„Diesel steht nicht unter Artenschutz“
Aktion Hoffnung trifft mit Diskussionsrunde „Saubere Mobilität“den Nerv
- Solche Worte treffen den Nerv der gut 220 Gäste im RathausFoyer: Der grüne Verkehrsminister spricht nicht von der beschönigenden „Schummel-Software“, sondern von „Betrugs-Software“. Und von einer Automobilindustrie, deren Verantwortungslosigkeit schlicht „unerträglich“sei. Neben Winfried Hermann sind die Landesvorsitzende des BUND und der Fachbereichsleiter des Instituts für Energie und Umweltforschung (IFEU) im Podium.
In die aktuelle Debatte passt die Diskussionsrunde „Saubere Mobilität“ohnehin – angesichts der medialen Dauerpräsenz von drohenden Diesel-Fahrverboten, Krebsgefahr durch Abgase, Feinstaub in den Städten und Autobesitzern, die glaubten, einen „sauberen“Wagen gekauft zu haben.
„Die Welt FairBessern“heißt diese Gesprächsreihe, initiiert von der „Aktion Hoffnung“, mit im Boot Kirchen, Umweltverbände, „Aattac“, der Weltladen und weitere, der Auftakt in Aalen also mit aktuellem wie brisantem Inhalt. Im Zentrum der Fragen und der Diskussion auch: Was kann der Einzelne tun? Auch dies zieht sich wie ein roter Faden durch die drei Veranstaltungen mit jeweils anderen Themen in Aalen, Ellwangen und Gmünd.
Unnötige Fahrten vermeiden, die Art der Fortbewegung verbessern
Zunächst Zahlen von Udo Lambrecht (IFEU-Institut, Heidelberg): eine Verminderung der Kohlendioxid-Emissionen um 40 Prozent bis 2034 – eine „extreme Herausforderung“. Zumal seit 1990 bei den Klimazielen „nichts passiert“sei.
Was kann der Einzelne tun? Unnötige Fahrten vermeiden, verlagern, die Art der Fortbewegung verbessern. Mit „sauberer“Mobilität. Oder die Reisegewohnheiten überdenken. Muss es dreimal „Malle“sein im Jahr? Oder Thailand, wie Lambrecht vorrechnet? Mit 6,6 Tonnen Kohlendioxid schlägt ein Flug FrankfurtBangkok pro Person zu Buche, der „Kohlendioxid-Fußabdruck“eines Bundesbürgers liegt pro Jahr bei 12 Tonnen.
Zuvor hatte Anton Vaas (Aktion Hoffnung) die recht stattliche Besuchermenge begrüßt, die den Ausführungen der Diskutanten interessiert folgen: Welche Welt wollen wir den Kindern und Enkeln hinterlassen, was lässt sich im Ostalbkreis erreichen, etwa bei der E-Mobilität?
Rein auf Elektroautos zu setzen, greift für die Chefin des BUND Baden-Württemberg, Brigitte Dahlbender, zu kurz. Nur eine Vernetzung könne helfen – besserer ÖPNV (der dann auch genutzt werden soll), CarSharing, kleinere Busse etwa nachts, Bürgerbusse (einen Bürokratieabbau dabei vorausgesetzt).
Hermann: Käufer zweimal betrogen
Die BUND-Landesvorsitzende bekommt vor allem kräftigen Applaus wenn sie sagt, dass es keine neuen Straßen mehr geben darf, wenn nicht anderswo welche konsequent zurückgebaut werden, die Landschaft dürfe nicht weiter zerschnitten werden und die Menschen wollen den Straßenraum in ihrer Stadt wieder als Lebensraum zurückerobern, der auch wieder ein „Erlebnisraum des Einkaufens“sein kann. Beifall auch bei der Feststellung „einen SUV braucht kein Mensch“– zumindest nicht der schwäbische Städter. Der Minister ist mehr als offensichtlich angefressen von der Automobilindustrie und davon, dass nun – quasi mit dem dreckigen Ruß-Finger – auf die Politik gezeigt werde.
Alle vorherigen Parteien an der Regierung hätten die Umweltplaketten vorangetrieben – also rot-grün oder zuvor schwarz-gelb. Hermann ist klar für die blaue Plakette. Und „wir brauchen die Energiewende“, fordert er. Die Automobilindustrie habe „den Schuss nicht gehört“, er führt aus, wie die Käufer angeblich sauberer Dieselautos gleich zweimal betrogen wurden. Und es sei so: Im Grundgesetz stehe nicht, dass der Diesel geschützt werden müsse, sondern dass die menschliche Unversehrtheit zu schützen Staatsziel sei. Zudem „steht der Diesel nicht unter Artenschutz“.
Die EU, so Hermann, sieht jetzt nicht mehr zu. Eine Klage gegen Deutschland komme so sicher wie das „Amen in der Kirche“. Und das, wo sich die Republik bislang immer als größter Umweltschützer überhaupt präsentierte.