etwas italienische Familiengeschichte und erfährt, dass Luisa immer sonntags ihrer Oma beim Kochen zugeschaut, das so gespeicherte Wissen aber erst als erwachsene Frau so richtig abgerufen und zu ihrem Hobby gemacht hat.
Jetzt wird’s geometrisch: Wir teilen den Teig mit einer welligen Spezialrolle in viele Quadrate, um anschließend jedes einzelne mit einem Klacks Spinat-Ricotta-Masse zu füllen, zum Dreieck zu schließen und um den Zeigefinger zu legen. Der Bauchnabel der römischen Göttin Venus soll Vorbild gewesen sein bei der Erfindung dieser TortelloneForm. Jetzt aus dem Teigrest noch rasch Tagliatelle schneiden, also lange, etwa einen Zentimeter breite Streifen. Erleichterung macht sich breit auf einigen Gesichtern: „Das kann ja nicht so schwer sein“, ist da abzulesen. Nein, keineswegs, aber Grundschulnote zwei in Handarbeiten ist schon von Vorteil, denn Luisa lässt uns die akkurat geschnittenen Nudeln nun zu formschönen PastaNestern zusammendrehen. Soll ja schließlich nett aussehen, gleich auf dem Teller. Das Ragu, die Soße zu den Tagliatelle, hat Luisa schon vorbereitet.
Ihre Mutter verwandelt den eben noch mehlverstaubten Esstisch in eine gediegene Tafel, und im Nu genießt der Kurs seine beiden PastaGänge – sichtlich stolz. Rolf fragt Luisa nach dem nächsten Kurs, worauf sie die 16 Belgier erwähnt, die morgen kommen, was zu einem tiefen Seufzer ihrer Mutter führt. Sie weist ihre Tochter darauf hin, dass ja einen Tag später die ganze Sippe bei ihr einfalle, also Luisas zwei Brüder und ihre Schwester jeweils mit Familie. Bei dem von Luisa spendierten Nocino-Walnusslikör hören wir schmunzelnd noch ein bisschen zu, wer in diesem Clan mit wem überkreuz liegt und verabschieden uns dann mit einem eisernen Schwur: zu Hause nie wieder Tiefkühl-Pasta essen!
ANZEIGEN zu Bologna gibt es bei Bologna Welcome, Internet:
Informationen zu den Kochkursen in Italien unter Ein Kurs mit Essen kostet pro Person. Die Recherche wurde unterstützt von Emilia Romagna Turismo.