Probier’s mal mit Behäbigkeit
Hoch sitzen, ruhig fahren – Der Ford Edge präsentiert sich als SUV für Freunde amerikanischer Autos
Kürzlich hat Aral seine Studie über Trends beim Autokauf veröffentlicht. Demnach gehören zu den Gewinnern schwere Geländewagen, neudeutsch SUV genannt. Binnen zwei Jahren habe sich das Interesse für den Kauf eines solchen Sport Utility Vehicle verdreifacht, schreibt die Presseabteilung des Unternehmens, das zum Ölkonzern BP gehört. Klima- und Umweltschützer gruselt es, Tankstellenpächter freuen sich, denn Verbrauchswunder sind diese Allradfahrzeuge, deren übergroße Mehrheit nie über unbefestigte Straßen gesteuert wird, nicht im Ansatz. Sie schlucken deutlich mehr als ähnlich motorisierte Pkw. Das gilt auch für den von uns getesteten Ford Edge. In die Nähe der Werksangabe von knapp sechs Litern Durchschnittsverbrauch sind wir nie gekommen. Selbst bei ganz defensiver Fahrt und fast nur Rollenlassen gönnte sich der bekannte Zweiliter-Diesel-Motor mit 210 PS sieben Liter. Wer mehr am Gaspedal spielt, zügig beschleunigt und ein Reisetempo einplant, das über der 130 km/h Richtgeschwindigkeit liegt, der kommt schnell auf acht bis neun Liter Verbrauch.
Derselbe Motor in einem Ford Mondeo eingebaut, beschleunigt souveräner, ist dynamischer und einfach sparsamer. Dazu kommt, dass der Fahrer eines Edge nicht wirklich vermutet, dass sich tatsächlich 210 PS oder Bi-Turbos unter der Haube verstecken, wenn er aufs Gas drückt. Auch die Sechs-Gang-Automatik verstärkt die Wahrnehmung, zwar ordentlich motorisiert zu sein, aber eben nicht wirklich über viel Kraft zu verfügen. Schaltet das Automatikgetriebe doch so zügig in den nächsthöheren Gang, dass der Wagen in der Normaleinstellung sehr häufig mit zu niedriger Drehzahl bewegt wird und so recht behäbig wirkt. Bis der beherzte Tritt auf das Gaspedal Wirkung zeigt, dauert es eine Zeit. Die Schaltwippen am Lenkrad, die bei dem SUV überflüssigerweise eine gewisse Sportlichkeit suggerieren, sind aber dennoch zu etwas nutze, denn mit ihnen kann alternativ auch manuell verzögerungsfrei heruntergeschaltet und beschleunigt werden.
Damit sind wir bei der Frage aller Fragen: Warum einen SUV in die Garage bugsieren, obwohl er mehr verbraucht, langsamer ist und nicht wesentlich mehr Platz bietet als ein Kombi? Die Antwort: reine Geschmacksache. Erschwerend kommt beim Edge hinzu, dass er nur mit Dieselmotorisierung zu haben ist – in Zeiten vieldiskutierter Fahrverbote nicht unbedingt ein Pluspunkt.
Dem gern und oft wiederholten Hauptargument, man sitze halt deutlich höher und habe so einen besseren Überblick im Verkehr, kann sich niemand wirklich verschließen. Der von Ford Deutschland aus den USA importierte Zweitonner ist ein Wagen zum Cruisen, wie es die Amerikaner schätzen. Der Motor ist leise, die Sitze sind formidabel bequem, das Audiosystem bietet Hörgenuss und tatsächlich: das höhere Sitzen macht Freude. Wer dann noch den Tempomaten einstellt, der sich ruhig auf den fließenden Verkehr einlässt, der gondelt durch die Welt, als säße er im eigenen Wohnzimmer.
Bleiben wir beim Positiven: Ford ist es gelungen, den Touchscreen endlich so zu renovieren, dass es bei Sonneneinfall keine Spiegelungen mehr gibt. Jahrelang nervte dies im Mondeo, S-Max und anderen Fahrzeugtypen der Kölner. Man erkannte bei schönem Wetter häufig seine Fingerabdrücke, aber die Straßenführung per Navigationssystem wurde zum Problem.
Beim Armaturenbrett besteht jedoch weiterhin Handlungsbedarf. Bei einem Preis von über 50 000 Euro kann heutzutage ein digitales Cockpit erwartet werden. Das aktuelle ist teils zu kleinteilig und verspielt, darüber hinaus gibt es ein Übermaß an Informationen, was einfach stört. Weniger wäre in diesem Fall definitiv mehr, auch wenn zugebilligt werden muss, dass jeder Fahrer nach ein paar Tagen mit allen Anzeigen, Schaltern und Funktionen im Ford Edge zurechtkommen sollte.
Das Fahrverhalten ist für ein 1950 Kilogramm schweres Auto angemessen – etwas behäbig zwar, der Wagen ist aber stets gut beherrschbar. Der Fahrspaß, den etwa das Fahrwerk eines Mondeos in Kurven auslöst, kommt aber nie auf. Kaum verwunderlich bei den US-Genen. Trotz der kantigen Karosserie ist der Edge nicht besonders übersichtlich. Die Frontkamera, über die zunächst milde gelächelt wurde, ist ein sinnvolles Extra. Das gilt auch für den Park-Assistenten, denn für europäische Verhältnisse ist der SUV mit 1,93 Metern doch recht breit.
Zum Ende noch einmal die zentrale Frage: Warum sollten FordFreunde einen Edge und keinen SMax, Galaxy oder Mondeo kaufen? Ganz ehrlich: Wir wissen es nicht. Während der zwei Wochen Testfahrt (zugegeben im August und nicht bei winterlichen Straßenverhältnissen) kamen wir nicht einmal in einer Situation, in der serienmäßige Allradantrieb hilfreich gewesen wäre.
Bequeme Sitze, formidabel gefedert und gedämmt, umfangreiche Ausstattung Mäßige Beschleunigung, relativ hohe Verbrauchswerte, kleinteiliges Cockpit
S-Max und Galaxy bieten mehr Platz. In deren Kofferräume können die Utensilien von Großfamilien nach Schulschluss einfach hineingeworfen werden, ohne dass es zu eng wird. Auch im Urlaub kann der halbe Hausstand mitgenommen werden. Beim Edge ist zwar genug Platz für eine vierköpfige Familie, aber es muss mit Bedacht und Ordnungsliebe gepackt werden. Höher sitzt man auch in S-Max und Galaxy, die solide Verarbeitung und halbwegs gute Bedienung sind fast identisch.
Unser Fazit: Die Summe, die für den Edge überwiesen werden müsste, lieber in einen sehr gut ausgestatteten und dann auch souverän motorisierten Mondeo investieren. Der kann beides: entspanntes Cruisen wie dynamisches Fahren.