Noch mehr Auflagen unerwünscht
Fastnachtsvereine in der Region sehen sich an der Grenze des Leistbaren.
- Die gute Nachricht vorweg: Die Fastnacht in Ellwangen und auf der Ostalb ist nicht in Gefahr. Großveranstaltungen, wie die Umzüge und der Straßenfasching in Ellwangen, Pfahlheim oder Wört, werden auch weiter stattfinden. Gleichwohl mahnen auch bei uns die Vereine, dass die Organisation derartiger Events immer zeitaufwendiger und kostspieliger wird. Kämen noch mehr Auflagen, noch mehr Bürokratie obendrauf, sei das Procedere von Ehrenamtlichen irgendwann nicht mehr zu handhaben.
Erst vor wenigen Tagen hatte unsere Zeitung über die Klagen der Vereinigung Schwäbisch-Alemannischer Narrenzünfte berichtet, die gemahnt hatten, dass immer strengere Sicherheitskonzepte und umfassende Haftungsregelungen die Faschingsvereine und -zünfte zu ersticken drohen. Bis zu 200-seitige Sicherheitskonzepte müsste mancher Veranstalter zwischenzeitlich beibringen. Angeführt wurde als mahnendes Beispiel das närrische Landschaftstreffen in Markdorf. Hier fielen für Sicherheitsmaßnahmen jedes Jahr Kosten von bis 70 000 Euro an.
Strengere Auflagen sind die Folge einer „enthemmten“Feierkultur
In Ellwangen ist man von solchen Verhältnissen noch meilenweit entfernt. Die Organisation der beiden Großveranstaltungen, Gumpendonnerstag und Umzug, verschlingt rund 25 000 Euro, die zu nahezu gleichen Teilen von der Stadt und den Fastnachtsvereinen getragen wird. 200seitige Sicherheitskonzepte werden in Ellwangen nicht eingefordert. „Wir regeln das hier alles im Gespräch. Unser Sicherheitskonzept wurde über die Jahre gemeinsam mit den Vereinen erarbeitet, einen 200seitigen Maßnahmenkatalog gibt es nicht und den brauchen wir auch nicht“, betont Ordnungsamtsleiter Harry Irtenkauf. Wobei Irtenkauf nicht verhehlt, dass der Organisationsaufwand in den letzten 10 bis 15 Jahren tatsächlich deutlich gestiegen sei. Sowohl für die Stadtverwaltung als auch für die Vereine. Was aber daran liege, dass der Fasching in Ellwangen seit Mitte der 90er Jahre immer mehr Menschen anziehe, die gleichzeitig immer exzessiver feierten. „Früher wurde auch gefeiert und getrunken und es lief auch mal was aus dem Ruder. Aber es war insgesamt nicht so enthemmt. Heute trinken die jungen Leute Schnaps wie Sprudel. Die strengeren Auflagen, etwa im Bezug auf den Jugendschutz und das Verbot der Alkoholabgabe beim Umzug, sind letztlich nur eine Reaktion auf diese Entwicklung“, sagt Irtenkauf. Außerdem sei die Stadtverwaltung natürlich dazu angehalten, bestehende Verordnungen und gesetzliche Regelungen durchzusetzen. „Wir können uns da ja nicht ausnehmen. Trotzdem versuchen wir alles, dass der Aufwand für uns und unsere Vereine im Rahmen bleibt“, sagt Irtenkauf. Das liege im Übrigen auch um ureigensten Interesse der Stadt, ergänzt Kulturamtsleiter Anselm Grupp. „Schließlich sind solche Veranstaltungen wie unser Umzug eine grandiose Werbung für Ellwangen. Und das soll auch zukünftig so bleiben.“
Ein Wunsch, den der Chef der Ellwanger Narrenpolizei (NaPo), Joachim Ziegler, uneingeschränkt, teilt. „Die Fastnachtskultur in unserer Stadt ist ein Wahnsinn. Dafür können wir dankbar sein.“Der NaPo-Chef, der seit über 25 Jahren den Fasching in der Stadt an vorderster Front mitorganisiert, lobt die gute, konstruktive Zusammenarbeit mit der Stadtverwaltung. Das funktioniere „perfekt“. Gleichwohl mahnt Ziegler, dass der Organisationsaufwand mittlerweile tatsächlich gewaltig sei. Er und seine ehrenamtlichen Mitstreiter stießen an ihre Grenzen. Ein „mehr an Auflagen“dürfe es nicht geben, sonst sei das auf ehrenamtlicher Basis nicht mehr zu stemmen. Er selbst habe schon den einen oder anderen Kampf gegen die Bürokratie führen müssen. Etwa als das Regierungspräsidium Stuttgart alle sieben Faschingswagen der NaPo einem jährlichen regulären Fahrzeug-TÜV unterziehen wollte. Mehrfach sei Ziegler deshalb nach Stuttgart gereist. Mit Erfolg. Jetzt müssen die NaPo-Autos, die alle so umgebaut sind, dass sie nicht schneller als sechs Stundenkilometer fahren können, nur noch den deutlich kostengünstigeren „Fasnetwagen-TÜV“absolvieren. Außerdem steht jedes Jahr eine Überprüfung der Bremsen auf der Agenda – das ist allerdings eine Sicherheitsmaßnahme, die sich die NaPo selbst auferlegt hat, sagt Ziegler. Denn: „Wir von der NaPo sind alle bei der Feuerwehr. Sicherheit steht für uns alle an erster Stelle.“Weshalb in Ellwangen übrigens auch seit Jahren auf selbst gemachtes Konfetti verzichtet wird – das sei laut Ziegler „zu scharfkantig“, könne im schlimmsten Fall Augenverletzungen verursachen und klebe bei Nässe wie Patex am Boden. In die NaPo-Kanone käme deshalb nur geschreddertes Papier.
Äpfel werden nur von unten nach oben geworfen
Und sogar für das Werfen von rund einer Tonne Äpfeln, die die NaPo bei den Umzügen in der Region jährlich unters Volk bringt, gelten Regeln. Die Äpfel dürfen nicht nach vorne, sondern ausschließlich „von unten nach oben geworfen werden“. Auch das ist eine selbst auferlegte Vorgabe, an die sich bei der NaPo alle halten.
Wie Ziegler ergeht es auch anderen Organisatoren von Großevents. Etwa in Wört, wo der Umzug alljährlich ebenfalls bis zu 15 000 Menschen anlockt. Ein Megaevent, das seit 25 Jahren federführend von Harald Salzer gemanagt wird. Auch er beklagt, dass der Aufwand, der betrieben werden muss, mittlerweile gigantisch sei. Um es erträglich zu halten, würden die Wörter Faschingswagen mittlerweile alle nach dem selben Grundprinzip aufgebaut. „Da fällt
„Die Fastnachtkultur in unserer Stadt ist ein Wahnsinn. Dafür können wir dankbar sein.“ NaPo-Chef Joachim „Joschi“Ziegler
dann wenigstens schon mal das teure TÜV-Hauptgutachten weg“, sagt Salzer. Wie Ziegler sagt auch Salzer, dass die Rahmenbedingungen für Umzüge und Straßenfasching von den Behörden nicht noch enger gefasst werden dürfen. „So wie es jetzt ist, lässt sich das noch ehrenamtlich stemmen. Strenger darf es nicht werden. Fasching soll ja auch noch Spaß machen.“
Tobias Lechner, Chef der Pfahlheimer Limes-Narren und Mitorganisator des großen Umzugs in Pfahlheim, der ebenfalls von der Stadt Ellwangen mitfinanziert wird, sieht es etwas entspannter. Zwar seien die Auflagen und Sicherheitsbestimmungen mit den Jahren tatsächlich immer umfassender geworden. Gleichwohl seien die Narren in Ellwangen und Pfahlheim mit „den beiden Männern vom Ordnungsamt (Harry Irtenkauf und Thomas Steidle) bestens bedient“, findet Lechner. Es gebe Regeln, aber die seien nicht nur maß- sondern auch sinnvoll. Probleme ließen sich noch auf dem „kleinen Dienstweg“klären.
Lob für die eigene Stadtverwaltung gibt es auch in Oberkochen. Holm Roscher, Zunftmeister der Schlagga-Wäscher, sagt: „Wir haben auf der Ostalb und in Oberkochen noch Glück. Die Vorgaben schnüren uns nicht komplett die Luft ab. Aber wir sind auch ein großer Verein und können vieles auffangen.“Etwa, wenn die Polizei sich ab 2019 komplett aus der Verkehrssicherung beim Oberkochener Umzug herausnimmt. „Für uns bedeutet das, dass wir 20 bis 30 zusätzliche Ordner benötigen werden“, sagt Roscher. Aber auch das würde sein Verein irgendwie hinbekommen. Wobei ihn der Rückzug der Polizei schon fuchst. Ebenso wie eine brandneue Verordnung zu den eingesetzten Securitykräften beim Fasching. Die dürfen künftig nicht einfach nur beauftragt werden. Sie müssen vielmehr namentlich den Behörden gemeldet werden, die dann wiederum prüfen, ob diese Leute für den Einsatz auch tatsächlich qualifiziert sind. „Und wir müssen danach dann noch sicherstellen, dass uns die Sicherheitsfirma auch genau diese Leute nach Oberkochen geschickt hat. Ein Wahnsinn.“
Kosten können nicht unbegrenzt aufs Publikum abgewälzt werden
Holger Franke, Präsident der Essinger Haugga-Narra, verweist auf die Kooperation seines Vereins mit der Gemeinde und der Feuerwehr. Dadurch konnte man die Kosten bis jetzt „verhältnismäßig gering halten“. Allerdings habe die Polizei bereits kritisch angemerkt, dass viele der Ordner Frauen seien, was die Polizei für ungünstig halte. Es sei die Anfrage gekommen, ob man nicht wenigstens einen Teil jener bezahlten SecurityMitarbeiter, die man schon beim Fasching in der Halle einsetze, auch für den Umzug im Ordnungsdienst verwenden könnte. Dadurch, so Franke, würden die Kosten aber deutlich steigen. Irgendwann sei der Punkt erreicht, an dem man diese Kosten nicht mehr ans Publikum weitergeben könne, etwa durch höhere Preise für die Umzugsplakette.