Szenen einer Ehe enden vor Gericht
60-Jähriger ist wegen Misshandlung angeklagt – Ehefrau trinkt seit Jahren zu viel
(R.) - Ein 60-Jähriger soll seine Ehefrau so misshandelt haben, dass sie schwere Verletzungen erlitt und stationär im Krankenhaus behandelt werden musste. Deshalb steht der Berufskraftfahrer vor Gericht. Doch je länger die Verhandlung im Amtsgericht unter Vorsitz von Richter Norbert Strecker dauert, umso deutlicher wird ein ganz anderes Bild: Die 57-jährige Frau konsumiert Alkohol offenbar in solchen Mengen, dass ihre Gesundheit darunter leidet.
Wie der Angeklagte angibt, trinke seine Frau seit Jahren zu viel: „Eigentlich bin ich seit 33 Jahren glücklich mit ihr verheiratet. Aber nur, wenn sie nicht trinkt“, sagt er aus. Mehrere Therapien und Vereinbarungen, sie werde mit dem Trinken aufhören, hätten nichts gebracht. Weil er sich Sorgen gemacht habe, sei er am Mittag des 25. November 2016 in die gemeinsame Wohnung gefahren und habe sie betrunken vorgefunden. Beim Streit um eine Sektflasche, die er ihr entreißen wollte, sei es zum Handgemenge gekommen. Seine Frau sei hingefallen und mit dem Kopf aufgeschlagen. Beim Versuch, sie auf einen Sessel zu hieven, sei er auf sie gefallen und habe sie mit dem Ellbogen an der Lippe getroffen. Er habe versucht sie zu beruhigen und sie ins Bad begleitet. Hilfsangebote habe sie abgelehnt: „Sie wollte zur Physiotherapie gehen.“
Als er von der Arbeit nach Hause zurückgekehrt sei, habe die Polizei vor der Tür gestanden. An das darauf folgende Verbot, sich seiner Frau zu nähern, habe er sich gehalten und sie erst Monate später wiedergesehen. Das Paar lebt seit dem Vorfall getrennt.
Lichtbilder belegen, dass die Frau aus mehreren Wunden im Gesicht und einer Platzwunde am Kopf stark blutete. Es scheint wenig wahrscheinlich, dass sie, wie sie angab, in diesem Zustand von der Wohnung zur physiotherapeutischen Praxis in der Innenstadt gegangen sein soll, ein gut 20-minütiger Fußweg. Praxismitarbeiter sagten bei der Polizei aus, ihnen sei nichts Ungewöhnliches an der Patientin aufgefallen.
Frau wirkt konfus
Die konfus wirkende Frau gibt an, sie leide unter ihrem Mann: „Er kontrolliert mich ständig, ist gewalttätig und macht mich fertig. Dann brauche ich eben was zu trinken.“An diesem Tag habe sie aber nur einen Pikkolo getrunken. Nach der Behandlung sei sie auf schnellstem Weg nach Hause gegangen. Unterwegs sei sie gestolpert und gestürzt. Auf Vorhalt des Verteidigers, Rechtsanwalt Peter Bacher, gibt die verwirrt wirkende Frau zu, kurz nach Verlassen der Praxis an einem Automaten Geld abgehoben zu haben. Das hatte sie bisher verschwiegen. Anderthalb Stunden später wurde sie blutüberströmt und mit gebrochenem Nasenbein in hilflosem Zustand auf dem Gehweg liegend gefunden.
Deutlich alkoholisiert
Ein Alkohol-Atemtest konnte mangels ihrer Mitwirkung nicht vorgenommen werden, doch habe sie, so ein Polizeibeamter, deutlich alkoholisiert gewirkt. Warum man ihr später im Krankenhaus kein Blut abnahm, bleibt ebenso offen wie die Frage, was sie mit dem Geld gemacht hat.
Weil ihre Mandantin „intellektuell nicht mehr folgen“könne, so Rechtsanwältin Ursula Klozbücher als Vertreterin der Nebenklage, unterbrach Norbert Strecker die Verhandlung. Sie wird am Dienstag, 20. März, fortgesetzt.