Anti-Zeman
Seriös, spröde und oberlehrerhaft: Einem Volksverführer gleicht Jiri Drahos wahrlich nicht. Gleichwohl gilt der politische Neuling als stärkster Herausforderer für Milos Zeman bei der tschechischen Präsidentenwahl an diesem Wochenende. Beobachter trauen dem bald 69-jährigen Hochschullehrer zu, in der zweiten Runde die Wahl zu gewinnen. Drahos wird als Anti-Zeman bezeichnet, wegen seiner professoralen Erscheinung und bedächtigen Rhetorik. Viele Tschechen haben genug von ihrem populistischen Amtsinhaber und seinen peinlichen Auftritten im Ausland.
Drahos selbst fühlt sich zum neuen Hausherrn auf der Prager Burg berufen. Seine Kandidatur verknüpft er mit dem Anspruch, den Populisten eine sachliche und intelligente Debattenkultur entgegenzusetzen. Es sei hoch an der Zeit, „die Werte, die für jedes Land am wichtigsten sind, wie Wahrheit, Vernunft und Anständigkeit“, wieder zur Geltung zu bringen. Vaclav Havel lässt grüßen.
Drahos kandidiert als Unabhängiger, wird aber von den bürgerlich-liberalen Parteien unterstützt. Er selbst bezeichnet sich als „Zentrist“, soll heißen: Ein Mann der Mitte, der das stark polarisierte Land wieder zusammenschweißen will. Seinen Wahlkampf haben vor allem einflussreiche Geschäftsleute finanziert, die Andre Babis misstrauen.
Geboren wurde Drahos 1948 im mährisch-schlesischen Cesky Tesin (deutsch: Teschen), einem Grenzstädtchen zu Polen. Aufgewachsen ist er im nahe gelegenen Jablunkov, wo die Mutter als Krankenschwester und der Vater als Lehrer arbeiteten. Der Spross studierte an der Prager Universität für Chemie und Technologie. Drahos ist ein mehrfach ausgezeichneter Forscher. Zuletzt war der Vater zweier Töchter sieben Jahre lang Präsident der Tschechischen Akademie der Wissenschaften. Rudolf Gruber