Kleine Ahnung von Tuten und Blasen
Mit „Wiiieees“und „Oooohhhhs“entlocken Anfänger beim Didgeridoo-Kurs in Australien dem Holzrohr Töne
Didgeridoo spielen wie die Aborigines? Klappt innerhalb einer Stunde, verspricht Mr. Sanshi im westaustralischen Fremantle. „Learn to Play for Free“steht in dicken, orangefarbenen Lettern auf der schwarzen Mauer. Darunter das Bild eines Mannes im Schneidersitz mit Didgeridoo: Dicke Backen, hervorquellende Augen, die Haare in alle Richtungen abstehend. Ob ich gleich genauso aussehe, wenn ich versuche, die ersten Töne durch das traditionelle Musikinstrument der australischen Ureinwohner zu pusten? Mr. Sanshi, der Inhaber von „Didgeridoo Breath“im westaustralischen Küstenstädtchen Fremantle, verspricht, jeder könne es innerhalb einer Stunde lernen. Also rein in seinen Laden – zur ersten Unterrichtsstunde.
Zwischen Pups und Autohupe
Drinnen sind die Wände mit armdicken, bunt bemalten Ästen dekoriert: hunderte Didgeridoos. Mr. Sanshi alias Yoshitaka Saegusa fing vor 18 Jahren an, diesen etwa zwei Meter langen Holzröhren Klänge zu entlocken. Der eingewanderte Japaner bekam ein Didgeridoo von seiner australischen Frau geschenkt. Seit 2004 hat er seinen kleinen Laden, arbeitet als Musiker und mutiert zum bestens gelaunten Pustefix, sobald er ein Didge vorm Mund hat. Nun drückt der 40-Jährige auch mir eines in die Hand: „Los, einfach mal reinblasen“, fordert er. Also auf einen der runden, schwarzen Lederhocker setzen und tiiiieef Luft holen. Raus aus dem Rohr kommt – nun ja – irgendwas zwischen Pups und verstimmter Oldtimer-Autohupe.
Mr. Sanshi lobt mich trotzdem, schließlich, so erzählt er, kämen manchmal auch so Stummfilmhelden in seine Gratis-Übungsstunde – sie schaffen es nicht, einen einzigen Ton zustande zu bringen – „wie der Typ aus Singapur neulich“, ruft er seinen Kollegen Tim und Anthony zu, und beide rollen die Augen gen Ladendecke. Nun lerne ich, was hier zum guten Ton gehört – jedenfalls am Didgeridoo: „Loose Lips“– die Lippen beim Auspusten nach Herzenslust flattern lassen, so dass man sie als fleischgewordene Wellen mit eigenen Augen sieht. Sehr appetitlich! Dazu noch aus den Stimmbändern ein bisschen Harley DavidsonSound drauflegen und ab in die Röhre damit. Doch, das erinnert jetzt entfernt an den typischen DidgeridooSound. Ich bin überrascht und ganz bestimmt ein Naturtalent, brauche wahrscheinlich gar keine Stunde, um das Instrument zu erlernen. Wenn mein ehemaliger Musiklehrer das doch noch erleben könnte, wie Mr. Sanshi mir anerkennend zunickt und mich im Techno-Takt von Lektion zu Lektion beamt.
Die nächste Übung war sicherlich die Vorlage für den glupschäugigen Schneidersitz-Bläser draußen auf der Wand: Den Mund mal so weit wie möglich nach hinten zurückziehen und dabei ein helles „Wiiieee“produzieren. Dann ganz verwundert dreinschauen, den Kiefer tief runterschieben und „Oooohhhhh“sagen. Während ich noch hoffe, dass keiner meine Grimassen sieht, mixt Mr. Sanshi viel „Wiiieee“und „Oooohhhh“mit dem langgezogenen Klang der Aborigines und wechselt dann urplötzlich in cooles Beatboxing. „Jetzt du“, sagt er – „die hohen und die tiefen Töne!“Nach mehrmaligem Versuch ahne ich, wie einst der Freejazz entstanden sein könnte.
Termiten bestimmen den Klang
„Na, verkrampfen die Lippen schon?“Mr. Sanshi hat offenbar einen Blick für Körperteile, die dem Blasrohr-Anfänger partout nicht mehr gehorchen wollen. Der Grund dafür ist, dass bei mir nach einer guten halben Stunde plötzlich nur noch unkontrollierte, schiefe Töne aus dem Instrument kommen. „No worries“, ruft der rastagelockte GuteLaune-Mann und schiebt schnell eine Geschichtslektion ein: Didgeridoo – eine Aborigines-Bezeichnung? Ich tippe auf „Ja“und damit voll daneben. Sie stammt von europäischen Siedlern – sie machten schlicht das von ihnen erlauschte Klangbild zum Namen. „Yidaki“nennen Ureinwohner das Instrument an der Nordspitze Australiens, wo es einst erfunden worden sein soll. „Boornwangangya“heißt es hingegen bei Aborigines in und um Fremantle. Fast immer besteht das Didge aus einem Eukalyptus-Ast, von Termiten ausgehöhlt. Die Krabbeltiere bestimmen den Klang – je nach dem, wie sie sich durchs Holz gefressen haben. Gespielt wird es von australischen Ureinwohnern vor allem bei Festen.
Mr. Sanshi ist kaum zu bremsen, aber ich habe nur noch eine gute Viertelstunde, um das DidgeridooSpielen endgültig zu erlernen. Was mir denn dafür noch fehlt, frage ich den Meister, darauf hoffend, dass es sich allenfalls um eine Kleinigkeit handelt. „Circular Breathing“, verkündet mein Lehrer strahlend und führt’s gleich vor: Auspusten und dabei den typisch näselnden Sound erzeugen bis die Lunge halb leer ist, und sie dann blitzschnell wieder mit Luft volltanken – ohne das Auspusten zu unterbrechen. Hatte ich nicht mal in Bio gelernt, gleichzeitiges Aus- und Einatmen sei unmöglich? Versuch macht klug, hier vor allem aber Lachanfall und Frosch im Hals. Als der endlich rausgehustet ist, nehme ich einen zweiten Anlauf, scheitere aber wieder kläglich und hab nun Kopfschmerzen wie nach dem Aufpusten einer Luftmatratze. Mr. Sanshi tröstet mich mit dem Hinweis, fast alle Didgeridoo-Anfänger müssten monatelang üben, bis sie die Kreisatmung hinkriegen, könnten dann aber volles Rohr loslegen – mit der Fähigkeit, den Luftstrom und damit die Töne lange zu halten.
Dafür bräuchte ich wohl doch noch die eine oder andere Übungsstunde. Aber immerhin hab ich in meiner ersten ein paar längere TonSequenzen aus diesem Holzast gepresst und so nun eine kleine Ahnung von Tuten und Blasen.
Alle Informationen über Perth und Westaustralien unter www.experienceperth.com und www.westernaustralia.com. In gängigen Australien-Reiseführern kommen Perth und Western Australia meist nur kurz vor. Sehr ausführlich und kenntnisreich werden Stadt und Region dagegen vorgestellt in „Westaustralien und das Top End“von Janine Günther und Jens Mohr, Verlag 360 Grad, 26,50 Euro. Didgeridoo-Kurs: Die erste Stunde bei Mr. Sanshi ist kostenlos, weitere kosten 41 Euro (Einzelunterricht) beziehungsweise 20 Euro (in einer Gruppe).