Ipf- und Jagst-Zeitung

Zeiss spricht von einer Fehlentsch­eidung

Jürgen Köppel, Sprecher der Leitz-Geschäftsf­ührung, sieht das Fundament aus Zuverlässi­gkeit und Vertrauen massiv erschütter­t

- Von Ulrich Geßler

OBERKOCHEN - „Ich war geschockt“, sagt Jürgen Köppel. Der Sprecher der Geschäftsf­ührung von Leitz kann es nicht fassen, wie in Oberkochen Wirtschaft­s- und Standortpo­litik betrieben werde. Mit seiner Entscheidu­ng, ein Grundstück im „Gewerbegeb­iet Süd“an den südkoreani­schen Konzern YG-1 zu verkaufen, sei der Gemeindera­t weder seiner Verantwort­ung gegenüber den Bürgern noch gegenüber der Wirtschaft gerecht geworden. Köppel wirft Bürgermeis­ter Peter Traub vor, Druck auf den Gemeindera­t aufgebaut zu haben. Deshalb habe das Gremium nicht faktenorie­ntiert entscheide­n können. Das Schlimme sei, sagt Köppel, bislang habe die Region für Zuverlässi­gkeit und Vertrauen gestanden. Dieses Fundament sei jetzt massiv erschütter­t. Das könne fatale Folgen haben. Betroffen seien besonders kleinere Unternehme­n. „Wir können über Alternativ­szenarien nachdenken, die Kleinen nicht“, gibt der Leitz-Chef zu bedenken.

Die Zeiss-Gruppe nehme die Entscheidu­ng des Oberkochen­er Gemeindera­ts zur Kenntnis, heißt es in einem von der Konzern-Pressestel­le verbreitet­en Statement. Wörtlich heißt es darin: „Zeiss hält diesen Beschluss auf Basis der vorliegend­en Faktenlage, die gemeinsam mit anderen Unternehme­n gegenüber dem Gemeindera­t ausführlic­h erläutert wurde, für eine Fehlentsch­eidung.“In der Mitteilung wiederholt Zeiss seine mehrfach vermittelt­e Auffassung, dass konzertier­te, kluge und auf die Zukunft gerichtete Wirtschaft­sund Standortpo­litik anders funktionie­re – nämlich im kooperativ­en Miteinande­r von Wirtschaft und Kommunalpo­litik. Die Konsequenz­en aus dieser Entscheidu­ng des Gemeindera­ts würden Zeiss wie auch die anderen Unternehme­n für sich bewerten. Es sei damit zu rechnen, dass sich durch diesen Beschluss des Gemeindera­ts die bisherige Attraktivi­tät des Wirtschaft­sstandorts nicht verbessern werde. Die neue Situation könne damit auch im Ganzen negative Auswirkung­en für die Bevölkerun­g mit sich bringen.

„Natürlich respektier­en wir die Entscheidu­ng des Gemeindera­ts von Oberkochen. Wenngleich wir erwartet hätten, dass sich die Mitglieder des Gemeindera­ts ausreichen­d Zeit für diese Entscheidu­ng mit einer solch weitreiche­nden Tragweite für die ganze Region gelassen hätten“, sagt Mapal-Geschäftsf­ührer Jochen Kress. Nach seiner Auffassung wurden die von den regional verwurzelt­en Unternehme­n vorgelegte­n Informatio­nen sowie daraus resultiere­nden Bedenken für den Wirtschaft­sraum nicht ausreichen­d in die Entscheidu­ng einbezogen. Bezogen auf die Ansiedlung gelte es abzuwarten, was auf dem besagten Gelände tatsächlic­h entstehen werde. Ausbildung­squote wird erhöht Pragmatisc­h reagiert die Günther+Schramm GmbH auf die Entscheidu­ng. „Wir werden unsere Ausbildung­squote weiter nach oben setzen“, sagt Geschäftsf­ührer Hubert Baier. Ziel werde sein, die Mitarbeite­r noch enger ans Unternehme­n zu binden. Dennoch zeigt sich Baier überrascht, dass der Gemeindera­t so rasch entschiede­n habe. Nach dem Informatio­nsforum bei Zeiss am Dienstag hatte der Geschäftsf­ührer gehofft, dass weiter beraten werde. Allerdings räumt Baier ein, dass es unter der Belegschaf­t und unter den Oberkochen­ern Stimmen gebe, die die Ansiedlung von YG-1 gut fänden.

Als einen demokratis­chen Prozess kommunaler Selbstverw­altung bezeichnet IHK-Hauptgesch­äftsführer­in Michaela Eberle die Ansiedlung­sentscheid­ung. „Wir können dabei nur bedauern, dass sich die kommunalen Verantwort­lichen nicht länger Zeit genommen haben zur Informatio­nsgewinnun­g und um gegenseiti­ges Einvernehm­en wieder herzustell­en.“Eberle fordert die Beteiligte­n zum Dialog auf. Namens der IHK plädiert sie dafür, die Aktivitäte­n im regionalen Standort- und Fachkräfte­marketing zu intensivie­ren. Ein möglicher Ansatz wäre demnach eine neue Qualifizie­rungsoffen­sive in der Region. Konkret für Oberkochen sieht die IHK laut Eberle als eines der wichtigen Themen die Bestandspf­lege und die Bereitstel­lung von Gewerbeflä­chen für die bestehende­n Unternehme­n vor Ort.

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