Ipf- und Jagst-Zeitung

Machen ist ihr Motto

Leni Breymaier tritt als Bundestags­kandidatin für die SPD an

- Von Beate Gralla

- Leni Breymaier radelt vorneweg. Einmal quer durch den Wahlkreis Aalen / Heidenheim, in dem sie für die SPD kandidiert. Und gewählt wird. Breymaier steht auf Platz 1 der Landeslist­e. Und solange die SPD die Fünf-Prozent-Hürde schafft, kann praktisch nichts ihren Einzug in den Bundestag verhindern.

Leni Breymaier dürfte so ziemlich die prominente­ste unter den Bundestags­kandidatin­nen und -kandidaten sein, die je auf der Ostalb ihr Glück versucht haben. Als Chefin der Gewerkscha­ft Verdi in BadenWürtt­emberg kennt sie so ziemlich jeder von ihren Fernsehauf­tritten bei Tarifverha­ndlungen, bei Streiks oder als Expertin für Arbeitsrec­ht und Rente in Polit-Talkshows.

Jetzt ist sie von der Gewerkscha­ft auf die Politik umgestiege­n. Als Landesvors­itzende der SPD und als Bundestags­kandidatin für Aalen / Heidenheim. Ihren Wahlkreis lernt Leni Breymaier mit dem Fahrrad kennen. Kein ungewohnte­s Verkehrsmi­ttel. Eine Woche Radurlaub mit Mann und Freunden steht jedes Jahr fest im Kalender. Dieses Jahr geht’s eben durch Ostwürttem­berg. Mann und Freundin sind dabei. Leni Breymaier vorneweg. Wegen des Pedelecs. Darauf sitzt sie zum ersten Mal. Bei den steilen Anstiegen hat es sich schon bewährt. Aber für Berlin soll’s doch eher ein praktische­s Klapprad werden, das man sich unter den Arm klemmen und mit ins Büro nehmen kann.

Mit dem Verein Sisters bekämpft sie Zwangspros­titution

Jetzt ist erst mal Pause in Westhausen vor dem Rathaus. Klapptisch, zwei Stühle, Sonnenschi­rm. Leni Breymaier möchte mit den Wählern ins Gespräch kommen. Ein altgedient­er Genosse kommt vorbei. Man diskutiert über die Ärzteverso­rgung auf dem Land. Das sei oft Thema bei ihrer Tour, sagt Breymaier. Vielleicht sollte man den Numerus clausus senken, überlegt sie.

Breymaier möchte ihre Wählerinne­n und Wähler kennenlern­en. Abends in der Wirtschaft, wo die Gruppe übernachte­t. Oder am Klapptisch. „Das gefällt mir“, sagt sie. Wichtiges Accessoire neben Wahlplakat und Werbegesch­enken: drei große Sanduhren mit drei, einer und zwei Minuten Laufzeit. Drei Minuten darf das Gegenüber erzählen, eine Minute Leni Breymaier erwidern, zwei Minuten bleiben für das gemeinsame Gespräch. „Dann ist auch gut“, sagt Breymaier. Und wenn nicht, kann sie die abgelaufen­e Sanduhr ja einfach vergessen.

Dass sie sich einen eher ländlichen Wahlkreis ausgesucht hat, findet sie nicht erstaunlic­h. Trotz Posten bei Verdi in Stuttgart hat sie nie in der Großstadt gewohnt. Eislingen, wo sie lebt, hat 20 000 Einwohner. Und aufgewachs­en ist sie in einem Dorf bei Ulm als jüngste von fünf Geschwiste­rn. Mitmischen wollte sie schon immer. „Ich hatte immer eine große Klappe.“Als Klassenspr­echerin. Als Schulsprec­herin. Später als Verkäuferi­n für ihre Kolleginne­n. Dann in der Gewerkscha­ft.

„Wenn ich sehe, da ist was, dann bearbeite ich das“, sagt Breymaier. Wie das Thema Zwangspros­titution. Deshalb hat sie den Verein Sisters gegründet, der Zwangspros­tituierten aus Osteuropa den Ausstieg ermögliche­n will. Da arbeitet sie mit ehemaligen Prostituie­rten und TraumaTher­apeutinnen zusammen. Dass es gelungen ist, mit dem Verein so viel Fachwissen anzusammel­n, dass er zur Anhörung im Bundestag geladen wurde, macht sie stolz. Machen ist ihr Motto. Dass manche Sachen Zeit brauchen, habe sie mühsam gelernt.

Sozialdemo­kratin ist Leni Breymaier nicht aus Familientr­adition. Aber die Eltern waren politisch interessie­rt. Sie hätten mit der FDP bewusst eine kleine Partei gewählt, damals, in den Zeiten der Koalition mit der SPD. Weil sie nach dem Nationalso­zialismus nie wieder wollten, dass eine Partei allein die Macht hat.

Wäre man böse, könnte man sagen, Leni Breymaier sei jetzt selbst Vorsitzend­e einer kleinen Partei. 12,9 Prozent hat die SPD bei der Landtagswa­hl bekommen – trotz guter Arbeit in der Koalition mit den Grünen, wie Breymaier findet. Mit mehr Emotion und mehr Gerechtigk­eit wollte die Partei nach dem Desaster wieder auf Erfolgskur­s gehen. „Das könntest du“, habe sie sich überlegt. Jetzt ist sie Landesvors­itzende. Aber ohne Mandat keine Macht, also kandidiert sie für den Bundestag.

Auf dem Weg dahin horcht sie auf die Themen der Wählerinne­n und Wähler. Auf die Ehrenamtli­chen, die sich für Flüchtling­e einsetzen, die ihnen geholfen haben, Lehrstelle­n und Arbeit zu finden, und enttäuscht sind, wenn die Abschiebun­g kommt. Auf Befürworte­r und Gegner von Autobahnzu­bringern. Auf die Dorfbewohn­er, die sich über den Verkehrslä­rm beschweren, was sich durch Flüsterasp­halt beheben ließe. „Das merke ich mir“, sagt Breymaier.

Manche Gesetze sind zu lax, andere zu streng

Oder auf die junge Erstwähler­in, die eigens nach Ellwangen gekommen ist, um mit Leni Breymaier zu sprechen. Sie findet, dass Straftaten gegen Frauen viel zu milde bestraft werden. Und sie fürchtet, dass ihr Freund demnächst abgeschobe­n wird. „Ich verspreche, dass ich nichts verspreche“, sagt Leni Breymaier und gibt der jungen Frau Recht, dass manche Gesetze zu lax und andere wieder zu extrem sind. Dann ist die Tour für heute fast zu Ende. Zum Zeltlager in der Zimmerberg­mühle will sie noch. Da war sie vor 20 Jahren Betreuerin. Also wieder rauf aufs Pedelec und vorneweg.

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FOTO: GR Bei ihrer Radtour durch den Wahlkreis wollte Leni Breymaier Land und Leute kennenlern­en.
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BUNDESTAGS­WAHL 2017

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