Das Zauberwort heißt „Vernetzung“
Peter Högerle hat ein regionales Gesundheitskonzept erstellt, um dem Ärztemangel entgegenzuwirken
- Das Durchschnittsalter der im Gmünder Raum tätigen Hausärzte und die mangelnde Bereitschaft junger Ärzte, eine Praxis im ländlichen Raum zu übernehmen, geben Anlass zur Sorge. Der ehemalige Böbinger Hausarzt Peter Högerle legte im Kreistag sein Modell „GesundRegio Ostalb“vor.
Mit der wohnortnahen medizinischen Versorgung befasste sich Högerle schon zu einer Zeit, als kaum jemand dafür ein Problembewusstsein hatte. So hat er als niedergelassener Arzt viele Jahre für das „Modell Rosenstein“gekämpft, um Menschen die Möglichkeit zu geben, in ihrem Heimatort zu bleiben, wenn sie in ein Pflegeheim müssen. Weil es aufgrund der demografischen Entwicklung in Zukunft gar nicht möglich sein wird, für alle Pflegebedürftigen einen Platz im Heim zur Verfügung zu stellen, entwickelt der langjährige Hausarzt seit Jahren mit seinem BELISA-Verein Möglichkeiten, wie man die ambulante Pflege zu Hause beziehungsweise das Wohnen im eigenen Haus auch im hohen Alter besser organisieren kann.
Dabei ist es eine Stärke des Böbingers, dass er nicht nur Visionen hat, sondern sehr viel praktische Erfahrung mitbringt. Deshalb sind Högerles Zukunftsperspektiven keine Utopien, sondern praktikable Entwürfe. Trotzdem, so räumt er ein, müsse man in der Regel lange auf Granit beißen, um etwas zu bewirken. „Man muss dabei das Glück haben, auf Menschen zu treffen, die ähnlich denken!“Und man brauche dazu in den entscheidenden Gremien Mehrheiten, macht der Arzt deutlich. Obwohl es ihm keineswegs an Beschäftigung fehlte, ließ er sich in den Gemeinderat und in den Kreistag wählen.
Wie es ist, wenn man als Landarzt die Praxis schließen muss, hat er am eigenen Leib erfahren. „Gerne hätte ich in Teilzeit noch gemeinsam mit einem Nachfolger meine langjährigen Patienten weiterhin betreut“, bedauert er. Das Stethoskop hat er dennoch nicht ganz an den Nagel gehängt, sondern kümmert sich um die Gesundheit der Menschen in der Landeserstaufnahmestelle (LEA) in Ellwangen.
„Nebenbei“hat der Mediziner zwei Jahre intensiv am – auf 50 Seiten komprimierten – Konzept „GesundRegio Ostalb“gearbeitet. Darin analysiert er wissenschaftlich den Status Quo und erläutert die Konsequenzen, die sich daraus ergeben. Es geht darin vor allem um Landgemeinden. Das Problem dort:Als „Einzelkämpfer“in einer klassischen Praxis müssten junge Ärzte bereit sein, sehr viele Stunden pro Woche zu arbeiten und viel Verwaltungsarbeit zu erledigen. „Dass dies zu Lasten des Familienlebens und der Freizeitgestaltung geht, liegt auf der Hand“, beschreibt Högerle, warum immer mehr junge Mediziner lieber als Angestellte einer Klinik arbeiten – mit geregelten Arbeits- und Urlaubszeiten. „In meiner Generation war es ja am Anfang noch üblich, dass man 365 Tage im Jahr abrufbereit war. Wir haben doch früher auch noch die notärztliche Erstversorgung vor Ort sichergestellt!“
Das sei heute nicht mehr zeitgemäß. „Wir müssen deshalb eine Struktur schaffen, damit die jungen Ärzte ihren Beruf auch im ländlichen Raum unter akzeptablen Bedingungen und mit Freude ausüben können!“Dazu gehört nach Högerles Ansicht in erster Linie die Erleichterung der Arbeit durch eine Vernetzung der Ärzte untereinander. „Man kann sehr wohl eine dezentrale und eine zentrale Versorgung durch die richtige Organisation kombinieren. Auch die Einbindung von selbstständigen Praxen in einen Kooperationsverbund sei möglich. Ärztehäuser und Gemeinschaftspraxen seien bei weitem nicht das einzig denkbare Modell. „In mancher Hinsicht müssen wir aber das Rad eben doch neu erfinden.“
„Konstruktive Vorschläge sind immer willkommen“
Dass auch die Bezahlung eine Rolle spielt, will Peter Högerle gar nicht verhehlen. „Es ist leider eine Tatsache, dass Ärzte, die mit ihren Patienten sprechen, schlechter honoriert werden als Kollegen, die mit hoch entwickelter medizinischer Technik arbeiten.“Gerade aus diesem Grund sei es wichtig, durch regionale Kooperationen die Arbeit des Landarztes rationeller zu machen. Dass man mit solchen Entwürfen auch in der Ärzteschaft einer „Armee von Bedenkenträgern“gegenübersteht, macht die Sache laut Högerle nicht leichter. Erst mit dem öffentlichen Druck, der durch einen in der Bevölkerung spürbaren Ärztemangel entsteht, wachse die Bereitschaft zur Veränderung. Nicht von ungefähr hat sich der einstige Sprecher der Kreisärzteschaft dazu entschlossen, nun den politischen Weg zu beschreiten. Er macht aber deutlich, dass er nicht von sich behaupte, allwissend zu sein. „Konstruktive Vorschläge sind immer willkommen.“