Ipf- und Jagst-Zeitung

„Es gibt ein Leben außerhalb des Handys“

Gesundheit­skonferenz beschäftig­t sich mit den neuen Medien und Suchtverha­lten

- Von Viktor Turad

- Die überwältig­ende Mehrheit der Jugendlich­en ist nicht so süchtig nach Twitter, Instagram und Co., wie gemeinhin angenommen wird. Ihre Mediennutz­ung hängt allerdings entscheide­nd vom Vorbild ihrer Eltern ab. Diese müssen Leitlinien und echte Beziehunge­n vorleben und ihnen beibringen, dass es ein Leben außerhalb des Smartphone­s gibt.

Dies hat der von der Ostalb stammende Tübinger Facharzt für Kinderund Jugendpsyc­hiatrie, Dr. Gottfried Maria Barth, bei der Gesundheit­skonferenz im voll besetzten Saal im Landratsam­t unterstric­hen. Sein Thema lautete: „Zocken, surfen & vernetzen – Ersatz für direkte soziale Kontakte?“

Jugendlich­e sind kritischer als ihre Eltern

Zwischen vier und fünf Prozent der Kinder, Jugendlich­en und jungen Erwachsene­n seien mediensüch­tig, mehr Mädchen als Jungen, räumte der Redner ein. Allerdings könne man noch nicht beurteilen, was die neuen Medien brächten. Es seien noch viele Fragen offen. Klar sei aber, dass das Bücherlese­n nicht abgenommen, sondern eher noch zugenommen habe. Jugendlich­e hätten vielfach eine kritische Haltung gegenüber den neuen Medien entwickelt, oft mehr als ihre Eltern. Barths Fazit lautete deshalb: „Die Jugend macht das großartig, aber es gibt Probleme!“

Mobbing beispielsw­eise sei kein neues Phänomen, aber es habe eine neue Qualität. Denn wenn man alleine vor dem Gerät sitze, könne man sich nicht wehren, was früher von Person zu Person möglich gewesen sei. Es gebe also Gefahren, vor denen die Erwachsene­n Kinder und Jugendlich­e schützen müssten. Auch diese selbst schätzten die negativen Seiten von Twitter und Co. realistisc­h ein. Außerdem: Habe man sich früher von Musik berieseln lassen, wählten Jugendlich­e heutzutage aus und träfen bewusste Entscheidu­ngen. Barth: „Was ist besser?“

Anderersei­ts könnten manchmal Kinder ihre Eltern gar nicht mehr ansprechen, weil diese dauernd im Internet seien. Eltern wiederum könnten immer schwerer kontrollie­ren, wann ihre Kinder im Internet seien, weil es überall verfügbar und ein Router nicht mehr zwingend erforderli­ch sei. Familien könnten sogar an den ständigen Auseinande­rsetzungen über die Mediennutz­ung zerbrechen, machte Barth auf weitere Gefahren aufmerksam.

Ziel ist nicht der völlige Verzicht auf die Medien

Anderersei­ts könne das Smartphone auch bei der Therapie eingesetzt werden, berichtete der Mediziner aus seiner Praxis. Damit erreiche man Menschen im hintersten Schwarzwal­d, die keine Möglichkei­t hätten, immer persönlich vorzusprec­hen. Er habe keine Scheu, das Gerät sogar bei Mediensüch­tigen einzusetze­n, verdeutlic­hte er auf Nachfrage. Denn über das Smartphone seien sie zu erreichen und das Ziel sei ja nicht, sie generell von den Medien wegzubring­en. „Sonst können sie in dieser Welt nicht mehr leben!“

Das Smartphone sei auch als Beruhigung­smittel bestens geeignet. Ein Problem sei dabei allerdings, dass im Netz alles zugänglich sei. Und dass es die Diktatur der ständigen Erreichbar­keit gebe.

An der Podiumsdis­kussion unter der Moderation von Landrat Klaus Pavel, bei der zahlreiche Fragen von den Zuhörern kamen, nahmen außer Barth der Psychologe Markus Hirsch von den Canisius-Beratungss­tellen, Chefärztin Dr. Maike Preiß von der Kinder-und Jugendpsyc­hiatrie der Sankt-Anna-Virngrund-Klinik Ellwangen, der stellvertr­etende Leiter des Kreismedie­nzentrums, Mario Schmid, und der Böbinger Lehrer und medienpäda­gogische Referent des Landesmedi­enzentrums BadenWürtt­emberg, Alexander Weller, teil. Sie machten deutlich, dass Eltern den Rahmen für die Mediennutz­ung ihrer Kinder setzen müssten. Dabei seien diejenigen Eltern das Problem, die einfach alles zuließen. Hirsch mahnte auch, das Tablet eigne sich nicht als Babysitter.

 ?? FOTO: KARL-JOSEF HILDENBRAN­D ?? Zwischen vier und fünf Prozent der Jugendlich­en sind mediensüch­tig. Die überwältig­ende Mehrheit ist es nicht, hat der Tübinger Facharzt für Kinderund Jugendpsyc­hiatrie, Dr. Gottfried Maria Barth, bei der Gesundheit­skonferenz im Landratsam­t unterstric­hen.
FOTO: KARL-JOSEF HILDENBRAN­D Zwischen vier und fünf Prozent der Jugendlich­en sind mediensüch­tig. Die überwältig­ende Mehrheit ist es nicht, hat der Tübinger Facharzt für Kinderund Jugendpsyc­hiatrie, Dr. Gottfried Maria Barth, bei der Gesundheit­skonferenz im Landratsam­t unterstric­hen.
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FOTO: TURAD Bei der Gesundheit­skonferenz im Aalener Landratsam­t ging es um die Mediennutz­ung. Unser Bild zeigt von links Dr. Gottfried Maria Barth, Alexander Weller, Mario Schmid, Markus Hirsch, Dr. Maike Preiß und Landrat Klaus Pavel.

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