Verein kämpft gegen Bebauung der Maiäcker
Neue Siedlergemeinschaft protestiert – Stadt will auch Interessen der Suchenden vertreten
- Vom anonymen Stadtleben ist oben auf dem Pelzwasen nicht mehr viel zu spüren. Die meisten Bewohner kennen und grüßen sich, jeder weiß, wer wo wohnt. Diese Idylle des dörflich angehauchten Ortsteils sieht die Neue Siedlergemeinschaft gefährdet und protestiert gegen eine Bebauung der Maiäcker, wie sie im Flächennutzungsplan der Stadt vorgesehen ist. Mit Flugzetteln wurden die Anwohner eingeladen, sich am Sonntag an der Eiche zwischen Pelzwasen und Himmlingen zu treffen und „die riesigen Ausmaße des geplanten Baugebiets sichtbar zu machen“. Die 14,5 Hektar große Fläche entspricht etwa 22 Fußballfeldern.
Einer, der den Stadtteil von Kindheit auf kennt, ist Markus MayerWunderlich. Als er über das Gelände der ehemaligen Gärtnerei Schmid geht, öffnet sich am Haus gegenüber ein Fenster. „Was ist denn da los?“, ruft Bernd Weingart grinsend und unterhält sich kurz mit ihm, bevor Mayer-Wunderlich weitergeht.
„Hier sind Generationen von Kindern aufgewachsen“, sagt er und zeigt auf das Wäldchen neben der Straße. Auf dem Gelände sollen etwa 80 Wohneinheiten entstehen, sagt er. Fast doppelt so viele wie ein paar Straßen weiter unten, wo die Martinskirche einem Wohngebiet weichen soll. Die beiden Baugebiete sind in der Planung schon durch. „Damit haben wir uns abgefunden.“
Verein bangt um Umwelt, frische Luft, Erholung und Gemeinschaft
Nicht abfinden will sich die Siedlergemeinschaft mit einem Baugebiet auf den Feldern zwischen dem Pelzwasen und Himmlingen, den sogenannten Maiäckern. Und das aus vier Gründen, wie auf einem Traktat steht. Erstens: Der Umweltschutz – das Baugebiet liege in einem schutzbedürftigen Raum. Zweitens: Die frische Luft für Aalen – die unbebaute Fläche sei von hoher Bedeutung und eine Frischluftschneise für die Stadt. Drittens: Die Naherholung und die Landschaft – viele Anwohner nutzten täglich die schöne Umgebung für Spaziergänge. Und viertens: Die Gemeinschaft der Bewohner – durch die Vergrößerung des Stadtgebiets auf etwa die doppelte Größe könne man Neuanwohner nicht mehr integrieren. Fazit: „Es muss Schluss sein mit Bebauung in freier Landschaft und mit der Versiegelung weiterer Flächen in unserem Quartier.“
Zuerst solle die Stadt prüfen, wie viel Wohnraum tatsächlich benötigt werde, sagt Mayer-Wunderlich. Er zähle allein im Pelzwasen etliche Häuser von Über-80-Jährigen, die in absehbarer Zeit frei würden. Außerdem sei interessant zu wissen, wie viel Wohnraum in der Aalener Innenstadt frei werde. Zudem müsse die Stadt auch die Wohnsituation in umliegenden Gemeinden, wie Westhausen, Lauchheim oder auch in Königsbronn, in die Entscheidung mit einbeziehen. Die Sorge um die Abwanderung sei groß, aber hier zähle nicht der Konkurrenzgedanke eines Oberbürgermeisters. „Der Konkurrenzgedanke muss hinter dem Landschaftsschutz zurückstehen.“
Bauernverband: Schlechtes Signal für Landwirte
„Die Natur hat keinen Anwalt.“Es sei auch ein bisschen fies gewesen, den Flächennutzungsplan vor dem Sommer auszulegen, da er im Ferientrubel untergegangen sei. Jetzt suche man das Gespräch mit Stadträten und dem Oberbürgermeister. „Wir wollen argumentativ einsteigen und nicht mit Krawall“, sagt Mayer-Wunderlich.
Auch der Bauernverband sieht den Ausbau der Ackerfläche nicht unkritisch: Es sei ja verständlich, dass man die Stadt voranbringen wolle, sagt Johannes Strauß vom Bauernverband. Aber die Fläche Richtung Himmlingen sei das größte zusammenhängende Ackergebiet in der Region. Die Stadt weise oft mehr Gebiet aus, als sie letztendlich benötigt – nach dem Motto: „Sie versuchen das Unmögliche, um das Mögliche zu erreichen.“
Für die Bauern sei das aber ein schlechtes Signal, weil so die Grundstückseigentümer damit rechnen könnten, ihr Land an die Stadt zu verkaufen und den Bauern vorsorglich die Pachtverträge kündigen könnten. Strauß hoffe daher, dass die Stadt nur das Gebiet ausweist, was in den nächsten Jahren benötigt werde, um den Bauern nicht die benötigte landwirtschaftliche Fläche zu entziehen. „So viel auf einmal ist ein Unding – das können die gar nicht alles bebauen.“
Die Häuser seien extrem hellhörig, sagt Mayer-Wunderlich, als Familie sei das noch tragbar, aber vermieten praktisch unmöglich. Er weiß das, weil er selbst in einem der Häuser wohnt, die 1954 nach dem Krieg alle nach demselben Bauplan errichtet wurden – jeweils mit großen Gärten, um die Selbstversorgung zu sichern. Damals habe man sich gegenseitig geholfen, diese Gemeinschaft sei noch heute zu spüren. Straßenfeste und Nachbarschaftshilfe seien keine Seltenheit. „Aus der Tradition verstehen wir uns noch heute ein Stück weit. Das Gedächtnis der Gruppe ist stärker als das Individuum.“Und die Hilfe über den Gartenzaun nach wie vor üblich.
„So viel auf einmal ist ein Unding, das können die gar nicht alles bebauen.“Johannes Strauß vom Bauernverband über das geplante Bauland
Stadt will auch die Interessen der Suchenden vertreten
Baubürgermeister Wolfgang Steidle verdeutlicht, welches Spannungsfeld das Thema bietet. „Niemand will, wenn er bisher am Stadtrand gewohnt hat, noch zwei Reihen dazu haben.“Allerdings sehe man dabei nicht die etwa 600 Interessenten, die aktuell bei der Stadt noch auf Wohnungen warteten. „Es gibt viele Menschen, die in Aalen eine neue Heimat finden wollen.“
„Wir befinden uns aktuell in einer großen Wachstumsphase“, sagt Steidle. Vergleichbar mit den 50-er und 60-er Jahren. Neu ausgeschriebene Bauplätze seien sofort vergeben. Und weil es in der Innenstadt schlichtweg keine Bauplätze mehr gebe, müsse man eben in die Außenentwicklung gehen. „Wir haben uns das nicht leicht gemacht.“Allerdings sei es noch sehr vage, was in den Maiäckern einmal exakt passieren wird. „Wir sprechen aktuell nur von Potentialflächen.“Es gebe noch viele offene Fragen, wie die, wo der Verkehr durchführen solle zum neuen Wohngebiet. Deshalb sammle die Stadt noch Stellungnahmen, so Steidle, um abzuwägen, welches Gebiet sich für eine Bebauung eigne.