Lebenslang für Kriegsverbrecher Mladic
UN-Tribunal spricht früheren serbischen Militärchef auch des Völkermordes schuldig
(dpa) - In seinem letzten Völkermord-Prozess hat das UN-Kriegsverbrechertribunal zum früheren Jugoslawien den damaligen serbischen Militärchef Ratko Mladic wegen schlimmster Kriegsverbrechen zu lebenslanger Haft verurteilt. Das UN-Gericht in Den Haag sprach den 75-Jährigen am Mittwoch auch des Völkermordes von Srebrenica 1995 schuldig. Mladic’ Verteidiger kündigten Berufung an. Chefankläger Serge Brammertz sprach von einem „Meilenstein für die internationale Justiz“.
Mladic hat dem Urteil zufolge zahlreiche weitere Morde ebenso befehligt wie den jahrelangen Beschuss der Hauptstadt Sarajevo, die gewaltsame Vertreibung Hunderttausender, die Geiselnahme von UN-Soldaten und die massenhaften Vergewaltigungen muslimischer Frauen und Mädchen. In dem Krieg in BosnienHerzegowina waren zwischen 1992 und 1995 mehr als 100 000 Menschen getötet und mehr als zwei Millionen vertrieben worden.
Nach fünfjährigem Prozess zeigte sich Mladic weiter uneinsichtig. „Ich schlafe ruhig, ich bin unschuldig“, sagte er der Belgrader Zeitung „Kurir“unmittelbar vor der Urteilsverkündung. Während der Vorsitzende Richter Alphons Orie die oft unfassbaren Verbrechen des Angeklagten auflistete, lächelte Mladic immer wieder oder schüttelte den Kopf.
Nach einer kurzen Pause kam es zu einem Eklat: Als der wild gestikulierende Ex-General „Lüge! Reine Lüge! Alles Lüge!“schrie und nicht mehr Platz nehmen wollte, ließ Orie ihn aus dem Gerichtssaal werfen. Die Verteidiger hatten den Abbruch oder die Verkürzung der Urteilsverlesung verlangt, weil ihr Mandant durch extrem hohen Blutdruck gefährdet sei. Das Gericht folgte dieser Sicht nicht.
Ziel aller Kriegsverbrechen von Mladic und seinen Offizieren war nach Überzeugung des Gerichts die Vertreibung von Muslimen und Kroaten aus den von Serben in Bosnien beanspruchten Gebieten. Dazu sei ihnen jedes Verbrechen recht gewesen. Die nichtserbische Bevölkerung sei „systematisch terrorisiert“worden. Damit hätten die von Mladic befehligte Armee der bosnischen Serben sowie zahlreiche Freischärlerverbände zuhauf „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“begangen.
Während sich viele Medien in der Balkanregion erleichtert zeigten, dass der „Schlächter“und „Metzger“verurteilt wurde, reagierte der in Serbien alles entscheidende Staatspräsident Aleksandar Vucic zurückhaltend. Auch wenn „wir nicht die Verbrechen rechtfertigen dürfen, die einige im serbischen Namen begangen haben“, würden die serbischen Opfer in allen Jugoslawien-Kriegen vom Ausland nicht ähnlich behandelt wie die Opfer anderer Nationen: „Wir müssen uns um die Achtung unserer eigenen Opfer selbst kümmern“, sagte er in Novi Sad.
Der UN-Menschenrechtskommissar bezeichnete das Urteil als monumentalen Sieg der Gerechtigkeit. „Mladic ist der Inbegriff des Bösen und die Verurteilung von Mladic ist der Inbegriff für internationale Gerechtigkeit“, sagte Said Raad alHussein am Mittwoch in Genf.
Er hat mit seiner Beweisführung maßgeblich zum Urteil gegen Kriegsverbrecher Ratko Mladic beigetragen: UN-Chefankläger
Der 55-jährige Belgier steht seit dem 1. Januar 2008 an der Spitze der Anklage des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) für das ehemalige Jugoslawien in Den Haag. In dieser Funktion leitete er bereits die Anklage gegen Mladics engen Vertrauten Radovan Karadzic. Dieser wurde vom UN-Tribunal im März 2016 wegen Völkermords, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen zu 40 Jahren Haft verurteilt. Er legte Berufung gegen das Urteil ein, an dem Brammertz, der mehr als eine Million Seiten Beweismaterialien zusammentrug, entscheidend beteiligt war. Für Brammertz wäre es „für immer eines der schwärzesten Kapitel in der Geschichte des Tribunals“gewesen, wenn Karadzic und Mladic nicht zur Verantwortung gezogen worden wären.
Brammertz, der am 17. Februar 1962 in Eupen (Belgien) geboren wurde, studierte Rechtswissenschaft und Kriminologie an der Université catholique de Louvain, der Universität Lüttich und an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, wo er auch promovierte. Er kommt aus einer deutschsprachigen Familie und spricht außerdem fließend Französisch, Niederländisch und Englisch.
Zunächst arbeitete er als Rechtsanwalt in Verviers, ging aber 1989 in den Staatsdienst, wo er zunächst stellvertretender Staatsanwalt und ab 1996 Erster Staatsanwalt am Gericht Erster Instanz in Eupen war. 1997 wurde er durch den Justizminister zum Nationalmagistraten ernannt. Von 2003 an war er als stellvertretender Ankläger am IStGH in Den Haag vorrangig mit Ermittlungen zu Menschenrechtsverletzungen in Uganda, Darfur und der Demokratischen Republik Kongo befasst. Im April 2014 wurde Brammertz durch den belgischen König Philippe in den Adelsstand erhoben – er trägt den Titel eines Barons.
Sarah Schababerle und AFP