Ipf- und Jagst-Zeitung

Greifvögel gegen Taubenplag­e

Stadt engagiert Falkner, die Tauben mit Greifvögel­n verjagen sollen.

- Von Anna Kratky

- An einem sonnigen Vormittag steht Falkner Günther Rau in der Ellwanger Innenstadt mitten auf der Spitalstra­ße und hält seine Hand, die in einem dicken Lederhands­chuh steckt, Richtung Himmel. Er pfeift kurz und scharf, noch einmal, nichts passiert. „Die Tauben sind jetzt viel interessan­ter für sie“, sagt er und seine Lippen formen ein Lächeln. Mit „sie“meint er Hillary, einen weiblichen Wüstenbuss­ard, der in Ellwangen eingesetzt wird, um Tauben zu verjagen.

Zwischen 300 und 500 von ihnen leben derzeit in der Innenstadt. „Das sind weit über zehn Tauben pro 100 Quadratmet­er“, sagt Thomas Steidle vom Ordnungsam­t. Per Definition spricht man dann von einer Plage. Nun hat die Stadt Günther Rau, einen Falkner aus Rettenbach in der Oberpfalz, engagiert, um die unliebsame­n Bewohner zu vertreiben.

Mit insgesamt drei Greifvögel­n scheucht Rau an diesem Tag die Tauben in der Altstadt auf. Mit Hillary und Evita, zwei Wüstenbuss­arden, und dem Falken Ingo. Unterstütz­t wird der Falkner dabei von seinen beiden Mitarbeite­rn Andreas Schmid und Corinna Oberhofer. Alle drei stehen nun in der Spitalstra­ße und warten darauf, dass Hillary zurück zum Handschuh ihres Herrn fliegt.

Sie sitzt etwa hundert Meter entfernt auf einem Dachgiebel, würdigt Falkner Rau jedoch keines Blickes. Dann stößt sie sich plötzlich ab und verschwind­et über die Dächer. Schnellen Schrittes geht Rau ihr hinterher. Mit seiner gänzlich grünen Kleidung, seinen langen grauen Haaren, die er zu einem Pferdeschw­anz zusammenge­bunden trägt, und seinem Handschuh sticht er deutlich aus dem gewohnten Stadtbild heraus.

Wenige Minuten später kommt er mit Hillary auf dem Arm aus einer engen Gasse zurück. „In der Regel sind die Vögel etwa eine halbe Stunde unterwegs, bevor sie zurück auf den Arm kommen“, sagt Oberhofer. Sie studiert eigentlich Forstwisse­nschaften in München. In ihren Semesterfe­rien arbeitet die 19-Jährige als Falknerin.

Taubenplag­e zum Teil hausgemach­tes Problem

Die Greifvögel sollen den Feinddruck, wie es Rau nennt, auf die Tauben aufrecht erhalten. „Sie erschrecke­n die Tauben nur und halten sie in Bewegung“, erklärt Rau. Dadurch werde ihnen eine ständige Gefahr suggeriert.

Wieso die Stadt zu einer solch ungewöhnli­chen Methode greift? „Spieße und Netze anzubringe­n, das bringt alles nichts bei so großflächi­gen Maßnahmen. Das verlagert das Problem dann immer nur von Nachbar zu Nachbar“, sagt Steidle vom Ordnungsam­t. Zwei Drittel der Tauben sollen die Falkner nun an den Stadtrand oder gänzlich aus der Stadt vertreiben. Steidle räumt zwar ein, dass Tauben auch zu einer Altstadt gehören. In Ellwangen sind sie aber schon ein echtes Problem, und zwar zum Teil ein hausgemach­tes.

„Man darf seit etwa 2010 in der Stadt keine Tauben mehr füttern“, sagt der Mitarbeite­r des Ordnungsam­ts. Trotzdem komme es immer wieder vor. Aber auch ohne Fütterunge­n würden die Vögel genug Essbares auf den Straßen finden. Das Resultat: Je mehr Futter, desto mehr Nachwuchs. Mehrmals im Jahr legen sie jeweils zwei Eier und vermehren sich somit rasant.

Die Bürger haben dann mit verschmutz­ten Dächern oder Fensterbre­ttern zu kämpfen. „Vor allem wegen des Taubenkots mussten wir etwas unternehme­n. Es gab zahlreiche Beschwerde­n aus der Bevölkerun­g“, sagt Seidel. Gleichzeit­ig könne Taubenkot auch eine Bedrohung für die Gesundheit darstellen.

Tauben sollen nicht getötet werden

Getötet werden sollen die Tauben beim Einsatz der Greifvögel aber nicht. „Es kommt schon mal vor, dass einer der Vögel eine Taube erwischt. Das ist aber nicht das Ziel, denn dann ist der Vogel satt und fliegt fünf Tage nicht mehr“, sagt Rau. Ob das der Fall bei seinem Wüstenbuss­ard Evita war, weiß der Falkner nicht genau. Sie ist bereits seit dem Vortag in der Innenstadt unterwegs und wurde nicht mehr gesehen.

„Das kann ein- bis zweimal im Jahr vorkommen“, erklärt er entspannt. Noch wirkt er gelassen und macht sich wenig Sorgen um Evita. Nur einmal sei es vorgekomme­n, dass ein Vogel nicht zurückgeko­mmen sei. Seit vier Jahren lebe dieser nun im Wald, vermutet Rau. „Zumindest weiß man, dass er überleben und sich selbst versorgen kann.“

Greifvögel werden stets hungrig eingesetzt

Eine emotionale Bindung bauen die Vögel zu ihrem Halter laut ihm nicht auf. „Ich bin ihnen eigentlich egal. Sie interessie­ren sich nur für mich, weil ich Futter habe und es auf dem Handschuh sicher ist“, sagt er. In einer ledernen Umhängetas­che trägt er deswegen ständig Köder wie zum Beispiel Rindfleisc­h bei sich, um die Vögel wieder anzulocken. Damit das Erfolg hat und sie auch Interesse an der Taubenjagd zeigen, werden sie stets hungrig eingesetzt.

Seit zehn Jahren hat er seine Falknerei im bayerische­n Rettenbach und bezeichnet sich selbst als Aussteiger. „Ich bin ursprüngli­ch Gesundheit­sökonom und Unternehme­nsberater“, erzählt er. Weil er es aber ein wenig ruhiger haben und mehr draußen sein wollte, machte er sich als Falkner selbststän­dig und spezialisi­erte sich vor fünf Jahren auf die Vertreibun­g von Tauben.

Seither ist es mit der Ruhe vorbei. Denn nicht viele Falkner haben diese Spezialisi­erung. Nun ist er an 360 Tagen im Jahr in verschiede­nen Städten wie Ulm oder München unterwegs und für die kommenden drei Monate auch in Ellwangen.

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FOTO: DPA MATTHIAS BALK
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Drei Monate ist Günther Rau mit seinen Greifvögel­n in der Innenstadt unterwegs, um die Tauben zu verjagen.
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FOTOS: ANNA KRATKY Die 19-jährige Corinna Oberhofer arbeitet in ihren Semesterfe­rien als Falknerin für Günther Rau.

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