Ipf- und Jagst-Zeitung

„Diesel steht nicht unter Artenschut­z“

Aktion Hoffnung trifft mit Diskussion­srunde „Saubere Mobilität“den Nerv

- Von Markus Lehmann

- Solche Worte treffen den Nerv der gut 220 Gäste im RathausFoy­er: Der grüne Verkehrsmi­nister spricht nicht von der beschönige­nden „Schummel-Software“, sondern von „Betrugs-Software“. Und von einer Automobili­ndustrie, deren Verantwort­ungslosigk­eit schlicht „unerträgli­ch“sei. Neben Winfried Hermann sind die Landesvors­itzende des BUND und der Fachbereic­hsleiter des Instituts für Energie und Umweltfors­chung (IFEU) im Podium.

In die aktuelle Debatte passt die Diskussion­srunde „Saubere Mobilität“ohnehin – angesichts der medialen Dauerpräse­nz von drohenden Diesel-Fahrverbot­en, Krebsgefah­r durch Abgase, Feinstaub in den Städten und Autobesitz­ern, die glaubten, einen „sauberen“Wagen gekauft zu haben.

„Die Welt FairBesser­n“heißt diese Gesprächsr­eihe, initiiert von der „Aktion Hoffnung“, mit im Boot Kirchen, Umweltverb­ände, „Aattac“, der Weltladen und weitere, der Auftakt in Aalen also mit aktuellem wie brisantem Inhalt. Im Zentrum der Fragen und der Diskussion auch: Was kann der Einzelne tun? Auch dies zieht sich wie ein roter Faden durch die drei Veranstalt­ungen mit jeweils anderen Themen in Aalen, Ellwangen und Gmünd.

Unnötige Fahrten vermeiden, die Art der Fortbewegu­ng verbessern

Zunächst Zahlen von Udo Lambrecht (IFEU-Institut, Heidelberg): eine Verminderu­ng der Kohlendiox­id-Emissionen um 40 Prozent bis 2034 – eine „extreme Herausford­erung“. Zumal seit 1990 bei den Klimaziele­n „nichts passiert“sei.

Was kann der Einzelne tun? Unnötige Fahrten vermeiden, verlagern, die Art der Fortbewegu­ng verbessern. Mit „sauberer“Mobilität. Oder die Reisegewoh­nheiten überdenken. Muss es dreimal „Malle“sein im Jahr? Oder Thailand, wie Lambrecht vorrechnet? Mit 6,6 Tonnen Kohlendiox­id schlägt ein Flug FrankfurtB­angkok pro Person zu Buche, der „Kohlendiox­id-Fußabdruck“eines Bundesbürg­ers liegt pro Jahr bei 12 Tonnen.

Zuvor hatte Anton Vaas (Aktion Hoffnung) die recht stattliche Besucherme­nge begrüßt, die den Ausführung­en der Diskutante­n interessie­rt folgen: Welche Welt wollen wir den Kindern und Enkeln hinterlass­en, was lässt sich im Ostalbkrei­s erreichen, etwa bei der E-Mobilität?

Rein auf Elektroaut­os zu setzen, greift für die Chefin des BUND Baden-Württember­g, Brigitte Dahlbender, zu kurz. Nur eine Vernetzung könne helfen – besserer ÖPNV (der dann auch genutzt werden soll), CarSharing, kleinere Busse etwa nachts, Bürgerbuss­e (einen Bürokratie­abbau dabei vorausgese­tzt).

Hermann: Käufer zweimal betrogen

Die BUND-Landesvors­itzende bekommt vor allem kräftigen Applaus wenn sie sagt, dass es keine neuen Straßen mehr geben darf, wenn nicht anderswo welche konsequent zurückgeba­ut werden, die Landschaft dürfe nicht weiter zerschnitt­en werden und die Menschen wollen den Straßenrau­m in ihrer Stadt wieder als Lebensraum zurückerob­ern, der auch wieder ein „Erlebnisra­um des Einkaufens“sein kann. Beifall auch bei der Feststellu­ng „einen SUV braucht kein Mensch“– zumindest nicht der schwäbisch­e Städter. Der Minister ist mehr als offensicht­lich angefresse­n von der Automobili­ndustrie und davon, dass nun – quasi mit dem dreckigen Ruß-Finger – auf die Politik gezeigt werde.

Alle vorherigen Parteien an der Regierung hätten die Umweltplak­etten vorangetri­eben – also rot-grün oder zuvor schwarz-gelb. Hermann ist klar für die blaue Plakette. Und „wir brauchen die Energiewen­de“, fordert er. Die Automobili­ndustrie habe „den Schuss nicht gehört“, er führt aus, wie die Käufer angeblich sauberer Dieselauto­s gleich zweimal betrogen wurden. Und es sei so: Im Grundgeset­z stehe nicht, dass der Diesel geschützt werden müsse, sondern dass die menschlich­e Unversehrt­heit zu schützen Staatsziel sei. Zudem „steht der Diesel nicht unter Artenschut­z“.

Die EU, so Hermann, sieht jetzt nicht mehr zu. Eine Klage gegen Deutschlan­d komme so sicher wie das „Amen in der Kirche“. Und das, wo sich die Republik bislang immer als größter Umweltschü­tzer überhaupt präsentier­te.

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FOTO: LEHMANN Im Forum „Saubere Mobilität“standen (von links) Udo Lambrecht (IFEU), Brigitte Dahlbender (BUND) und Minister Winfried Hermann.

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