Nitrat stellt Wasserversorger vor Probleme
Naturschützer wünschen härtere Maßnahmen, Landwirte und Politiker beschwören Erfolge
- Laut einer Studie des Umweltbundesamts sind deutschlandweit die Nitratwerte in einem Viertel der Grundwasservorkommen zu hoch. Baden-Württemberg ist zwar längst nicht so stark betroffen wie andere Bundesländer. Doch auch hier gibt es mancherorts bereits Vorbereitungen zur Reinigung des Wassers. Das könnte die Verbraucher vor Ort teuer zu stehen kommen.
„Die Entwicklung bei uns ist seit Jahrzehnten stetig positiv“, erklärt ein Sprecher des grün-geführten Umweltministeriums. Das bestätigen die jüngsten Zahlen von der Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz vom vergangenen November. Im Jahresbericht für 2015 heißt es, dass die mittlere Nitratkonzentration weiter um 0,6 Milligramm pro Liter gesunken ist. Seit Beginn der Datenreihe im Jahr 1994 ging die Belastung im Land insgesamt um 22 Prozent zurück. Dennoch gibt es sechs Regionen im Land, in denen der Grenzwert von 50 Milligramm pro Liter überschritten wird – Oberschwaben ist eine davon.
Die Nitratwerte sind dort erhöht, wo Flächen intensiv landwirtschaftlich genutzt werden – im Kreis Biberach wegen der auf den Feldern ausgebrachten Gülle aus der Viehhaltung. Das stellt die Wasserversorger vor Probleme. „Ich beschäftige mich seit Jahren mit dem Thema“, sagt Peter Schönherr vom Biberacher Wasserversorger Ewariss. Im Kernbereich seines Unternehmens liegen die Nitratwerte zwar unter dem Grenzwert. Doch betreue Ewariss einige andere Wasserversorger im südlichen Landkreis, die bis zu 70 Milligramm Nitrat pro Liter Wasser haben. Diese Versorger haben weitere Brunnen bohren müssen, um mit dem daraus geförderten Tiefenwasser das stark belastete zu verdünnen.
Biberach prüft Filterung
Laut Schönherr spielt die Ewariss zudem mit dem Gedanken, das Wasser zu filtern. „Wir haben das technisch durchgespielt.“Dadurch könnte nicht nur Nitrat, sondern auch andere unerwünschte Stoffe aus dem Wasser gezogen werden – etwa Calciumionen, die das Wasser hart machen. Aber: „Die Investition liegt im Millionenbereich“, zudem entstünden Folgekosten. Für den Verbraucher bedeutete dies Mehrkosten von 30 bis 60 Cent pro Kubikmeter Wasser, schätzt er. Derzeit liegen die Kosten bei 2,03 Euro pro Kubikmeter.
Statt teurer Aufbereitung wünscht sich Schönherr eine schärfere Kontrolle der Landwirte. Er plädiert dafür, dass sie ihre Gülle auf den Feldern besser dosieren. Sein Vorschlag: Die Wasserversorger könnten sich selbst um die Kontrolle kümmern. Bisher zahlen sie den sogenannten Wasserpfennig ans Land für die Entnahme von Grundwasser – für die Ewariss sind das rund 200 000 Euro im Jahr.
Das Geld soll auch für Projekte verwendet werden, die den Nitratwert senken. „Aber die Werte sinken nicht, sondern bleiben mit 37 bis 40 Milligramm auf einem konstant hohen Niveau“, so Schönherr. Ideal wäre wenn die Bauern nur soviel Gülle ausbrächten, wie die Pflanzen benötigten. „In der Regel wird aber überdüngt.“Das bestätigt auch Gottfried May-Stürmer, Agrar-Referent vom Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND). Er plädiert dafür, die Nitratüberschüsse stärker zu begrenzen. „Zehn bis 20 Kilo Nitratüberschuss pro Hektar wäre ein Grundwert, mit dem man die Wasserqualität deutlich verbessern könnte“, sagt er. Laut dem aktuellsten Nitratbericht des Bundesumweltministeriums lag der Nitratüberschuss 2014 in Baden-Württemberg bei 56 Kilogramm pro Hektar, in Bayern bei 69 Kilogramm und damit auf Platz vier im Ländervergleich.
Bayerns Bauernpräsident Walter Heidl hat die Studie des Umweltbundesamts scharf kritisiert. Dank Wasserschutzmaßnahmen des Landes seien in mehr als 96 Prozent die Wasserproben im Freistaat unter dem Grenzwert geblieben. Er nennt es deshalb eine Unverschämtheit, dass das Umweltbundesamt „die Bäuerinnen und Bauern an den Pranger stellt“.
Ähnlich äußert sich Anette Herbster vom Landesbauernverband Baden-Württemberg. Die jahrelangen Programme zum Wasserschutz hätten Wirkung gezeigt. „Der Rückgang wurde in der Studie nicht erfasst.“
Auch eine Sprecherin vom badenwürttembergischen Ministerium für Ländlichen Raum nimmt die Bauern in Schutz: „Es wäre zu kurz gesprungen zu sagen: Die Landwirte düngen zu viel und der Verbraucher muss deshalb mehr zahlen.“Wo die Grenzwerte noch überschritten werden, werde nachgebessert.
Hilfreich dafür sei auch die neue Düngeverordnung, die vor wenigen Tagen in Kraft getreten ist, erklärt Herbster vom Landesbauernverband. Demnach müssen Bauern, die überdüngen, an einer Düngerberatung teilnehmen. Weitere Sanktionen, etwa für Wiederholungstäter, gibt es aber keine, erklärt May-Stürmer vom BUND. Und Betriebe unter 15 Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche sind von dieser Regelung ausgenommen.