Kein Lebenslauf wie aus dem Lehrbuch
Bewerber können Lücken heute auch ehrlich und selbstbewusst zu ihrem Vorteil nutzen
Lücken und Brüche im Lebenslauf sind schlecht. Mit ihnen zeigen die Bewerber Schwäche – und jeder Arbeitgeber sucht doch belastbare Mitarbeiter. Wer also Familienangehörige gepflegt hat, krank oder einfach mal auf Reisen war, hat keine Chance mehr auf den Traumjob. Das sind die gängigen Vorurteile gegenüber Lücken im Lebenslauf. Lange galt der Grundsatz, dass diese zu vermeiden sind. Doch das ist heute nicht mehr so: „Authentizität ist wichtiger als ein glatt geschliffener Lebenslauf wie aus dem Lehrbuch“, sagt Katharina Herrmann vom Bundesverband für Personalmanager (BPM). „Als Personalerin möchte ich wissen: Wie geht der Bewerber mit der Ausnahmesituation um?“
Deshalb können Bewerber Lücken im Lebenslauf zu ihrem Vorteil nutzen, erklärt Jutta Boenig von der Deutschen Gesellschaft für Karriereberatung (DGfK). Sie rät: „Bewerber sollten zur Lücke stehen. Mit einem selbstbewussten Umgang können sie ihr Gegenüber beeindrucken.“
Allerdings sollte man die Lücken und Brüche möglichst positiv auslegen. Eine freiwillig genommene Auszeit wie eine Reise lässt sich dabei natürlich besonders leicht verkaufen. „Man hat die Gelegenheit beim Schopf ergriffen und sich einen lang ersehnten Traum erfüllt“, schlägt Boenig als Erklärung vor. Schwieriger ist dagegen, Lücken wegen Arbeitslosigkeit oder gesundheitlichen Problemen positiv darzustellen. Ein Weg: Sie als Neuorientierung interpretieren und den Fokus darauf legen, die Krise überwunden zu haben.
Eventuell lässt sich so auch zeigen, dass man besonders großes Interesse an seinem Fachgebiet hat. „Wer sich auch während der Auszeit zum Beispiel über Fachartikel auf dem Laufenden gehalten hat, sollte das auch deutlich machen“, sagt Boenig. Selbst mit kurzen Weiterbildungen im Netz können Bewerber Engagement und Begeisterung demonstrieren.
Um Unklarheiten und unangenehme Situationen während der Bewerbung von Beginn an zu vermeiden, sollte man die Lücken bereits im Lebenslauf nennen. Auf keinen Fall sollten Bewerber eine längere Pause verschleiern oder Erfahrungen erfinden, sagt Katharina Herrmann. Viele Bewerber fürchten sich, mit einer Lücke schlecht dazustehen. Dabei sind einige Monate Arbeitslosigkeit meist überhaupt kein Problem. „Der Personaler kennt den Arbeitsmarkt schließlich gut. Er kann abschätzen, ob diese Zeit für die Arbeitssuche realistisch ist. Und auch familiäre Ausnahmesituationen kennt jeder.“
Kleines Kompetenzinterview
Intime Details der Krankheitsgeschichte oder der Familiensituation interessieren sie als Personalerin dagegen nicht. „Ich sehe die Fragen nach Lücken im Lebenslauf eher wie ein kleines Kompetenzinterview: Der Bewerber kann zeigen, wie er mit schwierigen Situationen umgeht. Daraus kann sich ein super Bewerbungsgespräch entwickeln.“
Allerdings rät Herrmann Bewerbern auch, die Karten offen auf den Tisch zu legen – Herausforderungen inklusive. „Wenn jemand kleine Kinder zu Hause hat oder seine Eltern pflegt, sind flexible Arbeitszeiten oder eine verringerte Stundenanzahl manchmal nötig. Das möchte ein Unternehmen von Anfang an wissen.“Schließlich sei niemandem geholfen, wenn nach den ersten Wochen herauskommt, dass die Arbeitsbedingungen nicht passen. „Besser ist es, so etwas sofort anzusprechen und gemeinsam eine Lösung zu finden.“
Den Grund für den lockeren Umgang mit Lücken sieht Wirtschaftspsychologin Annette Kluge von der Ruhr-Universität Bochum unter anderem im Fachkräftemangel. „Den Unternehmen wird immer mehr bewusst, dass sich die Bewerber die Unternehmen aussuchen können.“Dadurch verringert sich der Druck auf Kandidaten, perfekte Lebensläufe zu präsentieren. Außerdem müssen Zwanzigjährige heute voraussichtlich sehr lange arbeiten und sich gleichzeitig früh auf eine Fachrichtung festlegen – ohne zu wissen, ob die wirklich passt. „Da kann man doch jeden Bruch oder eine Phase der Neuorientierung durchaus verstehen“, sagt Kluge.
Gleichzeitig nehmen sich immer mehr junge Leute schon früh Auszeiten, um sich ehrenamtlich zu engagieren oder zu reisen. „Einen wesentlichen Beitrag hat außerdem die Elternzeit für Väter geleistet. Es wird damit immer natürlicher und normaler, auch mal eine Auszeit für die Familie zu nehmen.“Das sieht Kluge sehr positiv. „Je mehr junge Leute in den Unternehmen nachrücken, die solche Erfahrungen mit Lücken selber gemacht haben, umso mehr – so hoffe ich jedenfalls – wertschätzen und verstehen sie diese Lücken auch bei Bewerbern.“(dpa)