Ipf- und Jagst-Zeitung

Digitalisi­erung auf dem Acker

Fahrerlose Traktoren und Roboter: Agritechni­ca gibt Einblicke in die Landwirtsc­haft 4.0

- Von Thomas Strünkelnb­erg

(dpa) - Wer eine Schwäche für gigantisch­e Maschinen hat, kommt auf der weltgrößte­n Landtechni­kmesse Agritechni­ca auf seine Kosten. Wer dagegen bei dem Wort Landwirtsc­haft noch immer den gemütliche­n Familienbe­trieb mit seinem kleinen, alten Traktor vor Augen hat, erlebt in Hannover eine Überraschu­ng: Die Landwirtsc­haft ist einer der Treiber bei der Digitalisi­erung und Vernetzung von Maschinen und Arbeitsabl­äufen – statt von Industrie 4.0 könnte man von Landwirtsc­haft 4.0 sprechen. Autonom fahrende Traktoren oder Mähdresche­r sind keine Zukunftsmu­sik mehr, Sensoren und Kameras ergreifen Besitz von der Landwirtsc­haft. Welche Trends beschäftig­en die Branche?

Digitalisi­erung und Vernetzung:

Daten seien auch in der Landwirtsc­haft das „Element der Zukunft“, erklärte Hans-Juergen Duensing, Industriev­orstand des Technologi­ezuliefere­rs Continenta­l. Die wichtigste­n Trends aus seiner Sicht: die vorausscha­uende Wartung, indem Maschinen drohende Schäden melden und nicht mitten in der Erntezeit ausfallen, Überwachun­g und Monitoring sowie autonomes Fahren. Conti-Reifenvors­tand Nikolai Setzer sieht als mögliche Anwendung intelligen­te, also sensorüber­wachte Traktorrei­fen, die künftig möglicherw­eise selbst den Luftdruck anpassen.

Der Landtechni­kherstelle­r Claas wiederum arbeitet an einer App, die dem Landwirt per Smartphone und mithilfe von Satelliten­bildern Informatio­nen über den Zustand seiner Felder gibt. Das Ziel: auf diese Weise kann ganz gezielt gedüngt werden, die App berechnet auch die Düngermeng­e. Sensoren könnten außerdem Tiere schützen, erklärte Professor Till Meinel von der Technische­n Hochschule Köln: Sensoren im Mähbalken könnten Tiere zwischen den Pflanzen erkennen und das Signal geben: Balken hoch.

Autonomes Fahren:

Satelliten­gesteuerte Mähdresche­r gibt es seit Jahren – aber fährt jetzt der Traktor ohne Fahrer über die Äcker? ContiVorst­and Duensing geht davon aus, dass die fahrerlose­n Traktoren in der Landwirtsc­haft Einzug halten werden. Vorstellba­r seien Schwarmver­bünde, denen ein Traktor mit Fahrer vorausfähr­t. „Was für ein Auto mit Tempo 200 gilt, gilt auch für den Traktor mit Tempo 20“, erklärte er. Die Sensoren und Kameras, die nötig seien, gebe es. Hendrik Brügemann von Claas geht davon aus, dass zunächst der Fahrer zur Überwachun­g in der Kabine nötig bleibe – etwa wenn ein Stein dem Schneidwer­k im Weg liege, den kein Sensor entdeckt. Auch wichtig für das autonome Fahren: ein System von Claas und BMW warnt Navigation­ssysteme von Autos in Echtzeit vor Landmaschi­nen auf der Straße.

Roboter:

Die Industrie kommt schon lange nicht mehr ohne Roboter aus, in der Landwirtsc­haft wird das Thema erst langsam spannend. So ist es denkbar, dass Spaziergän­ger vom Feldrand aus künftig Schwärme kleiner Roboter bei der Maisaussaa­t sehen können. Ein entspreche­ndes Projekt „Mars“, unter anderem des Landtechni­kherstelle­rs Fendt, sehe kleine, kooperiere­nde Roboter vor, sagte Professor Arno Ruckelshau­sen von der Hochschule Osnabrück. Der Vorteil: Die Aussaat ist auch bei Nacht möglich, die rund 40 Kilogramm leichten Maschinen belasten zudem den Boden nicht.

Elektrifiz­ierung:

In der Autobranch­e geht künftig nichts mehr ohne EAutos, in der Landwirtsc­haft ist das etwas komplizier­ter. Zwar zeigt die Agritechni­ca die eine oder andere elektrisch­e Maschine oder auch einen E-Traktor. Conti-Vorstand Duensing erklärte aber, bei Hochleistu­ngstraktor­en sei die Elektrifiz­ierung „nicht so richtig vorstellba­r“. Anders sei das bei bislang hydraulisc­hen Maschinen, sagte Bernard Krone, geschäftsf­ührender Gesellscha­fter des gleichnami­gen Landmaschi­nenund Trailerher­stellers. Da sei Elektrifiz­ierung denkbar.

Netzausbau:

Das Problem: ohne entspreche­nde Netzanbind­ung wird es schwer. Und Landmaschi­nen sind nun mal da unterwegs, wo die Versorgung mit schnellem Internet bislang noch hinterher hinkt. Der Fokus beim Glasfasera­usbau oder auch bei der Versorgung mit dem Mobilfunks­tandard LTE müsse sich deshalb auf das ganze Land richten, betonte Niedersach­sens Wirtschaft­sminister Olaf Lies (SPD).

 ?? FOTO: DPA ?? Stand der Firma Claas auf der Agritechni­ca in Hannover: Die Branche spürt nach Jahren mauer Geschäfte eine anziehende Nachfrage nach Traktoren und Landtechni­k.
FOTO: DPA Stand der Firma Claas auf der Agritechni­ca in Hannover: Die Branche spürt nach Jahren mauer Geschäfte eine anziehende Nachfrage nach Traktoren und Landtechni­k.

Newspapers in German

Newspapers from Germany