Ungelenk(t), doch gut beschützt
Vettel gewinnt Formel-1-Grand-Prix von Ungarn, weil Räikkönen ihm das Heck freihält
(SID/dpa) - Schweißgebadet und glücklich feierte Sebastian Vettel seinen erlösenden ersten Formel-1-Sieg seit zwei Monaten. Mit defekter Lenkung hatte er sich in der Hitze von Ungarn gerade so ins Ziel geschleppt, seinen WM-Rivalen Lewis Hamilton weiter distanziert – und er wusste genau, dass er sich dafür bei seinem Bodyguard bedanken musste. „Ich schulde meinem Teamkollegen einen großen Gefallen“, sagte Vettel.
Denn Kimi Räikkönen im zweiten Ferrari hatte dem langsameren Vettel als Prellbock gedient, der Finne hielt ihm die heranrasenden Mercedes-Piloten vom Heck. Räikkönen wurde am Ende Zweiter, Valtteri Bottas landete noch vor Mercedes-Mitstreiter Hamilton auf Rang drei. Das war das Ergebnis eines bemerkenswerten Finales: Hamilton hatte zunächst den dritten Rang per Teamorder erhalten, um den langsameren Vettel zu jagen. Da er aber nicht einmal an Räikkönen vorbeikam, gab der Engländer die Position auf der Zielgeraden wieder an Bottas zurück. Für Vettel reichte es trotz aller Widrigkeiten – und dank Räikkönen – im 51. Grand Prix für Ferrari zum siebten Sieg. In der WMWertung führt der Heppenheimer vor der Sommerpause mit 202 Zählern wieder etwas deutlicher vor Hamilton (188).
„Ich bin auf Wolke sieben“, sagte Vettel später, „es war so schwierig heute, irgendwas lief falsch, die Lenkung war verzogen. Ich musste mich unheimlich konzentrieren, meine Lenkbewegungen die ganze Zeit anpassen und konnte keine Runde durchatmen. Das Rennen schien kein Ende zu nehmen.“Hamilton hatte gemischte Gefühle nach seinem fairen Manöver in der letzten Runde. „Es ist hart für die Meisterschaft. Aber ich bin ein Mann, der zu seinem Wort steht“, sagte er. Und: „Wir haben das Beste daraus gemacht.“
Erster Startplatz Vettels Vorteil
Nico Hülkenberg (Emmerich) schied im Renault kurz vor Schluss mit Getriebeproblemen aus, der Worndorfer Sauber-Pilot Pascal Wehrlein holte den 15. Platz. Vettel indes nötigte – nach dem aufreibenden Rennverlauf mit Happy End – selbst der viel zitierte Ungarn-Fluch nur ein müdes Lächeln ab: Seit 2005 ist kein Hungaroring-Sieger mehr Weltmeister geworden, Vettel, momentan 14 Punkte vor Hamilton, will das ändern. Mit dem Großen Preis von Belgien in Spa (27. August) startet die Formel 1 in vier Wochen in die restlichen neun Saisonrennen.
Dann dürfte Mercedes stark zurückkommen. Vor den Toren Budapests hatten die Silbernen aber im Qualifying Probleme mit fehlendem Grip. Vettel konnte sich souverän den ersten Startplatz sichern, im Rennen der entscheidende Vorteil. Hamilton wird in Belgien erneut versuchen, einen der wichtigsten Formel-1-Rekorde einzustellen: Die nächste Pole des Engländers ist die 68. seiner Karriere, damit würde er mit Michael Schumacher gleichziehen – ausgerechnet in dessen „Wohnzimmer“in Spa hat der Brite die große Chance dazu.
Auf dem Hungaroring hatte Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff vor dem Rennen angesichts der komplett roten ersten Startreihe eigentlich „nur Schadensbegrenzung“von seinen Piloten erwartet. Doch durch Vettels Technikprobleme wurde das Rennen zum Krimi. Am Start kamen beide Ferrari-Piloten gut weg und hielten ihre Führung. Vettel lag damit zunächst souverän an der Spitze, doch noch in der ersten Rennhälfte wurde es auch für ihn kompliziert: Sein Lenkrad hing nach links, Vettel („Man will geradeaus fahren, aber es lenkt nicht gerade“) musste durchgehend ausgleichen. Möglicherweise war auch dies der Auslöser des nächsten Problems: „Meine Vorderreifen sind nicht in einem guten Zustand“, funkte Vettel an die Box, er schlich an der Spitze des Feldes geradezu.
Auch dank der zeitlichen Abfolge der Boxenstopps bei Ferrari blieb Vettel dennoch vor seinem Teamkollegen Räikkönen, der festhing und sich darüber beim Kommandostand beschwerte. „Ihr setzt mich grundlos unter großen Druck von den Mercedes“, schimpfte der Finne – denn im Rückspiegel wurden die Silberpfeile immer größer. Wenig später musste Bottas den deutlich schnelleren Hamilton auf Anweisung der MercedesBox vorbeilassen, und der Engländer nahm die Verfolgung der Roten auf. Schon bald saß er Räikkönen im Nacken, fand auf dem engen Kurs aber keine Ansatzpunkte mehr zum Überholen – und zeigte dann auf der Zielgeraden Größe.