Ein Neuling und ein Rückkehrer
Der FDP-Abgeordnete Pascal Kober weiß, was auf Benjamin Strasser im Berliner Betrieb nun zukommt
- Die FDP ist nach vier Jahren zurück im Bundestag – und mit ihr der Abgeordnete Pascal Kober. Der bisherige Militärseelsorger für die Bundeswehrstandorte Stetten und Pfullendorf zieht über die Südwest-Landesliste seiner Partei in den Bundestag ein. Dem gehörte er bereits von 2009 bis 2013 an. Lediglich ein gutes Viertel der 80 FDP-Abgeordneten, von denen zwölf aus dem Südwesten kommen, hat wie er Bundestagserfahrung. Sein Wissen wird daher wichtig sein für die 58 Kollegen, die nun erstmals ins Parlament einziehen – unter anderem für seinen Freund Benjamin Strasser aus dem Wahlkreis Ravensburg.
Provisorische Arbeitsplätze
Den ersten Flug in die Bundeshauptstadt bestritten Kober und Strasser gemeinsam. „Wir haben so gebucht, dass wir zusammensitzen“, sagt Kober. Er weiß, wie in Berlin die Dinge laufen und erinnert sich noch daran, wie er 2009 zunächst monatelang kein eigenes Abgeordnetenbüro hatte. „Ich rechne auch diesmal nicht damit, dass wir schnell Arbeitsräume bekommen“, nicht vor 2018, vermutet der 46-Jährige.
Die erste Sitzung aller Abgeordneten, zu der Kober und Strasser am Montag nach Berlin geflogen sind, fand in der Parteizentrale im HansDietrich-Genscher-Haus statt. Hier sollen nun Großraumbüros eingerichtet werden, damit die Mandatsträger zumindest einen provisorischen Arbeitsplatz in Berlin haben. Mit der FDP und der AfD sind nun sieben statt bisher fünf Parteien im Bundestag vertreten. Jede braucht Fraktionsräume im Reichstag.
Im früheren FDP-Fraktionssaal tagt seit 2013 Die Linke. Wegen der Ausgleichsmandate ist der Bundestag auf 709 Abgeordnete angewachsen. Jeder braucht Büros, für sich und seine Mitarbeiter. Noch dazu sollen die der Mitglieder einer Fraktion idealerweise nahe beieinander sein. Dadurch werden Abgeordnete aus ihren bisherigen Büros ausziehen müssen – ein Umzugs-Dominoeffekt wird in Gang kommen. Bis alles und jeder seinen Platz gefunden hat, bedarf es viel Koordination der Bundestagsverwaltung, Zeit und Geduld.
Auf solche Vorgänge kann Kober seinen jüngeren Kollegen Strasser vorbereiten. „Er ist ein guter Ratgeber“, sagt der 30-Jährige über Kober. Der kann dem Neuen etwa raten: Augen auf bei der Mitarbeiterwahl. Etliche Abgeordnete – unter anderem von CDU und SPD – sind aus dem Bundestag herausgeflogen. Ihre Mitarbeiter werden arbeitslos.
So erging es auch den rund 600 FDP-Mitarbeitern 2013. Die Arbeitsagentur hatte deshalb ein Büro im Bundestag eingerichtet. Diejenigen, die nun arbeitslos werden, könnten von den neu Gewählten übernommen werden. „Es ist hilfreich, wenn man wenigstens einen im Büro hat, der die Abläufe kennt“, sagt Kober. Denn deren Aufgaben reichen von der Vorbereitung von Ausschusssitzungen bis zur Frage, wo es einen neuen Bleistift gibt. „Es muss aber klar sein, wo die Loyalitäten liegen.“
Strassers bisherige Erfahrung mit dem Bundestag speist sich aus einem vierwöchigen Praktikum, das er 2008 bei Florian Toncar absolviert hat. Nun sind die beiden baden-württembergischen FDP-Abgeordneten Kollegen. „Ich realisiere jetzt erst langsam, dass ich kein Gast mehr bin“, sagt Strasser. „So richtig realisieren werde ich das wohl erst, wenn ich am 24. Oktober in diesem Saal sitze.“Dann konstituiert sich nämlich der 19. Bundestag. Angst vor seiner neuen Aufgabe habe er keine, so Strasser. Wohl aber Respekt und eine Portion Demut. „Jetzt, als Abgeordneter, erwarten die Menschen Zuhause auch etwas von einem“, weiß er.
Als gelernter Jurist will sich Strasser im Bereich Inneres einbringen. „Wegen des Themas Bürgerrechte bin ich damals in die FDP gegangen“, sagt er. Zwei Jahre lang arbeitete er als parlamentarischer Berater für den ehemaligen baden-württembergischen Justizminister Ulrich Goll und war in dieser Zeit für den NSUUntersuchungsausschuss zuständig. „Man hätte die auf dem Schirm haben können“, sagt er über die NSUTerroristen. Mangelhafte Behördenarbeit treibt ihn um. Denn an Informationen habe es in diesem Fall, wie im Fall des Berliner Attentäters Amri, nicht gemangelt. „Deshalb bin ich auch sehr vorsichtig, wenn immer neue Überwachungsinstrumente wie der Staatstrojaner gefordert werden.“
In datenschutzrechtlichen Fragen scheint der FDP-Mann demnach den Grünen näher zu sein als der Union. „Schwieriger werden die Bereiche Energiewende, Wirtschaft und Bürgerversicherung.“Sein Kollege Kober sagt: „Die Grünen sind uns in der sozialpolitischen Diskussion fern.“Dies ist sein Schwerpunkt, er war in seiner ersten Legislaturperiode FDP-Obmann im Ausschuss Arbeit und Soziales. „Wir glauben, dass der Mensch stark ist und begreifen ihn nicht vom Defizit her.“
Neuer Teamgeist
Dennoch sehen beide Liberale Chancen für ein Jamaika-Bündnis. „Jeder der vier Partner muss Kompromisse eingehen“, sagt Strasser. Zumindest FDP-intern stimme schon die Chemie, es herrsche große Kollegialität, sagen beide. „Der Teamgeist in der neuen FDP ist erfreulich“, sagt Kober. Eine gute Voraussetzung, um mit den möglichen künftigen Koalitionspartnern von CDU, CSU und Grünen zu verhandeln.