Zeit gewonnen – mehr nicht
Die Autohersteller kommen mit einem blauen Auge davon. Bund und Länder geben sich erst einmal mit einem freiwilligen Software-Update bei fünf Millionen Diesel-Fahrzeugen zufrieden. Die Ökonomie hat gegen die Ökologie und gegen den politischen Gestaltungswillen gesiegt. Die Beteiligten verkünden nicht weniger als die Quadratur des Kreises, die bekanntlich nicht gelingen kann. Die Autos sollen sauberer werden, ohne dass deren Motoren mehr verbrauchen oder weniger Leistung bringen. Bis zu 30 Prozent weniger Stickoxid sollen diese optimierten Abgasreinigungen ausstoßen. Der schon tot geglaubte Diesel lebt weiter. Erst einmal. Denn in den Vereinbarungen stecken viele Hoffnungswerte.
Ein großes Fragezeichen steht hinter der Wirksamkeit des Software-Updates. Es ist keineswegs erwiesen, dass dadurch tatsächlich Abgase eingespart werden. Eine Überprüfung durch das Kraftfahrt-Bundesamt steht noch aus. Der zweite Hoffnungswert besteht darin, dass Gerichte die freiwillige Rückrufaktion als ausreichend anerkennen und gegen Fahrverbote entscheiden. Auch müssen genügend Autofahrer dem Ruf in die Werkstatt folgen – sonst verpufft der Umwelteffekt. Die ausländischen Produzenten spielen ohnehin nicht mit. Deren Dreckschleudern bleiben schmutzig. Dass sich dennoch alle beteiligten Politiker zufrieden zeigen, hat eher mit dem anstehenden Wahlkampf zu tun. Und die Industrie wird von ihrem Fehlverhalten vermutlich sogar noch profitieren, weil alte Diesel schnell durch neue ersetzt werden sollen. Das Zusammenspiel von Regierung und Branche hat funktioniert – trotz mancher scharfer Worte.
Mehr als Zeit haben Bund und Länder nicht gewonnen. Denn wenn das Update nicht schnell die versprochene Wirkung bringt, geht die Debatte von vorne los. Die nächste Bundesregierung sollte sich schnell Gedanken über eine gesellschaftlich wie wirtschaftlich vertretbare Verkehrspolitik machen und ein Konzept erarbeiten, das nicht nur die volkswirtschaftlichen Interessen im Blick hat, sondern auch das Wohl ihrer Bürger.