„Wir spielen jetzt gleichberechtigt mit“
Norbert Rehm freut sich mit seiner neuen Fraktion Zugang zu allen Informationen im Rathaus zu haben
- In knapp einer Woche ist es vierzig Jahre her. Dann jährt sich Norbert Rehms Eintritt in den Aalener Gemeinderat zum vierzigsten Mal, erzählt der 65-Jährige bei einem Kaffee auf der Terrasse vor den Limesthermen. Seit dem 8. September 1977 ist er dabei. In der Kommunalpolitik sogar noch länger – da sind es bald 50 Jahre her, dass er als 16-Jähriger der Jungen Union beigetreten ist. Der Grund? Das weiß Rehm gar nicht mehr so genau. „Irgendetwas wird mir damals gestunken haben.“Und er sei nicht der, der zu allem Ja und Amen sagt. Auch wenn ihm manche sein Einmischen als Schwäche ankreiden, sagt der Betriebswirtschaftler, der selbstständig als Berater arbeitet. „Ich versuche alle Informationen aufzugreifen, zu verwerten und mir daraus meine Meinung zu bilden. Das gefällt nicht allen.“
Fraktion gegründet, um Informationen zu erhalten
Seit gut fünf Wochen hat Rehm auch im Gemeinderat wieder alle Rechte und Pflichten. Dafür hat er eigens eine Fraktion gegründet: In der Fraktionsgemeinschaft zwischen FDP/FW und Aktiven Bürgern zur Durchsetzung der Informationsrechte sind neben Rehm die beiden FDP/FWStadträte Ilse Schmelzle und Friedrich Klein.
Wie schon der Fraktionsname sagt, ist es eine Zweckehe: „Der Anlass, dass wir uns gefunden haben, war nicht die Liebe.“Die Gemeinschaft sei kein Topf, in dem jeder die gleiche Meinung haben müsse. „Aber im Grundsatz unterscheiden sich die Ansichten nicht.“Ob sie immer gleich abstimmen werden, sei die andere Frage.
Es geht um Informationen in diesem Zweckverbund, sagt Rehm. Die seien ihm bisher oft verwehrt geblieben. „Wir wurden ganz bewusst vom OB ausgegrenzt.“Es gehe um ein Demokratieproblem: „Eines davon ist, dass Rentschler immer alles geheim und in geschlossenen Gremien macht.“Der OB mache, was er wolle. Ein Oberbürgermeister in Baden-Württemberg habe eine königsähnliche Stellung, was ganz in Ordnung sei. „Nur, wenn er keinen Gegenpol hat, dann wirds schlimm.“
Seit der Fraktionsgründung ist Rehm wieder Mitglied im Ältestenrat. Eine weitere angenehme Begleiterscheinung sei das Fraktionszimmer im Rathaus. „Wir spielen jetzt gleichberechtigt mit.“Ab jetzt müssten auch seine Anträge und Anfragen wieder bearbeitet werden. „Ich hoffe, dass der OB sich freut, dass ich wieder in den Gremien dabei bin.“Er merke schon jetzt einen Unterschied zu seiner fraktionslosen Zeit, als er mitunter auch nach vier Wochen noch keine Antwort auf Anfragen erhalten habe. Jetzt ginge das viel schneller. Nur auf ein paar Zahlen im Bäderkonzept warte er noch. Apropos Bäderpolitik: Dafür seien 33,6 Millionen Euro Netto eingeplant. „Das ist einfach Schwachsinn.“Denn: Der Gutachter nenne Kosten von 60 bis 70 Millionen Euro – ohne die Bäder Spiesel und Ebnat, ohne Erschwernisse beim Bau und ohne Grundstücke. Man müsse also von bis zu 80 Millionen Euro Kosten ausgehen. Rentschler rechne in den Finanzplan den Verkauf des Gaskesselareals mit fünf Millionen Euro Gewinn ein. Dabei sei es ein offenes Geheimnis, dass der OB einen Bau auf eben diesem Areal favorisiere. Aber das sei dann Thema im Herbst, bis dahin gelte es eine Flut von Informationen zu bewältigen. Denn: „Ausnahmsweise gab es hier einmal viele Informationen.“
Indes nehme er interessiert zur Kenntnis, was er über Oberkochen gelesen habe. Das Bad dort müsse abgerissen oder saniert werden, so viel stehe fest. Nun sei aus Oberkochen die Idee in den Raum geworfen worden, mit einer Nachbarkommune ein Abkommen zu treffen, wonach Oberkochen sich das Bad ersparen und eine Kooperation eingehen könne. Die Bürger könne man beispielsweise mit Freikarten in einem Bad in einer Nachbarkommune versorgen.
„Für eine Diskussion in diese Richtung wäre ich offen.“Allerdings sei es dann wichtig, auch in eine Verbindung zwischen Oberkochen und Aalen zu investieren, wie Fraktionskollege Klein angestoßen habe. Auch die Idee, ob ein Bad im südlichen Stadtteil von Vorteil wäre, sei ein Gedanke wert. Aber es sei wichtig, von Beginn an zu informieren und Bürger mit einzubeziehen.
Klar sei hingegen, dass ein Sportzentrum plus Kombibad im Hirschbachtal
„Wir können nicht in zwei bis drei Jahren die Stadt zupflastern“ Norbert Rehm über die Baupolitik Thilo Rentschlers
zu viel des Guten wäre. Vor allem der Verkehr sei dann für die Anwohner dort nicht mehr tragbar. Fest steht seiner Meinung nach auch, dass nicht der Stadtwerkechef Müller und Geschäftsführer Michelberger alleine entscheiden dürfen, was künftig im Thermalbad passiert und wie der Mietvertrag aussieht. „Das geht in hundert Jahren und zehn kalten Wintern nicht.“Das sei Aufgabe des Gemeinderates – „und der mittlerweile entrechteten Bürger, die seinerzeit Kommanditanteile gezahlt haben“.
„Baukran und Abrissbirne als Eckpfeiler“
Die Eckpfeiler von Rentschlers Stadtpolitik seien Baukran und Abrissbirne, kritisiert Rehm. Es gehe um das große Ganze, sagt er und macht eine Handbewegung über die Stadt, die von der Terrasse der Limesthermen wie eine Spielzeuglandschaft vor ihm liegt. Aber Aalen bestehe nicht nur aus Stadtoval. Auch Wachstum an sich stelle für ihn keinen Wert dar. „Wir können nicht in zwei bis drei Jahren die Stadt zu pflastern, nur damit der Kulturbahnhof als Denkmal für Rentschler bis zu seiner Wiederwahl fertig ist.“In dieser Hinsicht habe er sich schon viele Debatten mit dem OB geliefert. Prioritäten zu setzen, sei im Hinblick auf die Stadtpolitik das richtige Stichwort. Bahnhofssteg, Kulturbahnhof, das seien alles interessante Projekte. Jedoch für Rehm ohne Priorität.
Tatsächliches Problem sei der Wohnungsbau in Aalen
Ein tatsächliches Problem dagegen sei der Wohnungsbau in Aalen. Im Konkreten: „Dass die Kosten exorbitant gestiegen sind.“Eine Miete von elf Euro pro Quadratmeter in der Stadt sei viel zu hoch für Normalverdiener wie Krankenschwestern oder Polizisten. Der Grund des Übels sei, dass die Wohnungsbaugesellschaft die Preise in die Höhe getrieben habe. Dabei müsse es der Stadt darum gehen, Grundbedürfnisse zu stillen und nicht Luxusbauten anzubieten. „Diejenigen, die das Problem haben, 600 000 Euro für eine Eigentumswohnung unterzubringen, sollen das selber lösen.“Früher sei die Gesellschafterversammlung der Wohnungsbau GmbH öffentlich gewesen. Rentschler habe eingeführt, dass dies heute nicht mehr so ist.
Aktuell ist Rehm mit seiner neuen Fraktion beschäftigt, nach dem Sommer geht es dann wieder richtig los. Das Ziel seiner Mühen: „Hoffen wir auf ein gedeihliches Zusammenarbeiten zum Wohle der Stadt.“