Bilderbuch-Buchten statt Beton und Ballermann
Die Baleareninsel Menorca hat die Langsamkeit für sich entdeckt
Manchmal ist es durchaus von Vorteil, die kleinere, unbedeutendere Schwester zu sein. Im Falle der Baleareninsel Menorca trifft dies wohl zu. Alle einmal dort Gewesenen werden jetzt kräftig nicken, manch Menorquiner jedoch zuckt mit den Achseln. „Na ja, wenn Geld aus Madrid Richtung Balearen fließt, bedient sich natürlich erst einmal Mallorca. Für uns bleibt dann nicht mehr so viel übrig“, beklagt zum Beispiel Alvin, der zwar gebürtiger Belgier, aber mit einer Menorquinerin verheiratet und mindestens so stolz auf die spanische Insel ist wie die Einheimischen selbst. Der rotblonde Schlacks wurde vor zwölf Jahren hier angespült und ist froh darüber, dass die kleine Schwester von Beton und Ballermann verschont geblieben ist, obwohl sie einige der schönsten Badebuchten des Mittelmeers besitzt.
Wer ins Paradies gelangen will, muss dafür etwas tun. Der Großteil der 220 Kilometer langen Küste ist nämlich unverbaut, was gleichzeitig bedeutet, dass nur wenige Hotels direkt am Strand stehen. An die zwischen Felsen versteckt liegenden Buchten gelangt man meist auch nicht mit dem Auto. Somit bleiben nur zwei Möglichkeiten, die weißen Strände im Süden und die wild-romantischen im Norden der Insel zu erobern: per Schiff oder per pedes.
Aioli und Langustineneintopf
So eine mehrstündige Bootstour entlang der Küste mit Badestopp ist allerdings nicht ganz günstig (ca. 50 Euro pro Person). Und ein bisschen Bewegung im Urlaub kann ja auch nicht schaden. Vor allem, wenn man das ausgezeichnete, abwechslungsreiche Essen auf Menorca Abend für Abend genießt. Hier wurde zum Beispiel die leckere Knoblauch-Mayonnaise Aioli erfunden, und wegen des berühmten Langustineneintopfs schaut auch der spanische König ab und zu vorbei. Also Rucksack mit Badesachen schultern und losmarschieren! Schließlich vermarktet sich Menorca auch als Wanderinsel. Vom Parkplatz oder nächsten Ort aus dauert es – más o menos – eine halbe Stunde, bis einem der ausgewählte Traumstrand zu Füßen liegt. Treppen oder Holzstege führen dann meist hinunter in den weichen Sand und ans erfrischende Nass. Die Population an den Stränden hängt mit der Entfernung vom nächsten Parkplatz oder Hotel ab. Als Faustregel gilt: Je länger der Fußmarsch, desto einsamer die Bucht – und desto weniger bekleidet die Badenden.
Die Pfade zu den Badebuchten sind oft Teil des über 180 Kilometer langen Camí de cavalls, der rund um Menorca führt und auf dem einst berittene Wächter nach feindlichen Schiffen spähten oder Kuriere hoch zu Ross eilig Nachrichten von Beobachtungsturm zu Beobachtungsturm überbrachten. Heute schlendern dort Wanderer und Badeurlauber durch lichte Wälder aus Aleppokiefern und Korkeichen, vorbei an im Wind wehendem Baumwollgras, duftenden Rosmarinsträuchern und Strandfliederbüschen. Über 60 Prozent des Eilands stehen unter Naturschutz und dürfen deshalb nicht bebaut werden, die gesamte 700 Quadratkilometer große Insel ist Unesco-Biosphärengebiet. In solch traumhafter Landschaft mit grandiosem Meerblick wird der Weg schnell zum Ziel. Apropos schnell: Dieses Adjektiv passt so gar nicht zu dieser Insel. Hier ist vielmehr die Entdeckung der Langsamkeit oberstes Gebot. „Menorca Slow“– die Insel war jahrelang unter britischer Herrschaft – heißt deshalb auch ein Programm, das die einheimischen Touristiker aufgelegt haben. Und das schon lange, bevor woanders „Entschleunigung“zum Zauberwort wurde.
Die Ruhe weg hat auch Wladimir, der Urlauber über die kleine Lazerett-Insel nahe der Hauptstadt Mahon führt. Ausführlich erklärt er, wie hier im 18. und 19. Jahrhundert insgesamt rund 400 000 Menschen in Quarantäne gesteckt wurden, um die Bewohner Menorcas vor dem Einschleppen von Krankheiten wie Pest und Gelbfieber zu schützen. Absolute Stille herrscht zwischen den alten, verlassenen Gemäuern, die 100 Jahre lang Seeleute und Passagiere beherbergt haben und heute als Museum oder für Tagungen dienen. Nur das Knirschen der Schuhe auf den gekiesten Wegen und das Rauschen im Blätterwerk der alten Bäume stören die Ruhe, die sich sanft über dieses kleine ehemalige Reich der Ankommenden, aber auch der Kranken und Aussätzigen gelegt hat. Wer damals viel Geld hatte, konnte sich im zentralen eleganten Flügelbau unterbringen lassen. Wer heute viel Geld hat, möchte daraus gerne ein Luxusresort machen. Interessenten – auch aus dem Ausland – gibt es genügend. Doch die Menorquiner zeigen sich zurückhaltend. „Wir sollten nicht die gleichen Fehler machen wie Mallorca“, warnt der Chef der örtlichen Tourismusorganisiation, Isaac Olives. Einen Ausverkauf ihrer Insel wollen er und seine Mitstreiter vermeiden, genauso wie einen Protest der Einheimischen gegen die überquellenden Touristenströme wie auf der rund 50 Kilometer entfernten berühmten Nachbarinsel.
Pretty Ballerinas von der Insel
Dabei kommt den Menorquinern zugute, dass sie nicht allein vom Tourismus leben. Neben der Landwirtschaft spielt vor allem die Schuhproduktion auf der Insel immer noch eine wichtige Rolle. Die praktisch-bequemen Sandalen Avarques werden auf der Insel produziert, auch die exklusiven Pretty Ballerinas, die von Claudia Schiffer und Kate Moss genauso getragen werden wie von den spanischen Prinzessinnen. Die Fabrik liegt im Inselinnern und beherbergt ein Outlet. Doch trotz Schnäppchenpreisen ist auch hier von Hektik keine Spur, Schlange stehen an der Kasse – Fehlanzeige. Allerdings eignen sich diese edlen Treter auch kaum für die Erkundung der 33 über die Insel verstreuten, prähistorischen Talayot-Siedlungen mit ihren aus riesigen Steinen gebauten Türmen und Tischen. Und noch weniger für eine Wanderung an die Strände, womit wir wieder bei den Hauptattraktionen der Insel angekommen sind.
Viel Muße mitbringen sollte man, um im weichen Sand zu liegen oder im türkis-blauen Wasser zu schwimmen oder zu schnorcheln. Erst wenn die Sonne sich langsam gen Horizont neigt, wird es Zeit, seine sieben Sachen zusammen zu packen und sich gemächlich auf den Rückweg zu machen. Was ein echter Menroquiner sein will, erscheint sowieso nicht vor 21 Uhr zum ausgedehnten Abendessen. Tuifly bietet von Stuttgart aus Direktflüge nach Menorca an.
beim spanischen Fremdenverkehrsamt in Frankfurt,
Internet:
oder Die Recherche wurde unterstützt vom spanischen Fremdenverkehrsamt.