„Die Serben haben immer noch Probleme mit ihrer Rolle“
- Die Verurteilung von Ratko Mladic bedeutet für die Hinterbliebenen Genugtuung. Auf die serbische Aufarbeitung wird das Urteil kaum Auswirkungen haben, erklärt FranzLothar Altmann (Foto: privat), der Mitglied des Präsidiums der Südosteuropa-Gesellschaft und Professor der Universität Bukarest ist, im Gespräch mit Thilo Bergmann.
Hat es in Serbien bislang eine Aufarbeitung der Person Mladics gegeben?
Die Serben haben immer noch Probleme mit ihrer Rolle im bosnischen Krieg. Sie fühlen sich zum Teil mehr als Opfer denn als Täter. Es gibt aber durchaus auch Gruppierungen, die die Rolle von Serbien und den serbischen Einheiten akzeptieren. Sie sind auch bereit, die Verurteilung von Mladic zu akzeptieren. Das wird aber nicht in der breiten Öffentlichkeit diskutiert.
Was ist in Serbien bislang auf politischer Ebene passiert?
Es hat sich viel zu wenig getan. Der Großteil der Politiker ist noch nicht bereit, sich der Realität zu stellen.
Wie wird die Region rund um Serbien Ihrer Meinung nach in Zukunft den Konflikt gesellschaftlich aufarbeiten?
Das ist auch eine Generationenfrage. Es hängt davon ab, wie Öffentlichkeit und Medien das Thema aufarbeiten. Dafür müssen die Medien in Serbien sich um eine objektivere Darstellung bemühen. Nur dann kann die jüngere Generation, die nicht direkt beteiligt war und das ganze nur aus Erzählungen kennt, sich positiv bewegen.
Kann das heute verkündete Urteil die Hinterbliebenen der Opfer versöhnen?
Es kann ihnen zumindest die Genugtuung geben, dass das, was geschehen ist, jetzt auch gesühnt ist. Es kann natürlich nicht das Leid heilen, das die Hinterbliebenen empfinden. Aber ja, es gibt eine Genugtuung darüber, dass nun Gerechtigkeit geschehen ist.
Mit der Verurteilung Mladics ist der letzte Prozess des UN-Kriegsverbrechertribunals zu Ende gegangen. Haben die Richter gute Arbeit gemacht?
Ich denke ja. Es wird ihnen zwar von serbischer Seite vorgeworfen, dass Serbien einseitig an den Pranger gestellt wurde. Das stimmt aber nicht. Es wurden auch Kroaten oder Bosniaken, also Muslime, vor das Gericht gestellt. Soweit ich das beurteilen kann, haben die Richter sehr gründlich gearbeitet.
Finden Sie es sinnvoll, dass die EU mit Serbien konkreter über einen Beitritt spricht als mit BosnienHerzegowina?
Man würde gerne auch BosnienHerzegowina eine entsprechende Perspektive eröffnen. Aber dort sind die politischen Verhältnisse so unklar und die Politiker so zerstritten, dass es einfach nicht möglich ist. Es ist dort schwierig, eine gemeinsame Position zu finden. Serbien hat sich sehr geschickt verkauft und stellt sich als Stabilitätsfaktor im westlichen Balkan dar, was im Fall von Bosnien-Herzegowina nicht gesagt werden kann.