Allein eine Prise Pfeffer fehlt
Unter den Kleinwagen sticht der Kia Picanto in mehrfacher Hinsicht positiv hervor – Warten auf eine höhere Motorisierung
Es ist der Moment, der kommen musste und der auch kommen sollte: Der Testfahrer kurvt auf der Suche nach einem Parkplatz durch die enge Innenstadt, da tut sich eine Miniaturlücke auf. Kurzes Überlegen, leichtes Bauchgrummeln – und die Idee eines Einparkversuchs wird trotz der nur 3,6 Meter Länge des Kia Picanto verworfen. Nach einer erfolglosen Runde durch die Stadt passiert der Fahrer erneut die Miniaturlücke – und versucht sein Glück. Siehe da, in einer einzigen Drehbewegung flutscht der Kleine in den Spalt, als ob dieser nur für ihn geschaffen worden wäre.
Nun ist dies genau eine jener Kernanforderungen, die an einen Kleinwagen gestellt werden. Nämlich die lästige Parkplatzsuche etwas weniger lästig zu gestalten, indem sich die Zahl der infrage kommenden Flächen durch die Wagenmaße automatisch erhöht. Durch ein sehr gutes Handling in Kombination mit einer Heckkamera, deren Anschaffung sich allemal lohnt, löst der Picanto diese Aufgabe allerdings mit Bravour. Selbstredend gibt es aber noch andere Anforderungen an ein Auto, etwa die Optik.
Würzig, auch in der Optik
Große Würfe im Design gehören bei Kleinwagen eher der Vergangenheit an oder bilden die Ausnahme, man denke an den Mini oder den Fiat 500, die in ihrer Weiterentwicklung noch immer funktionieren. Die meisten Kleinwagen beschränken sich dagegen auf ihre Funktionalität, bleiben schmucklos und versuchen erst gar nicht etwas darzustellen, was sie vielleicht gar nicht sind. Andere wollen witzig rüberkommen, individuell oder auch spritzig. Zu welcher Kategorie der Kia zählt, verrät bereits der Name: Picanto, würzig.
Auffallend schon die Frontpartie mit dem Kühlergrill in typischer KiaOptik („Tigerschnauze“) und einem großen Stoßfänger, was, gepaart mit herausgestellten Scheinwerfern, dem Wagen einen wuchtigen Auftritt verleiht. Das Heck fällt fast senkrecht ab, wird aber ebenfalls durch deutlich herausgestellte Rücklichter akzentuiert. Selbstverständlich ist Optik immer auch Geschmackssache. Bei allen Sonderheiten lässt sich aber sagen, dass die Designer nicht übertrieben haben. Das Konzept wirkt am Ende schlüssig und auch harmonisch.
Die Botschaft hier, wie bei anderen Komponenten, ist eindeutig: Der Kia Picanto will unter den Kleinwagen eine gehobene und auffallende Stellung einnehmen. Dieser Eindruck setzt sich im Inneren fort, und auch hier in positiver Hinsicht.
Der Hersteller spricht selber von einem „Raumwunder“, und wundersamerweise möchte man gar nicht widersprechen. Die schmalen Ausmaße machen sich nicht bemerkbar, im Gegenteil, der Wagen wirkt innen größer, als er in Wirklichkeit ist, was unter anderem über genügend Kopffreiheit und einen längeren Radstand als beim Vorgänger erreicht wird. Aber auch durch ein geschicktes Design, wie die breite Ablagefläche über den Armaturen und die lang gezogene Frontscheibe beweisen.
Der Kia Picanto ist, wie vom Hersteller versprochen, ein „Raumwunder“. Innen wirkt der Wagen deutlich größer, als er in Wirklichkeit ist, was auch schwergewichtige Fahrer freut.
So fühlt sich selbst ein Fahrer mit einer Körpergröße von 1,90 Metern und reichlich Hüftspeck nicht beengt. In diesem Fall sollte allerdings hinten niemand Platz nehmen, weil es den schlicht nicht gibt. Dort fühlen sich allenfalls Kleinkinder in ihren Spezialsitzen noch wohl.
Das Kofferraumangebot ist mit 255 Litern zwar ganz ordentlich, allerdings erschließt es sich erst durch einen doppelten Boden nach unten hin. So macht es dann doch Mühe, schon leicht sperriges Gepäck durch die schmale Öffnung zu bugsieren.
Pluspunkte sammelt der Picanto hingegen bei Ausstattung und den verarbeiteten Materialien, die einen hochwertigen und auch eleganten Eindruck hinterlassen. Zukaufen lassen sich unter anderem eine Touchscreen-Navigation, eine kabellose Ladeschale fürs Smartphone und Sicherheitselemente wie ein Notbremsassistent mit Radarauge. Lederausstattung, beheizbare Sitze sowie beheizbares Lenkrad stehen ebenfalls im Katalog. Dann steigt der Preis allerdings schnell und deutlich auf über 15 000 Euro.
Der Picanto wird bisher nur in zwei Motorvarianten mit maximal 84 PS angeboten. Für sportliche Fahrer und auch jene, die sich nicht nur in der Innenstadt tummeln, zu wenig.
Begrenzt ist bisher das Angebot bei der Motorisierung auf zwei Benziner, einen 1.0-Liter-Dreizylinder mit 67 PS und einen Vierzylinder mit 1,2 Litern und 84 PS. Getestet wurde der Vierzylinder, der in der Innenstadt – dank gutem Handling, ausgewogenem Fahrwerk und einem Wendekreis von nur knapp zehn Metern – einen feinen Eindruck hinterlässt. An Zufahrten auf Bundesstraßen und Autobahnen oder auf anderen lang gestreckten Passagen oder an Steigungen, an denen der Fahrer kurz beschleunigen will, enttäuscht der Picanto aber etwas. Da will er nicht recht vom Fleck, da wirkt er nicht spritzig, da muss immer wieder einen Gang runtergeschaltet werden, um auf Touren zu kommen. Einmal in Fahrt, ist er aber auch eine Option für die Langstrecke.
Der Mangel wird nicht jeden Fahrer stören, mancher mag auch schon mit dem Dreizylinder glücklich werden. Alle anderen wird die Nachricht freuen, dass Kia den Picanto ab Herbst mit einem Dreizylinder als Turbo und mit 100 PS auflegen will. Da dürfte Pfeffer drin sein – bei einem Wagen, der seinem Namen schon jetzt Ehre macht.