Ulreich verschätzt sich
Wolfsburg macht – auch dank des Patzers des Bayernkeepers – aus einem 0:2 ein 2:2
- Es gibt Gegner, die liegen einem einfach. Für Martin Schmidt ist das der FC Bayern München, dem der neue Wolfsburger Trainer Freitagabend beim 2:2 (2:0) einen Punkt abnahm.
Im März 2016 war Martin Schmidt der letzte Trainer gewesen, der die Bayern in der Allianz Arena schlagen konnte. Für das 2:1 gab es damals anerkennende Schulterklopfer vom damaligen Bayerncoach Pep Guardiola für den Mainz-Vorsteher Schmidt. Diesen April schafften die Mainzer im Abstiegskampf ein 2:2 – und wieder lobten alle, diesmal schon leicht genervt, den Schweizer mit den langen Haaren. Damals hatte Sven Ulreich im Tor der Bayern beim ersten Treffer der Mainzer eine eher unglückliche Figur gemacht. Gestern wiederholte sich die Geschichte, als Ulreich den Ball zum 1:2 für Wolfsburg durchflutschen ließ.
Doch von Anfang an: Anerkennung für seine Ideen verdiente Schmidt sich auch in neuer Rolle. Der Coach hatte die Wolfsburger in seinem zweiten Spiel als Trainer der Niedersachsen taktisch klug eingestellt. Seine Spieler versuchten vor allem, die Bayern daran zu hindern, ihr Pressing im letzten Angriffsdrittel aufzuziehen. Meistens standen sie massiert 20 bis 30 Meter vor dem eigenen Tor, schlossen die Reihen und dichteten die Räume ab. Die Münchner schoben sich die Bälle hin und her und manchmal auch wieder zurück, dann zogen sie kurze Sprints an, versuchten es mit mal mehr, mal weniger scharfen Flanken aus dem Halbfeld, immer auf der Suche nach einer Lücke in der Wolfsburger Deckung. Die dachten aber gar nicht daran, diese aufzumachen, und wenn, dann, um zu foulen. Oder um Fouls zumindest anzudeuten.
So kam Bayern schließlich doch noch zum 1:0. Marcel Tisserands leichten Trikotzupfer gegen Robert Lewandowski bewertete Schiedsrichter Christian Dingert als elfmeterwürdig. Lewandowski verwandelte den Elfmeter trocken und mit der Humorlosigkeit des geborenen Torjägers selbst (33.).
Ein Tor als Dosenöffner? Sieht man mal davon ab, dass Bayern noch vor der Halbzeit das 2:0 nachlegte: nicht wirklich. Die Wolfsburger verteidigten weiter konsequent – beteiligten sich jetzt sogar aber zaghaft am Spielaufbau. Divock Origi hatte nach einem schönen Steilpass von William sogar eine Abschlusschance, wurde aber doch noch von Jérôme Boateng am Schießen gehindert (38.). Mitten in die Wolfsburger Mitspielphase fiel das 2:0 (42.): Rafinha hatte Arjen Robben auf die Reise geschickt und den Dribbler anschließend überlaufen. Als Robben den Ball nach einem Sprint gen Tor schoss, flog er am Sechzehner an Rafinhas Hacken und wurde so unhaltbar abgefälsch.
Dass danach noch Spannung aufkam, lag maßgeblich an Sven Ulreich. Der langjährige Keeper des VfB Stuttgart darf Nationaltorhüter Manuel Neuer vertreten, solange dieser mit seinem dritten Mittelfußbruch seit dem Frühjahr ausfällt. Nun dürfte es zumindest eine kleine Torwartdiskussion geben. Als Maximilian Arnold in der 56. Minute aus 30 Metern bei einem Freistoß genau Ulreich anvisierte, ließ der den Ball irgendwie durchflutschen. Sah nicht nur maximal unglücklich aus, war es auch. Wolfsburg war wieder im Spiel.
Für kollektive Hitzewallungen bei den Bayern sorgte wenig später Koen Casteels, der offensichtlich keinen Grund sieht, sein Torwartspiel zu ändern, auch nach seinem Zusammenprall samt schwerer Verletzung Christian Gentners. Als Lewandowski einen langen Ball erreichen wollte, räumte Casteels den Stürmer zur Seite. Lewandowski blieb liegen, die Fans pfiffen, doch Casteels hatte vor allem den Ball weggespielt. Lewandowski konnte weitermachen, die Wolfsburger hielten sich dann ziemlich zurück – kamen aber zum Ausgleich.
Beim Kopfball seines ehemaligen VfB-Kollegen Daniel Didavi war Ulreich machtlos (83.) – der Ball flog vom Innenpfosten ins Tor –, und doch war der Torwart der traurigste Mann im Stadion. „Ich hab die falsche Entscheidung getroffen, tut mir leid für die Mannschaft. Ich weiß, was ich falsch gemacht hab. Zwei, drei Tage brauche ich schon, um das abzuhaken“, erklärte er. Trainer Carlo Ancelotti sagte: „Es stimmt, Ulreich hat einen Fehler gemacht. Aber sein Fehler hat unser Ergebnis nicht beeinflusst. Das Ergebnis war Folge unserer Leistung, die heute nicht gut war. Ich mache mir keine Sorgen wegen Ulreich für das Spiel gegen Paris. Ich muss mir Sorgen machen, wenn wir dort wieder so spielen sollten.“