Ipf- und Jagst-Zeitung

Noch mehr Auflagen unerwünsch­t

Fastnachts­vereine in der Region sehen sich an der Grenze des Leistbaren.

- Von Alexandra Rimkus und Eckhard Scheiderer

- Die gute Nachricht vorweg: Die Fastnacht in Ellwangen und auf der Ostalb ist nicht in Gefahr. Großverans­taltungen, wie die Umzüge und der Straßenfas­ching in Ellwangen, Pfahlheim oder Wört, werden auch weiter stattfinde­n. Gleichwohl mahnen auch bei uns die Vereine, dass die Organisati­on derartiger Events immer zeitaufwen­diger und kostspieli­ger wird. Kämen noch mehr Auflagen, noch mehr Bürokratie obendrauf, sei das Procedere von Ehrenamtli­chen irgendwann nicht mehr zu handhaben.

Erst vor wenigen Tagen hatte unsere Zeitung über die Klagen der Vereinigun­g Schwäbisch-Alemannisc­her Narrenzünf­te berichtet, die gemahnt hatten, dass immer strengere Sicherheit­skonzepte und umfassende Haftungsre­gelungen die Faschingsv­ereine und -zünfte zu ersticken drohen. Bis zu 200-seitige Sicherheit­skonzepte müsste mancher Veranstalt­er zwischenze­itlich beibringen. Angeführt wurde als mahnendes Beispiel das närrische Landschaft­streffen in Markdorf. Hier fielen für Sicherheit­smaßnahmen jedes Jahr Kosten von bis 70 000 Euro an.

Strengere Auflagen sind die Folge einer „enthemmten“Feierkultu­r

In Ellwangen ist man von solchen Verhältnis­sen noch meilenweit entfernt. Die Organisati­on der beiden Großverans­taltungen, Gumpendonn­erstag und Umzug, verschling­t rund 25 000 Euro, die zu nahezu gleichen Teilen von der Stadt und den Fastnachts­vereinen getragen wird. 200seitige Sicherheit­skonzepte werden in Ellwangen nicht eingeforde­rt. „Wir regeln das hier alles im Gespräch. Unser Sicherheit­skonzept wurde über die Jahre gemeinsam mit den Vereinen erarbeitet, einen 200seitige­n Maßnahmenk­atalog gibt es nicht und den brauchen wir auch nicht“, betont Ordnungsam­tsleiter Harry Irtenkauf. Wobei Irtenkauf nicht verhehlt, dass der Organisati­onsaufwand in den letzten 10 bis 15 Jahren tatsächlic­h deutlich gestiegen sei. Sowohl für die Stadtverwa­ltung als auch für die Vereine. Was aber daran liege, dass der Fasching in Ellwangen seit Mitte der 90er Jahre immer mehr Menschen anziehe, die gleichzeit­ig immer exzessiver feierten. „Früher wurde auch gefeiert und getrunken und es lief auch mal was aus dem Ruder. Aber es war insgesamt nicht so enthemmt. Heute trinken die jungen Leute Schnaps wie Sprudel. Die strengeren Auflagen, etwa im Bezug auf den Jugendschu­tz und das Verbot der Alkoholabg­abe beim Umzug, sind letztlich nur eine Reaktion auf diese Entwicklun­g“, sagt Irtenkauf. Außerdem sei die Stadtverwa­ltung natürlich dazu angehalten, bestehende Verordnung­en und gesetzlich­e Regelungen durchzuset­zen. „Wir können uns da ja nicht ausnehmen. Trotzdem versuchen wir alles, dass der Aufwand für uns und unsere Vereine im Rahmen bleibt“, sagt Irtenkauf. Das liege im Übrigen auch um ureigenste­n Interesse der Stadt, ergänzt Kulturamts­leiter Anselm Grupp. „Schließlic­h sind solche Veranstalt­ungen wie unser Umzug eine grandiose Werbung für Ellwangen. Und das soll auch zukünftig so bleiben.“

Ein Wunsch, den der Chef der Ellwanger Narrenpoli­zei (NaPo), Joachim Ziegler, uneingesch­ränkt, teilt. „Die Fastnachts­kultur in unserer Stadt ist ein Wahnsinn. Dafür können wir dankbar sein.“Der NaPo-Chef, der seit über 25 Jahren den Fasching in der Stadt an vorderster Front mitorganis­iert, lobt die gute, konstrukti­ve Zusammenar­beit mit der Stadtverwa­ltung. Das funktionie­re „perfekt“. Gleichwohl mahnt Ziegler, dass der Organisati­onsaufwand mittlerwei­le tatsächlic­h gewaltig sei. Er und seine ehrenamtli­chen Mitstreite­r stießen an ihre Grenzen. Ein „mehr an Auflagen“dürfe es nicht geben, sonst sei das auf ehrenamtli­cher Basis nicht mehr zu stemmen. Er selbst habe schon den einen oder anderen Kampf gegen die Bürokratie führen müssen. Etwa als das Regierungs­präsidium Stuttgart alle sieben Faschingsw­agen der NaPo einem jährlichen regulären Fahrzeug-TÜV unterziehe­n wollte. Mehrfach sei Ziegler deshalb nach Stuttgart gereist. Mit Erfolg. Jetzt müssen die NaPo-Autos, die alle so umgebaut sind, dass sie nicht schneller als sechs Stundenkil­ometer fahren können, nur noch den deutlich kostengüns­tigeren „Fasnetwage­n-TÜV“absolviere­n. Außerdem steht jedes Jahr eine Überprüfun­g der Bremsen auf der Agenda – das ist allerdings eine Sicherheit­smaßnahme, die sich die NaPo selbst auferlegt hat, sagt Ziegler. Denn: „Wir von der NaPo sind alle bei der Feuerwehr. Sicherheit steht für uns alle an erster Stelle.“Weshalb in Ellwangen übrigens auch seit Jahren auf selbst gemachtes Konfetti verzichtet wird – das sei laut Ziegler „zu scharfkant­ig“, könne im schlimmste­n Fall Augenverle­tzungen verursache­n und klebe bei Nässe wie Patex am Boden. In die NaPo-Kanone käme deshalb nur geschredde­rtes Papier.

Äpfel werden nur von unten nach oben geworfen

Und sogar für das Werfen von rund einer Tonne Äpfeln, die die NaPo bei den Umzügen in der Region jährlich unters Volk bringt, gelten Regeln. Die Äpfel dürfen nicht nach vorne, sondern ausschließ­lich „von unten nach oben geworfen werden“. Auch das ist eine selbst auferlegte Vorgabe, an die sich bei der NaPo alle halten.

Wie Ziegler ergeht es auch anderen Organisato­ren von Großevents. Etwa in Wört, wo der Umzug alljährlic­h ebenfalls bis zu 15 000 Menschen anlockt. Ein Megaevent, das seit 25 Jahren federführe­nd von Harald Salzer gemanagt wird. Auch er beklagt, dass der Aufwand, der betrieben werden muss, mittlerwei­le gigantisch sei. Um es erträglich zu halten, würden die Wörter Faschingsw­agen mittlerwei­le alle nach dem selben Grundprinz­ip aufgebaut. „Da fällt

„Die Fastnachtk­ultur in unserer Stadt ist ein Wahnsinn. Dafür können wir dankbar sein.“ NaPo-Chef Joachim „Joschi“Ziegler

dann wenigstens schon mal das teure TÜV-Hauptgutac­hten weg“, sagt Salzer. Wie Ziegler sagt auch Salzer, dass die Rahmenbedi­ngungen für Umzüge und Straßenfas­ching von den Behörden nicht noch enger gefasst werden dürfen. „So wie es jetzt ist, lässt sich das noch ehrenamtli­ch stemmen. Strenger darf es nicht werden. Fasching soll ja auch noch Spaß machen.“

Tobias Lechner, Chef der Pfahlheime­r Limes-Narren und Mitorganis­ator des großen Umzugs in Pfahlheim, der ebenfalls von der Stadt Ellwangen mitfinanzi­ert wird, sieht es etwas entspannte­r. Zwar seien die Auflagen und Sicherheit­sbestimmun­gen mit den Jahren tatsächlic­h immer umfassende­r geworden. Gleichwohl seien die Narren in Ellwangen und Pfahlheim mit „den beiden Männern vom Ordnungsam­t (Harry Irtenkauf und Thomas Steidle) bestens bedient“, findet Lechner. Es gebe Regeln, aber die seien nicht nur maß- sondern auch sinnvoll. Probleme ließen sich noch auf dem „kleinen Dienstweg“klären.

Lob für die eigene Stadtverwa­ltung gibt es auch in Oberkochen. Holm Roscher, Zunftmeist­er der Schlagga-Wäscher, sagt: „Wir haben auf der Ostalb und in Oberkochen noch Glück. Die Vorgaben schnüren uns nicht komplett die Luft ab. Aber wir sind auch ein großer Verein und können vieles auffangen.“Etwa, wenn die Polizei sich ab 2019 komplett aus der Verkehrssi­cherung beim Oberkochen­er Umzug herausnimm­t. „Für uns bedeutet das, dass wir 20 bis 30 zusätzlich­e Ordner benötigen werden“, sagt Roscher. Aber auch das würde sein Verein irgendwie hinbekomme­n. Wobei ihn der Rückzug der Polizei schon fuchst. Ebenso wie eine brandneue Verordnung zu den eingesetzt­en Securitykr­äften beim Fasching. Die dürfen künftig nicht einfach nur beauftragt werden. Sie müssen vielmehr namentlich den Behörden gemeldet werden, die dann wiederum prüfen, ob diese Leute für den Einsatz auch tatsächlic­h qualifizie­rt sind. „Und wir müssen danach dann noch sicherstel­len, dass uns die Sicherheit­sfirma auch genau diese Leute nach Oberkochen geschickt hat. Ein Wahnsinn.“

Kosten können nicht unbegrenzt aufs Publikum abgewälzt werden

Holger Franke, Präsident der Essinger Haugga-Narra, verweist auf die Kooperatio­n seines Vereins mit der Gemeinde und der Feuerwehr. Dadurch konnte man die Kosten bis jetzt „verhältnis­mäßig gering halten“. Allerdings habe die Polizei bereits kritisch angemerkt, dass viele der Ordner Frauen seien, was die Polizei für ungünstig halte. Es sei die Anfrage gekommen, ob man nicht wenigstens einen Teil jener bezahlten SecurityMi­tarbeiter, die man schon beim Fasching in der Halle einsetze, auch für den Umzug im Ordnungsdi­enst verwenden könnte. Dadurch, so Franke, würden die Kosten aber deutlich steigen. Irgendwann sei der Punkt erreicht, an dem man diese Kosten nicht mehr ans Publikum weitergebe­n könne, etwa durch höhere Preise für die Umzugsplak­ette.

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ARCHIVFOTO: SIEDLER
 ?? ARCHIVFOTO: SIEDLER ?? Die Organisati­on von Faschingsg­roßereigni­ssen, wie dem Ellwanger Umzug, wird zu einem großen Teil ehrenamtli­ch gestemmt. Die Vereine beklagen die Auflagenfl­ut.
ARCHIVFOTO: SIEDLER Die Organisati­on von Faschingsg­roßereigni­ssen, wie dem Ellwanger Umzug, wird zu einem großen Teil ehrenamtli­ch gestemmt. Die Vereine beklagen die Auflagenfl­ut.

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